"Wer raus will, der muss ganz raus"
Der EU-Abgeordnete Markus Ferber fordert, dass es bei den Verhandlungen mit Großbritannien über den Austritt aus der Europäischen Union kein "Rosinenpicken" geben dürfe. Der CSU-Politiker ging auf Distanz zum britischen Parteifreund David Cameron.
Sollte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker versuchen, den Briten lauter Sonderangebote zu machen, werde es Aufgabe des EU-Parlaments sein, diesem Vorgehen Einhalt zu gebieten, sagte der EU-Abgeordnete Markus Ferber (CSU) im Deutschlandradio Kultur.
Bei Null anfangen
"Wer raus will, der muss ganz raus und fängt bei Null wieder an und kann dann wieder neu beginnen, irgendwelche Methoden der Zusammenarbeit zu finden", sagte Ferber. "Dann wird es auch es auch keine Nachahmer geben, weil ganz draußen ist wirklich kein Spaß." Der CSU-Politiker sagte, es müsse deshalb jetzt entsprechend verhandelt werden. Dabei handele es sich nicht etwa um eine Drohung, sondern um die Antwort auf die Frage, die den Briten gestellt worden sei. "Da steht nicht drin, wollt Ihr nur ein bisschen raus."
Keine halben Sachen
Ferber berichtete von dem Besuch einer britischen Schulklasse, bei dem die Lehrer sich als Brexit-Befürworter zu erkennen gegeben hätten, aber gleichzeitig eine Weiterführung des europäischen Förderprogramms Erasmus wünschten. "So kann es natürlich nicht gehen, dass man sich da ein paar Sachen raussucht und da noch gerne mitmacht und an ein paar anderen Stellen dann nichts mehr mit uns zu tun haben will", sagte der CSU-Politiker.
Auf Distanz zu David Cameron
Über das Vorgehen des britischen Premierministers David Cameron sagte Ferber: "Er steht jetzt vor dem Scherbenhaufen, den er sich selber aufgebaut hat und auf dem er mal seine eigene politische Karriere mal begonnen hat." Cameron habe mit dem Feuer gespielt und sich nicht nur die Finger verbrannt, sondern ein riesiges Feuer entzündet. In der CSU habe es niemanden gegeben, der das Vorgehen Camerons als Vorbild für die eigene Politik gesehen habe. "Es gehe uns nicht darum, einfach Europa den Rücken zu kehren, wie das die Briten gemacht haben, sondern Europa so auszugestalten, dass es die Akzeptanz bei den Menschen findet", sagte der EU-Abgeordnete. "Das ist ein ganz großer Unterschied zu der Cameron´schen Strategie, der immer an Europa rumgenölt hat und jetzt auch die Frage vorgelegt hat und jetzt auch die Antwort bekommen hat."
Das Interview im Wortlaut:
Liane von Billerbeck: Ein dunkler Tag für die EU, sagte Annette Riedel, unsere Korrespondentin eben aus Brüssel. Wir schauen jetzt zur CSU, genauer gesagt: zum CSU-Europaabgeordneten Markus Ferber. Der ist jetzt am Telefon, er ist stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschaft und Währung, Herr Ferber, schönen guten Morgen!
Markus Ferber: Guten Morgen, Frau von Billerbeck!
von Billerbeck: Die Briten haben sich entschieden – mit ziemlicher Sicherheit – für einen Ausstieg aus der Europäischen Union. Ist Camerons Spiel mit dem Feuer also schiefgegangen?
Ferber: Das kann man sicherlich so sagen. Es war seine souveräne Entscheidung, das hat er ja auch in der Wahlkampagne zugesagt, er hatte das schon vorher den Hinterbänklern, den antieuropäischen Hinterbänklern zugesagt, sonst wäre er gar nicht Parteivorsitzender geworden. Und das heißt, er steht jetzt vor dem Scherbenhaufen, den er sich selber aufgebaut hat und auf dem er seine eigene politische Karriere mal begonnen hat. Und insofern hat er mit dem Feuer gespielt und sich nicht nur die Finger verbrannt, sondern ein riesiges Feuer entzündet, weil es natürlich auch für die Europäische Union einige Probleme bringen wird.
Kein Vorbild für die CSU
von Billerbeck: Das klingt so ein bisschen, als setzen Sie sich sehr von ihm ab. Ich erinnere mich noch an Zeiten in Wildbad Kreuth, da passte zwischen Cameron und die CSU kein Blatt.
Ferber: Ja gut, aber das heißt ja nicht, dass man jede Spielerei eines politischen Partners auch akzeptiert. Und ich glaube nicht, dass Sie in den letzten Monaten an irgendeiner Stelle irgendjemanden in der CSU entdeckt haben, der gesagt hat, das könnte auch ein Vorbild für Deutschland sein, was Herr Cameron da tut. Und den Unterschied möchte ich schon auch machen.
von Billerbeck: Wie kann denn nun verhindert werden, dass auch in anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union die Fliehkräfte so stark werden, dass die Europäische Union weiter ausgehöhlt wird?
Ferber: Zunächst möchte ich einmal festhalten, dass die großen Europa-Euphoriker, die diesen Artikel 50 geschaffen haben so nach dem Motto, dann können die Briten nicht mehr rumnödeln, denn sie haben ja die Chance, auszutreten, natürlich auch in die eigene Falle getappt sind. Und die Möglichkeit wurde jetzt genutzt. Für mich ist klar, es muss jetzt in den Verhandlungen zum Austritt klar sein, dass es kein Rosinenpicken geben darf. Ich hatte neulich eine Veranstaltung mit Schülern in einem Austauschprogramm, Erasmusprogramm, von der EU gefördert, wo britische Schüler da waren, da sagten die Lehrer mir: Ja, sie sind für den Brexit, aber das Erasmus soll natürlich weitergehen. Ja, so kann es natürlich nicht gehen, dass man sich da ein paar Sachen raussucht und da noch gerne mitmacht und an ein paar anderen Stellen dann nichts mehr mit uns zu tun haben will. Draußen heißt draußen.
Die Frage war eindeutig, die sagte ja nicht, was soll man noch in ein paar Einzelprogrammen mitarbeiten. Und so muss auch verhandelt werden. Und wenn Herr Juncker versuchen sollte, den Briten lauter Sonderangebote zu machen, dann wird es auch Aufgabe des Parlaments sein zu sagen, nein, wer raus will, der muss ganz raus und fängt bei null wieder an und kann dann wieder neu beginnen, irgendwelche Methoden der Zusammenarbeit zu finden. Und dann wird es auch keine Nachahmer geben, denn ganz draußen ist wirklich kein Spaß.
Unterschied zu der Cameron‘schen Strategie
von Billerbeck: Aha, das klingt ja wie eine Drohung. Aber wenn man auf Ihren eig…
Ferber: Nein, das ist keine Drohung, das ist die Frage, die Beantwortung der Frage, die den Briten vorgelegt wurde. Da steht nicht drin: Wollt ihr bloß ein bisschen raus. Da steht drin: Drin oder draußen.
von Billerbeck: Wenn Sie auf Ihre eigene Partei schauen, da gibt es ja immer sehr viel Kritik an Brüssel, die hören wir gerade von der CSU ja oft genug. Und oft wird ja auf die europäische Bürokratie geschimpft, sie verantwortlich gemacht, wenn sich Mitgliedsstaaten nicht einigen können. Wie stark ist denn diese Kritik auch an der EU vielleicht mit schuld, will ich sagen, mitverantwortlich, dass da bei den Briten so eine Entscheidung gefallen ist, dass man eben sagt: Damit wollen wir bitte schön nichts mehr zu tun haben, wir wollen wieder für uns bleiben?
Ferber: Ja, jetzt müssen wir schon ein bisschen vorsichtig sein, wenn wir in Bayern mal was kritisieren … Wir haben das letzte halbe, Dreivierteljahr …
von Billerbeck: Mal ist gut!
Ferber: Die Berliner Politik böte viel dort, keiner würde jetzt uns unterstellen, dass wir den Austritt aus der Bundesrepublik Deutschland fordern. Und insofern geht es uns ja nicht darum, einfach Europa den Rücken zu kehren, wie das die Briten gemacht haben, sondern das Europa so auszugestalten, dass es die Akzeptanz bei den Menschen findet. Und das ist ein ganz großer Unterschied zu der Cameron‘schen Strategie, der immer an Europa herumgenölt hat und jetzt auch sagt, die Frage vorgelegt hat und jetzt auch die Antwort bekommen hat. Ich halte es schon für einen großen Unterschied.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.