In der aktuellen Ausstellung Kaiserdämmerung sind die Briefe im Potsdamer Neuen Palais bis November 2018 zu sehen. Weitere Informationen auch im BLOG der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten
100 Jahre versteckt im Geheimtresor
Rund 1000 Briefe an die letzte deutsche Kaiserin wurden vor wenigen Wochen im Potsdamer Neuen Palais entdeckt. Nun werden sie erstmals gezeigt. Ein aufsehenerregender Fund - auch wenn Preußens Geschichte dadurch nicht neu geschrieben wird.
Gefunden wurden die Briefe im Juni, als die Ausstellung "Kaiserdämmerung. Das Neue Palais zwischen Monarchie und Republik 1918" vorbereitet wurde. Doch Samuel Wittwer, Direktor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, ist immer noch ganz aus dem Häuschen. Warum blieben die Briefe so lange unentdeckt? Am Neuen Palais sei viel herumgebaut worden, erklärt Wittwer.
"Das bringt natürlich mit sich, dass es hier ganz viele Winkel und Ecken gibt, wo man nicht unbedingt so vorbeikommt und auch nicht jeden Tag hineinschaut."
Verborgener Tresor mit sensationellem Inhalt
Noch nie hatte jemand in den geheimen Wandschrank im Ankleidezimmer der Kaiserin geschaut. Dort verbarg sich ein Tresor, mit einer Stahltür. Samuel Wittwer, Direktor der Abteilung Schlösser und Sammlungen, macht es spannend:
"Ich bin jetzt 19 Jahre hier bei der Stiftung. Ich bin ein sehr neugieriger Mensch. Ich hab auch einen Schlüssel, der überall passt – und ich muss sagen, dass ich diesen Tresor erst Ende des letzten Jahres zum ersten Mal überhaupt gesehen habe. Und natürlich hatten wir sofort glänzende Augen und dachten an Juwelen und Geschmeide und Perlen und was wir alles noch brauchen zur Finanzierung der Ausstellung und wollten diesen Tresor öffnen."
Gebündelte Briefe in Holzkisten
Das klappte nicht, vier Fachfirmen scheiterten, per Endoskop-Kamera fand man heraus, dass er sowieso leer ist. Doch daneben, die Geheimtür, die man bei den Öffnungsversuchen entdeckte, war aus Holz und ließ sich öffnen.
"Das Nächste war ein Telefonat zum Kastellan: ‚Da ist was drin! Und zwar Kisten, eine Schatulle, eine Mappe!‘. Der Kastellan ist sofort hoch, hat geschaut und hat dann sofort uns informiert und das war natürlich eine wahnsinnige Sensation. Wir sind sofort hergefahren, haben den Schatz geborgen, angeschaut. Es sind, Sie werden es gleich sehen, zwei Holzkisten. In diesen Holzkisten sind Umschläge. In jedem Umschlag ist ein ganzes Bündel Briefe."
In einer Vitrine ruhen sie nun: Die beiden Transportkisten, die Päckchen mit der Korrespondenz, in weißes Papier eingeschlagen, verschnürt und versiegelt. Eine der Kisten war ein bisschen kaputt, die haben die Wissenschaftler geöffnet. Die andere nicht, laut eigenhändiger Beschriftung der Kaiserin voll mit Korrespondenz über ihre Kinder.
"Sie wollte nicht, dass irgendjemand das lesen kann. Es sind ihre privaten Briefe. Die kamen in diese Kisten, wann genau wissen wir nicht. Die Briefe sind zwischen 1883 und 86 datiert, in den anderen Mappen gibt es dann auch noch spätere Briefe bis 89. Es sind Schreibfedern drin, es ist getrockneter Lorbeer drin, es sind Fotografien, ein paar wenige, drin von den Kindern, also eine aufregende Sache."
Sichtung mit Pietät
Die schätzungsweise 1.000 Schriftstücke sind übergegangen in den Besitz der Stiftung. Die Familie Hohenzollern ist informiert und eingeladen, an der Sichtung teilzuhaben, hat aber bislang noch nicht reagiert, wie die Stiftung mitteilte. Zunächst sollen die Briefe in einer Vitrine der Ausstellung bleiben, ungeöffnet. Nach dem Ende der Schau im November, 100 Jahre nachdem die preußische Monarchie mit der Abdankung Kaiser Wilhelms II. endete, werden sie gesichtet.
"Da ist auch, muss ich ganz ehrlich sagen, so ein bisschen Pietät dabei, so ein Siegel, so einen Umschlag einfach so aufzumachen, der vor 130 Jahren verschlossen wurde und seit 100 Jahren niemand mehr wusste, wo der war, das ist schon so ein Ding. Natürlich, trotzdem: Wissenschaft geht vor. Wir werden sie aufarbeiten, und es gibt schon eine erste kleine Idee, denn 2021 jährt sich der Todestag von Auguste Victoria zum 100. Mal. Und wir könnten uns auch vorstellen, da, je nachdem, was jetzt an Gehalt da drin ist, auch eine Briefe-Edition zu machen."
Sehr privat, wenig politisch
Auch die Truppen der Roten Armee, die 1945 das Neue Palais durchsuchten, haben die Kisten im Wandschrank nicht entdeckt. Doch wie brisant mag der Inhalt sein? Die Absender sind in der Regel Familienmitglieder, Auguste Victoria engagierte sich für karitative Projekte und den evangelischen Kirchenbau. Die Geschichte Preußens wird also wegen dieses Fundes nicht neu geschrieben werden müssen, meint Kurator Jörg Kirschstein. Einer der bereits studierten Briefe sei beispielsweise von Irene von Preußen.
"Sie war mit Prinz Heinrich verheiratet, dem Bruder Wilhelm II., lebte in Eckernförde und Kiel. Und sie schrieb an die Kaiserin ganz privat, da ging es um Strickmuster, um Handarbeiten. Sie hat also dort auch Skizzen gemacht mit Feder, wie die Maschen aufzunehmen sind und so weiter. Also wirklich so ganz private Dinge, die jetzt nicht von großer Tragweite sind."
Politische Inhalte finden sich eventuell in dem Bündel Briefe der Königin von England: Durch ihre Großmutter mütterlicherseits war Auguste eine Großnichte von Queen Victoria. Spannender noch wären die Briefe ihres Mannes, des Kaisers, aus der Zeit des Ersten Weltkrieges und der Revolution. Doch die hat Auguste Victoria vor der Flucht ins Exil im Schlosshof verbrannt.
(mle)