Briefe einer vorübergehenden Freundschaft
"Mach den Mund auf und sags der Maschine", ermahnt Uwe Johnson den schreibfaulen Hans Magnus Enzensberger, den er in seinen Briefen Mang nennt. Beide waren zu dieser Zeit bereits zum "Du" übergegangen. Johnson und Enzensberger hatten sich 1959 – nach Johnsons Weggang aus der DDR – auf der Tagung der Gruppe 47 in Elmau das erste Mal getroffen.
Ihren Briefwechsel eröffnet Johnson am 23. Dezember 1959 mit einer Bitte. Er meldet Interesse an der von Enzensberger verfassten Analyse "Die Sprache des ‚Spiegel‘" an und er hätte gern eine Antwort auf die Frage, wer denn die "Genossen" sind, mit denen Enzensbergers Name in der Öffentlichkeit in Verbindung gebracht wird. Der Befragte antwortet eine Woche später: "wer meine genossen sind, wüsste ich selber gern, wäre ja nicht schlecht welche zu haben. vielleicht sind nur meine freunde gemeint." Wenig später wird Uwe Johnson zu Enzensbergers vertrautesten Freunden gehören.
Zerbrechen wird die Freundschaft im Sommer 1967 an unterschiedlichen Auffassungen darüber, was eine Freundschaft ist. Grund für das Zerwürfnis war aus Johnsons Sicht Enzensbergers mangelndes Engagement in zwei Wohnungsangelegenheiten. Der in New York lebende Johnson hatte zunächst Enzensbergers Bruder Ulrich seine Wohnung in der Niedstraße vermietet und später Enzensbergers Frau Dagrun die Nutzung seiner Wohnung in der Stierstraße erlaubt.
Doch Dagrun und Ulrich wohnten nicht nur, sondern sie trafen sich dort auch mit den Mitgliedern der "Kommune 1", von denen schließlich einige in Johnsons Wohnung in der Niedstraße verhaftet werden. In fast allen Pressemitteilungen wird Johnsons Name in diesem Zusammenhang erwähnt, der sich hintergangen fühlt. Doch bereits zuvor war der Briefwechsel in eine "Sackgasse" geraten. Johnson wirft Enzensberger vor, er würde die Arbeiter nicht kennen, die er in seiner Rede "Notstand der Demokratie" zum Generalstreik aufruft. So kommt eins zum Anderen. Schließlich bleibt nichts mehr von der einstigen Hoffnung, "dass die Gesamtausgabe unseres Briefwechsels auf mindestens zwei Baende angelegt ist, und zwar in Duenndruck".
Gegen Ende wird der Briefwechsel vom Misslingen dieses Vorhabens überschattet. An seinem Beginn steht die Gründung einer internationalen Zeitschrift, in die beide involviert waren. Dazwischen finden sich kleine Prosaminiaturen, die wie versteckte Schätze zu entdecken bleiben. So, wenn Enzensberger beschreibt, wie er die New Yorker Klimaanlagen, die an den Häuserfassaden zu sehen sind, aufgrund seiner Kurzsichtigkeit für Vogelkäfige hält oder wenn Johnson beschreibt, was es mit der Farbe Gelb auf sich hat, die das New Yorker Stadtbild dominiert, um dann en passant – geschrieben während des Vietnamkrieges – dem Ganzen eine politische Wende zu geben.
Der Nachwelt, von der beide wussten, dass sie an ihrem Briefwechsel mitschreibt, vermitteln diese beiden Autoren einen Einblick, was ihnen diese Freudschaft bedeutete, welchen Stellenwert sie dem Medium Brief beimaßen und welche Positionen sie in den politischen Auseinandersetzungen der 60er-Jahre einnahmen. Das ist viel und mehr kann man von einem noch dazu verlässlich kommentierten, sehr lesenswerten Buch nicht erwarten!
Besprochen von Michael Opitz
Hans Magnus Enzensberger, Uwe Johnson: "fuer Zwecke der brutalen Verstaendigung", Der Briefwechsel
Herausgegeben von Henning Marmulla und Claus Kröger
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2009
343 Seiten, 26,80 Euro
Zerbrechen wird die Freundschaft im Sommer 1967 an unterschiedlichen Auffassungen darüber, was eine Freundschaft ist. Grund für das Zerwürfnis war aus Johnsons Sicht Enzensbergers mangelndes Engagement in zwei Wohnungsangelegenheiten. Der in New York lebende Johnson hatte zunächst Enzensbergers Bruder Ulrich seine Wohnung in der Niedstraße vermietet und später Enzensbergers Frau Dagrun die Nutzung seiner Wohnung in der Stierstraße erlaubt.
Doch Dagrun und Ulrich wohnten nicht nur, sondern sie trafen sich dort auch mit den Mitgliedern der "Kommune 1", von denen schließlich einige in Johnsons Wohnung in der Niedstraße verhaftet werden. In fast allen Pressemitteilungen wird Johnsons Name in diesem Zusammenhang erwähnt, der sich hintergangen fühlt. Doch bereits zuvor war der Briefwechsel in eine "Sackgasse" geraten. Johnson wirft Enzensberger vor, er würde die Arbeiter nicht kennen, die er in seiner Rede "Notstand der Demokratie" zum Generalstreik aufruft. So kommt eins zum Anderen. Schließlich bleibt nichts mehr von der einstigen Hoffnung, "dass die Gesamtausgabe unseres Briefwechsels auf mindestens zwei Baende angelegt ist, und zwar in Duenndruck".
Gegen Ende wird der Briefwechsel vom Misslingen dieses Vorhabens überschattet. An seinem Beginn steht die Gründung einer internationalen Zeitschrift, in die beide involviert waren. Dazwischen finden sich kleine Prosaminiaturen, die wie versteckte Schätze zu entdecken bleiben. So, wenn Enzensberger beschreibt, wie er die New Yorker Klimaanlagen, die an den Häuserfassaden zu sehen sind, aufgrund seiner Kurzsichtigkeit für Vogelkäfige hält oder wenn Johnson beschreibt, was es mit der Farbe Gelb auf sich hat, die das New Yorker Stadtbild dominiert, um dann en passant – geschrieben während des Vietnamkrieges – dem Ganzen eine politische Wende zu geben.
Der Nachwelt, von der beide wussten, dass sie an ihrem Briefwechsel mitschreibt, vermitteln diese beiden Autoren einen Einblick, was ihnen diese Freudschaft bedeutete, welchen Stellenwert sie dem Medium Brief beimaßen und welche Positionen sie in den politischen Auseinandersetzungen der 60er-Jahre einnahmen. Das ist viel und mehr kann man von einem noch dazu verlässlich kommentierten, sehr lesenswerten Buch nicht erwarten!
Besprochen von Michael Opitz
Hans Magnus Enzensberger, Uwe Johnson: "fuer Zwecke der brutalen Verstaendigung", Der Briefwechsel
Herausgegeben von Henning Marmulla und Claus Kröger
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2009
343 Seiten, 26,80 Euro