Was Briefe auch heute noch so besonders macht
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Die große Zeit des Briefes begann mit dem Aufstieg der bürgerlichen Kultur. Gerade Frauen fanden über sie den Weg zu literarischer Produktion, sagt die Germanistin Jana Kittelmann - und E-Mail und Chats machten Briefe längst nicht überflüssig.
Vielleicht einfach mal wieder einen Brief schreiben - ganz altmodisch und mit der Hand. Im erzwungenen Stillstand der Coronakrise hätte der eine oder die andere ja vielleicht die Zeit dazu.
Ein Brief hat auf jeden Fall eine andere Qualität als eine E-Mail oder ein Telefonat, sagt die Germanistin Jana Kittelmann. "Mails und Telefon überbrücken natürlich auch Distanzen, stellen Kontakte und Dialoge her, aber nicht in so einer materiellen Form, wie es der Brief kann." Denn der ist oft handschriftlich verfasst und damit "eine Art körperliches Zeichen".
Was inhaltlich einen gelungenen Brief ausmache, habe Theodor Fontane, "einer der begnadetsten Briefschreiber", beschrieben. "Er hat mal gesagt: Der Brief soll Abdruck einer Stimmung sein", erklärt Jana Kittelmann. Es gehe also darum, Stimmungen und Momente einzufangen und "dabei aber nicht zu künstlerisch oder zu künstlich zu wirken, sondern natürlich zu sein."
Gefühlskultur im 18. Jahrhundert bringt den Brief voran
Briefe sind zudem eine sehr alte Form der Kommunikation. Es gibt sie, seit eine Schriftkultur existiert, erklärt Jana Kittelmann, die an der Universität Halle-Wittenberg zur Briefliteratur forscht.
Die große Zeit des Briefes beginne allerdings erst Mitte des 18. Jahrhunderts: "Immer mehr Menschen können lesen, haben Zugang zu Literatur, das Bürgertum wird stärker, steigt auf, sucht auch Formen der Kommunikation." Da werde der Brief dann ganz wichtig, betont die Germanistin. "Das geht auch damit einher, dass es eine neue Gefühlskultur gibt und der Brief eben auch ein Medium ist, in dem man dann die eigenen Gefühle sehr stark darstellen kann."
Tausende Briefe als literarisches Werk
Gerade Frauen eröffnete die Briefkultur neue Möglichkeiten. "Es gibt große Briefschreiberinnen, was auch damit zu tun hat, dass Frauen eben lange Zeit nicht den Zugang zu Literatur haben, auch zu Literaturproduktion", sagt Kittelmann.
Ein Beispiel dafür sei die Schriftstellerin Rahel Varnhagen (1771 - 1833): "Eine jüdische Autorin, die eigentlich ja gar kein Werk hinterlassen hat, sondern nur ihre Briefe. Oder was heißt nur?" Es seien Tausende, betont die Germanistin.
(uko)