Gilad Atzmons neues Album "Whistleblower"
Der britisch-israelische Saxofonist Gilad Atzmon ist ein streitbarer Musiker und mit Vorliebe politisch unkorrekt. So geht es im Titelsong seines neuen Albums "Whistleblower" nicht um Snowden & Co., sondern einfach darum, Frauen hinterherzupfeifen.
Gilad Atzmon: "Wir sind von whistleblowern, Enthüllern umgeben. Was sind das für Leute? Menschen, die das Risiko eingehen, die Wahrheit zu erzählen, zu sagen, was sie denken. Ich habe vor Snowden oder Assange Respekt, aber ich möchte auch aus purer Freude laut aufjuchzen, wenn ich eine gut aussehende Frau sehe (pfeift), und das ist die wahre Bedeutung dieses Albumtitels Whistleblower: politische Korrektheit schließt ganz offenkundig unsere Fähigkeit aus zu pfeifen, und zu sagen, was wir denken anstatt darüber nachzudenken, was wir sagen dürfen."
Der 51-jährige Saxophonist Gilad Atzmon ist zwar etwas ruhiger geworden, aber er provoziert weiterhin gerne, gibt den politisch Inkorrekten, den Rebellen. So widmet er auf dem neuen Album "Whistleblower" gleich sein erstes Stück "Gaza mon Amour" den Palästinensern und der Hamas - wohl wissend, dass man ihm das nicht nur in Israel übelnimmt.
"Ich bin ein reaktionärer Romantiker"
Ansonsten allerdings gibt er sich erheblich zahmer. Zwar mag Feministinnen empören, dass er mit seinen Liedern hübschen Mädchen hinterher pfeifen möchte, aber das ist von ihm, immerhin langjähriger Familienvater mit zwei Kindern, wohl eher als Verbeugung vor der Schönheit gedacht. Und die liegt ihm auch in der Musik sehr am Herzen. So ist seine Musik alles andere als rebellisch oder provokativ. Das gilt auch für sein jüngstes Album.
"Ich bin dem Wesen nach ein reaktionärer Romantiker. Ich befasse mich gerne mit Dingen, die zum Wesentlichen kommen. Wenn ich über jüdische Politik oder jüdische Identität schreibe, dann muss ich dazu bis zum jüdischen Wesen vordringen. Wenn ich Saxophon spiele, dann möchte ich bis zum Wesen der Schönheit vordringen. Ob ich das erreiche, das müssen andere beurteilen. Statt der römischen Kirche gehöre ich eben der romantischen Kirche an. Wo auch immer ich hinkomme, sagen die Leute: Mensch, dieses Album ist so romantisch. Genauso ist es. Es ist sehr, sehr romantisch. Es schürft nach dem Wesen und der Tiefe von Schönheit. Darum geht es."
Und genau deswegen heißt ein Song denn auch "The Romantic Church" – die romantische Kirche.
Ein bisschen Weill, ein bisschen Rota und viel Jazz
Die acht Stücke der neuen CD feiern auf ihre ganz eigene Art und Weise die Schönheit in der Musik und in der Wirklichkeit, denn - typisch Gilad Atzmon - auch hier liebt er es gewissermaßen anzuecken. So ist ein Titel Moana gewidmet, einer mit 33 Jahren früh verstorbenen italienischen Schauspielerin, die als Pornostar Furore machte, während sie gleichzeitig Affären mit prominenten Politikern hatte und in Fernsehshows auftrat. Während einer Italientour erzählte ihm sein italienischer Schlagzeuger von der schönen Moana und zeigte ihm ein Foto von ihr:
"Wow, ich wollte pfeifen - und deswegen bin ich der Whistleblower. In diesem Song gibt es einen starken Bezug zu Kurt Weill und ein bisschen was von Nino Rota und noch ein klein bisschen von Piazzolla. Das ist bei mir immer so. Ich liebe diese Musik der Komponisten aus dem 20. Jahrhundert. Und darüber hinaus haben mich die großen Jazzmusiker inspiriert wie Paul Desmond, Charlie Parker, John Coltrane, Miles Davis, Oskar Petersen, McCoy Tyner. Und diese Kombination ist der Klang von Gilad Atzmon."
Jedes Jahr ein neues Album
Gilad Atzmon mischt zudem gerne Weltmusikelemente, insbesondere Melodien der Volksmusik aus dem Nahen Osten, aus Israel ebenso wie aus Palästina, mit Jazzelementen. Obwohl er Saxofonist ist, komponiert er seine Stücke am liebsten am Klavier oder auch mal auf der Gitarre. An Ideen scheint es ihm nicht zu fehlen, nimmt er doch mit ziemlicher Regelmäßigkeit jedes Jahr ein neues Album auf. Inzwischen ist es das elfte mit seinem langjährigen "Orient House Ensemble".
Auch wenn er als Komponist aller Titel angegeben wird, so haben seine drei Mitspieler, der israelische Kontrabassist Yaron Stavi, der britische Schlagzeuger Chris Higginbottom und der britische Pianist Frank Harrison doch ein gewichtiges Wörtchen bei der endgültigen Fassung der Stücke mitzureden. Nur wenn ihm etwas partout nicht passt, legt er sein Veto ein, denn er schätzt die Fähigkeiten seines Ensembles außerordentlich.