Britische Perspektive

Klare Grenzen für Russland

Der britische Premierminister David Cameron mit Helfern vor dem NATO-Gipfel in Newport, Wales
Großbritannien war vor Kurzem Gastgeber des NATO-Gipfels © dpa / picture alliance / Ben Gurr
Von Gisela Stuart |
Europa sollte sich, was Energie und Exporte angeht, von Russland unabhängig machen - das fordert die britische Politikerin Gisela Stuart. Sie beschreibt, wie sie gegen Wladimir Putin vorgehen würde und was sie von einem EU-Beitritt der Ukraine hält.
Wie soll die EU mit Russland umgehen? Von der Insel aus gesehen, liegt der Anfang der Antwort schon in der Fragestellung. Für die Briten ist die Europäische Union nicht die erste Institution, an die sie denken, wenn es um außenpolitische Fragen geht.
Die EU operiert eher auf der wirtschaftlichen Ebene, auf der militärischen ist dagegen das NATO-Bündnis angesprochen. Und in beiden Fällen stellt sich zusätzlich die Frage, ob Europa mit oder ohne die Amerikaner handelt.
Russland war schon immer ein schwieriger Partner. Seit dem Zerfall der Sowjetunion hat man sich angenähert. Die Gruppe der sieben großen Industrienationen wurde auf G8 erweitert. Obwohl uns einiges an der russischen Innenpolitik nicht gefiel, nicht was sich beispielsweise mit den Oligarchen und den Menschenrechten abspielte, glaubten wir doch, dass der Kalte Krieg vorbei wäre.
Staunen, als Rasmussen vor russischer Aggression warnte
Auf der Münchener Sicherheitskonferenz im Februar war mancher erstaunt, als NATO-Generalsekretär Anders Rasmussen vor russischer Aggression warnte. Solch ein Gerede wie aus alten Zeiten sei doch nicht mehr angebracht, sagten die einen. Die anderen unterstellten ihm, dass er nur die Nordatlantische Allianz und seine eigene Amtszeit hochreden wollte. Ein paar Monate später, nach der russischen Krim-Annexion und dem Eingriff in der Ost-Ukraine, änderte sich die Stimmung merklich.
Man muss an die Grundregeln erinnern. Wir verteidigen die Integrität von Grenzen und das Selbstbestimmungsrecht von Ländern. Das Konzept von Machtbereichen und Einflusssphären lehnen wir ab. Jedoch hörte man Stimmen im Britischen Unterhaus, dass Russland einen historischen Anspruch auf die Krim hätte. Wer dem zustimmt, der billigt einem großen Land auch das Recht zu, unilateral, also im Alleingang, internationale Grenzen neu zu ziehen. Das darf nicht sein.
Wir müssen Länder wie die Ukraine unterstützen
Aber was jetzt? Wladimir Putin darf unter keinem Zweifel stehen, dass die NATO sowohl politisch bereit, als auch militärisch fähig ist, auf einen Angriff gegen einen Mitgliedsstaat der Allianz kollektiv zu reagieren. Artikel 5 des Bündnisvertrages macht das klar. Und unter einem Angriff sind auch Cyberattacken oder Aktionen im Namen von Drittparteien zu verstehen.
Wir müssen Länder wie die Ukraine unterstützen, damit sie regierungsfähig werden, wirtschaftlich erfolgreich sind und sich verteidigen können. Das ist leicht gesagt – aber politisch schwer umzusetzen. Eine Art von Marshall-Plan könnte besser sein als ein Assoziierungsabkommen. Die Ukraine wird in vorhersehbarer Zukunft weder der EU noch der NATO als volles Mitglied beitreten. Wir sollten aufhören, so zu tun, als ob dies möglich wäre.
Europa und die USA haben mit Russland gemeinsame Interessen
Außerdem: wirtschaftliche Sanktionen haben Konsequenzen und diese müssen unsere Wähler verstehen und akzeptieren. Ob es um Energie oder Exporte geht – generell sollte sich Europa weniger von Russland abhängig machen.
Und vergessen wir nicht, Europa und die USA haben mit Russland gemeinsame Interessen. Gewalttätige islamische Fundamentalisten beispielsweise stellen eine Gefahr dar, die uns allen droht. Ideologische Kriege kennen keine Nationalgrenzen, wie uns die Kämpfer für einen islamischen Staat im Irak und in Syrien erst kürzlich wieder gelehrt haben.
Zusammenarbeit zu ermöglichen, sowohl mit der NATO wie mit der EU, dabei klare Grenzen aufzuzeigen und zugleich Verständnis zu haben, dass Länder misstrauisch nach Moskau schauen, die unter dem Einfluss der Sowjetunion gelitten haben, das ist die beste Art und Weise, mit Russland umzugehen.
Gisela Stuart, geboren in Niederbayern, studierte in England Ökonomie und Rechtswissenschaften. Seit 1997 ist sie Abgeordnete der Labour Party für den Wahlbezirk Birmingham/Edgbaston.
Sie war Gesundheitsministerin (1999-2001) unter Tony Blair und Vertreterin des Unterhauses im Europäischen Verfassungskonvent. Sie saß im außenpolitischen Ausschuss (2001-2010) und
ist nunmehr Mitglied im Verteidigungsausschuss des britischen Parlaments. Außerdem gibt sie das politische Wochenmagazin "The House" heraus.
Die britische Labour-Abgeordnete Gisela Stuart
Die britische Labour-Abgeordnete Gisela Stuart ist Mitglied im Verteidigungsausschuss des Unterhauses in London und sie gibt das politische Wochenmagazin "The House" heraus.© Huw Meredith
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