Hello, Goodbye in Westminster

An diesem Montag konstituiert sich in London das neu gewählte Parlament. Viele prominente Gesichter werden fehlen. Denn das britische Mehrheitswahlrecht kennt für die Verlierer keine Hintertüren.
Im renovierungsbedürftigen Palast von Westminister werden eine Menge neuer Parlamentarier erwartet, etwa Stephen Kinnock, Ehemann der dänischen Regierungschefin Helle Thorning-Schmidt und Sohn des früheren Labour-Chefs Neil Kinnock. Doch viele vertraute Gestalten fehlen: Im gnadenlosen britischen Mehrheitswahlrecht gibt für Verlierer keine Hintertür in Gestalt einer Parteiliste, die den Sitz im Parlament doch noch garantiert. Liberale Abgeordnete, darunter Ex-Minister müssen sich ebenso nach einem neuen Job umschauen wie Labour-Leute, die im Fall eines Wahlsiegs Finanzminister oder, wie der Schotte Douglas Alexander, Außenminister geworden wären.
Doch der Wahlkreis des erfahrenen 47-jährigen Alexander wurde von einer 20 Jahre jungen Studentin names Mhairi Black erobert, die für die Schottische Nationalpartei antrat. Sie ist das jüngste Mitglied des Unterhauses seit dem Jahr 1667. Dessen Durchschnittsalter liegt bei 51. Die Zahl der weiblichen Abgeordneten stieg von 148 auf 187, was einem Anteil von 29 Prozent entspricht. Das ist Rekord in der langen Geschichte der "Mutter aller Parlamente", auch wenn der nicht heranreicht an den Frauenanteil in den Volksvertretungen Deutschlands, Italiens, Spaniens oder Skandinaviens.
Die Bevölkerung wird besser repräsentiert als zuvor
Das neu gewählte Unterhaus dürfte noch EU-skeptischer sein als das letzte. Die konservative Partei stellte meist nur jene neuen Kandidaten auf, die sich als EU-kritisch geoutet hatten wie Craig Macinlay, der für den Austritt stimmen würde, solange es keine Reformen gibt. Macinlay war Gründungsmitglied der rechtspopulistischen UKIP, wechselte zu den Tories und verbaute am 7. Mai dem UKIP-Anführer Nigel Farage den Einzug ins Unterhaus.
Insgesamt repräsentieren die Abgeordneten wohl ein wenig besser die Bevölkerung als vorher: Fast die Hälfte der Parlamentarier ist auf eine Gesamtschule und nicht auf eine Privatschule gegangen. Die ethnischen Minderheiten sind stärker vertreten, ihre Abgeordnetenzahl stieg von 27 auf 41. Und in keinem anderen Parlament bekennen sich so viele Politiker offen zu ihrer Homosexualität wie im britischen Unterhaus: 32 Abgeordnete entsprechen einem Anteil von 4,9 Prozent; im Volk sind schätzungsweise 5 bis 7 Prozent im Volk sind schwul oder lesbisch.
Die Parlamentarier werden am Montag versuchen, einen Sitz auf den grün gepolsterten engen Bankreihen zu ergattern, was schwierig ist, da das Unterhaus nicht genügend Platz bietet für alle 650. Eine mittelalterliche Schwertlänge voneinander entfernt versammeln sich die regierenden Tories rechts und die Oppositionsparteien links vom Sessel des Parlamentspräsidenten. Darauf wird zunächst der Alterspräsident Platz nehmen - bis zur Wahl des so genannten Speakers.
In zehn Tagen verliest die Queen die Regierungserklärung
Der Konservative John Bercow, Speaker seit 2009, will erneut kandidieren und das könnte noch spannend werden. Denn Bercow ist desöfteren mit seinen Tory-Parteifreunden aneinandergeraten, auch mit dem Premierminister. Bercow ist den Tories zu wenig parteiisch und ihre Rache erfolgte noch kurz vor der Wahl im März. Sie wollten neue Regeln durchsetzen, die Bercows Abwahl erleichtern würden. Was aber mit den Stimmen und unter dem Jubel der Labour-Opposition mit 200 zu 228 Stimmen abgelehnt wurde. Bercow kämpfte zunächst mit den Tränen, um dann einen triumphierenden Blick nach rechts zu schicken: in Richtung seiner Parteifreunde.
Sollte John Bercow diesen Montag politisch überleben, wird er die Abgeordneten später vereidigen. In zehn Tagen erfolgt dann die feierliche offizielle Parlamentseröffnung mit der Regierungserklärung, verlesen durch die Queen.