„Alle diese Objekte sind hier Geiseln der britischen Identitäts- und Innenpolitik – und dieses Kampfes zwischen einer liberalen, aufgeklärten Kunst und Kulturszene und dem aggressiven Neonationalismus in der Regierung.“
Benin-Bronzen aus Nigeria
Die Benin-Bronzen aus dem 16. und 17. Jahrhundert wurden 1897 in kolonialen Kriegen geraubt und später nach Großbritannien gebracht. © imago images / UIG
Raubkunst als "nationales Erbe" der Briten?
07:42 Minuten
Das British Museum in London will sich trotz Aufforderung aus Nigeria nicht von seinen mehreren hundert Benin-Bronzen trennen. Vorgeschobenes Argument: ein Gesetz, das die Rückgabe angeblich verhindert.
Anders als in Deutschland, Frankreich und den USA ist die Rückgabe von Benin-Bronzen aus kolonialer Raubkunst in Großbritannien noch keine beschlossene Sache. Dies liege an der konservativen Regierung, die das Empire positiv besetzen wolle, sagt der Journalist Robert Rotifer. Auch das British Museum mit seinen bedeutenden Ausstellungsstücken sei für das Selbstverständnis der Briten wichtig.
Streit um "Nationales Erbe"
Bei der Verweigerung, Benin-Bronzen aus dem British Museum an Nigeria zu restituieren, verwiesen Rückgabe-Gegner auf ein nationales Gesetz als Hinderungsgrund, den National Heritage Act. Dieser verbiete nationalen Museen in Großbritannien, ihren Bestand herzugeben, weil er nationales Erbe sei.
Eine absurde Argumentation, findet Journalist Robert Rotifer: "Wenn überhaupt, sind die Benin-Bronzen, die 1897 bei der Eroberung und Vernichtung von Benin City von den britischen Kolonialtruppen geplündert wurden, natürlich das nationale Erbe Nigerias und nicht das von Großbritannien.“
Überkommene Idee der kolonialen Größe
Noch immer hänge man dem Bild Großbritanniens als koloniale Großmacht nach, der Streit sei Ergebnis der „nie bewältigten britischen Kolonialvergangenheit“. Obwohl das Land fast alle seine Kolonien in die Unabhängigkeit habe entlassen müssen – darunter auch das heutige Nigeria – werde das materielle Erbe dieses Empire vor allem von der konservativen Regierung immer noch als nationales Eigentum Großbritanniens betrachtet.
Entscheidungsautorität zu den Benin-Bronzen habe das Kuratorium des British Museum, doch auch dort habe ein Politiker, der ehemalige konservative Schatzkanzler George Osborne als Vorsitzender, das Sagen.
Abschied vom Empire ist Realität
Mit der Verweigerung der Rückgabe bäumten sich die Verantwortlichen in Großbritannien „ein letztes Mal gegen die Realität des Verlustes des Empires auf“, sagt Rotifer.
Kritische Stimmen zur Rückgabeverweigerung gebe es von Wissenschaftlern und Verantwortlichen nichtstaatlicher Museen. Beispielsweise hätten die Universitätsmuseen von Oxford und Cambridge und das Horniman-Museum in London die Rückgabe ihrer Benin-Bronzen bereits im Sommer beschlossen.
Rückgabediskussion ist längst weiter
Nicht nur Nigeria wolle kulturelle Artefakte zurückhaben. Auch Griechenland beanspruche schon lange die Rückgabe der sogenannten „Elgin Marbles“, Marmorskulpturen und -fragmente aus der Athener Akropolis, so Rotifer.
Die Herkunftsstaaten äußerten sich dabei schon längst nicht mehr zurückhaltend mit ihren Forderungen. Wie etwa der nigerianische Kulturminister Lai Mohammed mit seiner Feststellung bei einer Rückgabezeremonie in den USA: „Für das British Museum ist es nicht mehr eine Frage, ob man die Bronzen zurückgibt, sondern wann.“