Nach US-amerikanischem Recht scheint es sich im Fall von Britney Spears um eine Mischform aus "Guardianship" und "Conservatorship"zu handeln.
US-Recht – Guardianship und Conservatorship
Während es sich bei Guardianship vor allem um die Regelung des täglichen Lebens einer Person handelt, bezieht sich Conservatorship auf die finanziellen Angelegenheiten. Mancherorts wird in den USA auch der Begriff Conservatorship für beides verwendet. In beiden Fällen wird der zuständige Vormund oder Beschützer durch einen Richter ernannt, um die Angelegenheiten und/oder das tägliche Leben einer anderen Person aufgrund von Alter, körperlichen oder geistigen Einschränkungen zu verwalten. Eine Person unter "Conservatorship" ist ein "Conservatee" – ein Begriff, der sich meist auf einen Erwachsenen bezieht. Eine Person unter "Guardianship" wiederum ist ein "Mündel", ein Begriff, der sich auch auf ein minderjähriges Kind beziehen kann. Quellen: exertlaw.com und internationales-betreuungsrecht.de
13 Jahre unfrei
04:53 Minuten
Die Sängerin Britney Spears lebt seit vielen Jahren unter der Vormundschaft ihres Vaters. Nun hat sie in einer Anhörung vor Gericht das Ende der Betreuung gefordert. Viele Fans und Musikerinnen und Musiker unterstützen ihr Anliegen.
"Ich bin traumatisiert", sagte Popstar Britney Spears in einer Gerichtsanhörung, wie US-Medien berichten. "Ich bin nicht glücklich, ich kann nicht schlafen. Ich bin so wütend, das ist verrückt. Und ich bin deprimiert."
Ihren Zustand sieht die Sängerin vor allem in der Vormundschaft begründet, die ihr Vater seit 13 Jahren ausübt. Britney Spears will das schon lange nicht mehr.
Es sei Missbrauch, erklärte die 39-Jährige in der Anhörung in Los Angeles. An dem Termin nahmen unter anderem auch Spears' geschiedene Eltern, Jamie und Lynne Spears, ihr Anwalt Sam Ingham und die vom Gericht bestellte Betreuerin, Jodi Montgomery, teil. Nachdem die Sängerin wegen beruflicher und privater Probleme psychisch zusammengebrochen war, hatte ein Gericht 2008 entschieden, ihrem Vater die Vormundschaft zu übertragen.
Totale Kontrolle
Seitdem verwaltet James Spears unter anderem das Vermögen seiner Tochter. Für ihre persönlichen Belange wurde 2019 Montgomery als Vormund eingesetzt. 2020 kam dann noch ein Finanztreuhänder hinzu.
Die Kontrolle erstreckt sich bis in fast jeden Winkel von Britney Spears Privatleben: ob sie heiraten oder Auto fahren darf, wen sie regelmäßig treffen und wann sie das Haus verlassen darf.
"Für eine Künstlerin, die jetzt fast 40 ist, ist das natürlich schon ein Hammer", sagt
die Soziologin und Bloggerin Nadia Shehadeh [AUDIO].
Sie verweist darauf, dass es etliche andere Stars von Spears' Kaliber gebe wie etwa Kanye West oder Demi Lovato, "die auch öffentlich mit Mental Health-Episoden zu tun haben, aber nie so einer massiven Kontrolle durch eine Vormundschaft ausgesetzt wurden".
Erinnerung an das Schicksal von Amy Winehouse
Shehadeh sieht Spears auch als Opfer von Sexismus und der Zeit vor zehn, 15 Jahren, als junge Stars, vor allem weibliche, "geshamed, lächerlich und teilweise systematisch kaputtgemacht wurden". Was die mediale Rezeption des Falls Spears anbelange, fühlt sich die Soziologin in vielem an Amy Winehouses Geschichte erinnert.
"Und heute melden sich ja viele prominente Frauen zu Wort, die im letzten Jahrzehnt schlimme Dinge im Business und in den Medien erlebt haben, aber immer als durchgeknallte oder komplett unfähige Frauen dargestellt wurden", erläutert sie.
Viele Künstlerkolleginnen von Spears hätte berichtet, dass sie sich von dem
Dokufilm "Framing Britney Spears" der "New York Times" (AUDIO)
sehr getriggert gefühlt hätten, da sie in vielerlei Hinsicht Ähnliches erlebt hätten. Er zeigt Spears' Leben unter der Vormundschaft.
"Junge Künstlerinnen heute hingegen haben die Möglichkeit, das Bild von sich auch selbst zu kuratieren, insbesondere durch die sozialen Medien", davon ist Nadia Shehadeh überzeugt. "Das ist natürlich auch eine große Möglichkeit der Selbstermächtigung, und das war vor zehn, 13 Jahren natürlich noch nicht so."
Spears wirft ihren Eltern Ausbeutung vor
Ob sich der Fall jetzt dreht, bleibt abzuwarten. Zuletzt hatte sich Britney Spears über ihren Anwalt bemüht, den Vater von seiner Vormundsrolle gänzlich zu entbinden. Ihren Eltern wirft sie Ausbeutung vor. Seit 13 Jahren profitierten diese von ihrem Geld und kontrollierten ihr Privatleben, sagte sie bei der Anhörung. Ihr Vater liebe es, Macht über sie auszuüben.
Sie sei unter der Vormundschaft wie eine Sklavin behandelt und unter anderem gezwungen worden, Konzerte zu geben, gab die Künstlerin zu Protokoll. Man habe sie zudem unter Druck gesetzt, das Medikament Lithium zu nehmen.
Als Beispiele für den Leidensdruck, unter dem sie stehe, führt Spears an, dass sie gerne heiraten und ein weiteres Kind bekommen würde. Doch sei ihr nicht einmal erlaubt worden, einen Arzt aufzusuchen, um ihre Spirale zur Empfängnisverhütung zu entfernen. Seit 2016 ist Spears mit dem Tänzer und Fitnesstrainer Sam Asghari befreundet. Aus ihrer 2007 geschiedenen Ehe mit Kevin Federline hat sie zwei Söhne im Alter von 14 und 15 Jahren.
Diskussionen in sozialen Netzwerken
Die Anfang Februar veröffentlichte Doku hatte Diskussionen vor allem in den sozialen Netzwerken entfacht. Der Film stellt unter anderem die Frage, ob jemand gleichzeitig ein globaler Superstar und eine kaum zurechnungsfähige Person sein kann, die unter Kontrolle gestellt gehört.
Viele Prominente und Fans bekundeten unter dem Hashtag #FreeBritney daraufhin ihre Unterstützung für die Sängerin, darunter ist auch Justin Timberlake, ein Ex-Freund von Spears. Mariah Carey schrieb auf Twitter: "Wir lieben dich Britney!!! Bleib stark."
Die nächste Gerichtsanhörung ist für Mitte Juli angesetzt.
(Quelle: Nadia Shehadeh/Text: ahe/mkn/dpa)