Broschüre von Muslimen für Muslime

Knigge für Flüchtlinge

Flüchtlinge in Bayern
Mit Zitaten aus dem Koran vermittelt die Islam-Initiative Wissen über gesellschaftliches Miteinander in Deutschland. © imago/epd
Von Susanne Lettenbauer |
"Willkommen in Deutschland" heißt die unauffällige Broschüre vom Münchner Forum für Islam, die derzeit für Furore unter Flüchtlingshelfern sorgt. Anhand von Koran-Zitaten wird darin über Themen wie Grundgesetz und Gleichberechtigung aufgeklärt.
"Willkommen in Deutschland" heißt die unauffällige Broschüre vom Münchner Forum für Islam, die derzeit für Furore unter Flüchtlingshelfern sorgt. Dieses Heftchen sei eine "Wegweisung für muslimische Migranten zu einem gelingenden Miteinander in Deutschland", so der Untertitel. Das klingt wie eine theologische Handreichung. Irgendwie religiös, etwas ungelenk. Koransprache. Weit weg von Beamtendeutsch. Genau das sei längst überfällig gewesen, sagt Elisabeth Ramzews, Leiterin der Asylsozialarbeit im Münchner Erstaufnahmelager Bayernkaserne.
"Ich würde mir wünschen, dass diese Broschüre vielleicht gleich als Willkommen an jeden ausgeteilt wird, um zu sehen, wo sie hier gelandet sind."
So ein Bayern-Knigge sei keine Bevormundung, schon gar nicht, da es aus der Sicht von Muslimen geschrieben wurde sagt Ramzews und blättert durch die Kapitel über Bildung in Deutschland, Arbeit und Steuern zahlen und zum Grundgesetz:
"Also Gesetze achten steht hier, da. Da ist auch was über Autorität geschrieben da, ja das passt schon, das ist sehr gut gemacht. Wichtige Dinge kommen auf den Punkt wie Grundgesetz Artikel 1, die Würde die Menschen ist unantastbar, auch dass wir in einer gleichberechtigten Gesellschaft zwischen Mann und Frau leben und dass wir auch eine Privatsphäre haben."
Zitat aus Broschüre: "Oh ihr, die ihr Glauben erlangt habt! Gebt acht auf Gott und gebt acht auf den Gesandten und auf jene von euch, die mit Autorität betraut worden sind."
"Wenn du 40 Tage mit einem Volk lebst, bist du einer von ihnen", sagt ein arabisches Sprichwort. Der Islam verlange von den Gläubigen den Weg der Integration, nicht Assimilation oder Isolation, heißt es gleich zu Beginn im ersten Kapitel. Integration sei aus islamischer Sicht der Weg der Mitte. Zitat Mohammed:
"Der Muslim, der sich in die Gemeinschaft einfügt und integriert und so die Beschwernisse auf sich nimmt, die von Menschen kommen könnten, ist besser als diejenigen, die solche Beschwernisse meiden."
Lob des Propheten für Integrationsbemühungen
Integration bedeute ein langwieriges und schwieriges Bemühen, erklärt die Broschüre den muslimischen Flüchtlingen in erstaunlich scharfen Worten. Doch wer diesen Weg wählt, verdiene das Lob des Propheten. Dazu gehört auch der Umgang untereinander: Die Hand schütteln, sich in die Augen schauen, die Frau achten, das Gesicht nicht verhüllen. So drücke man Freundlichkeit aus, was auch der Islam gebiete, zitiert der Imam des Münchner Forums für Islam, Belmin Mehiz aus der Broschüre:
"Die Frauen haben den gleichen Wert wie die Männer. Nur die Würdigen würdigen Frauen und nur die Nichtwürdigen erniedrigen sie."
Erstaunlich viele Gemeinsamkeiten zwischen christlicher und muslimischer Kultur arbeitet der Benimmkodex für Migranten heraus. Immer belegt mit einem Koranzitat.
Zitat aus Broschüre: "Und haltet die Verpflichtung ein, denn über die Verpflichtung muss Rechenschaft abgelegt werden."
Es sei eine kleine Idee vom Spätsommer gewesen, sagt Vorstandsmitglied Stefan Wimmer, eine Improvisation, wie so viele Improvisationen in den vergangenen Monaten. 26.000 Exemplare wurden gedruckt. Jetzt muss nachgeliefert werden. Man habe wohl unerwartet eine Nerv getroffen. Gemeindevertreter, Landräte, Flüchtlingshelfer und Sozialarbeiter bestellen die Broschüre zu Hunderten und Tausenden. Andere Interessenten laden sich die Broschüre kostenlos von der Webseite des Islamforums herunter.
"Wir haben überwältigend viele Reaktionen bekommen, wir müssen schon nach wenigen Tagen nachdrucken, die 26.000 Exemplare reichen nicht mehr und wir haben aus ganz Deutschland bis nach Schleswig-Holstein begeisterte Reaktionen erfahren. Die Leute gratulieren zu der Broschüre und möchten sie gern haben."
Der österreichische Städtebund habe sich gemeldet und wolle die Broschüre vorstellen und übernehmen, freut sich Wimmer. Mit dieser Resonanz hatte man nicht gerechnet. Erstaunlich sei für ihn, dass nicht nur die arabischen Exemplare für die Flüchtlinge gefragt seien, sondern vor allem auch die deutschen. Elisabeth Ramzews als Asylsozialarbeiterin erklärt das mit dem Interesse an den Koranzitaten. Für sie sei erstaunlich:
"Dass wir letztendlich doch auch Dinge und Gesetze haben, so wie sie teilweise auch aus dem Koran heraus zu verstehen sind. Ich finde es sogar ganz wichtig nochmal klarzumachen, dass uns eigentlich mehr verbindet als uns trennt."
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