Brotbrechen in jüdischer Tradition
Am Donnerstag vor Ostern, so sagt man, hat Jesus mit zwölf seiner Jünger zusammen gegessen. Wie hat der Jude Jesus diese Mahlzeit begangen? Ähnlich, wie heute Juden das Sedermahl feiern? Können Christen diese Feier dann ebenso begehen?
"Das Sedermahl ist diese rituelle Mahlzeit an dem Abend vor dem Pessachfest. Es wurde befohlen nach dem Auszug aus Ägypten: Du sollst jedes Jahr daran erinnern, du sollst deinem Sohn diesen Tag erklären, du sollst in jedes Jahr sieben Tage lang Ungesäuertes essen und so weiter und so fort."
Das hebräische Wort "Seder" bedeutet schlicht "Ordnung". Zur Erinnerung an den Auszug des Volkes Israel aus Ägypten feiern Juden am Beginn des siebentägigen Pessachfestes ein Mahl mit einer genau feststehenden Ordnung. Der Rabbiner Walter Rothschild von der liberalen Gemeinde "Or Chadasch" in Wien erklärt:
"Es gibt einige rituelle Sachen, die nicht so genießbar sind, die bitter und sauer sind. Es gibt ein kleines Buch – das heißt 'Die Haggada', 'Die Erzählung' – und das wird gelesen, gesungen von den Leuten, die rund um den Tisch sitzen. Und es ist eine Gelegenheit, Leute einzuladen und eingeladen zu sein."
"Gepriesen seist du, Ewiger, unser Gott, Herr der Welt, der die Frucht des Weinstockes erschaffen hat."
Christen sind diese Worte aus der häuslichen Feier des jüdischen Sedermahls nicht unbekannt. So betet zum Beispiel der Priester in einer katholischen Messfeier über den Kelch:
"Gepriesen bist du, Herr, unser Gott, Schöpfer der Welt, Du schenkst uns den Wein, die Frucht des Weinstocks und der menschlichen Arbeit."
Dieses Begleitgebet zur Darbringung des Weins ist bewusst formuliert in Anlehnung an jüdische Segenssprüche.
"Die Wurzeln des Christentums liegen im Judentum, ohne Frage, und das ist ganz wichtig, sich auch diese Verwurzelung im Judentum immer wieder klarzumachen."
Elisabeth Hackstein. Sie ist promovierte Biologin und Mitglied im evangelischen Frauenkonvent des Klosters Stift zum Heiligengrabe. Vor kurzer Zeit hat sie ihre zweite Doktorarbeit erstellt zum Thema "Christliche Sederfeiern". Denn in so mancher christlichen Gemeinde kommt man vor oder nach dem Abendmahlsgottesdienst am Gründonnerstag zum Sedermahl zusammen. Dahinter steht, neben der bewussten Hinwendung zum Judentum, meist der Wunsch, an den Ursprung des Abendmahls als gemeinsame Mahlzeit zu erinnern und durch das Essen im Kirchenraum eine andere, sinnlichere Gottesdienstform auszuprobieren.
Elisabeth Hackstein: "Nur ist dieses Sedermahl erst in der Zeit ab dem dritten Jahrhundert entstanden. So wie es heute gefeiert wird, erst ab dem neunten Jahrhundert. Und insofern ist es ein Anachronismus, wenn Christen glauben, dass sie sich mit dem Sedermahl des Abendmahles annähern können."
Rainer Kampling: "Wir wissen schlicht und einfach nicht, ob und wenn ja, wie man in Jerusalem im Jahr 30 beziehungsweise 33 Pessach außerhalb des Tempels begangen hat. Sich eine Haggada zu nehmen, die in dieser jetzigen vorliegenden Form im Mittelalter fertiggestellt wurde, ist dann recht kurios."
Das sagt Rainer Kampling. Der katholische Theologe ist Professor für Biblische Theologie und Neues Testament an der Freien Universität Berlin. Was das letzte Mahl Jesu vor seiner Verhaftung anbelangt, bieten die vier Evangelien unterschiedliche Deutungen und Datierungen.
"Die neutestamentlichen Berichte, zumindest Matthäus, Markus, Lukas, legen nahe, dass es in der Nähe zu Pessach stattfand. Dann haben wir allerdings freilich das Problem: Wenn es ein Sedermahl wäre, wäre Jesus auf Pessach gekreuzigt worden, und das ist unvorstellbar. Das hätte einen Volksaufstand bewirkt und das hätte sicherlich auch in der Literatur Niederschlag gefunden."
Dem Johannesevangelium nach wird Jesus schon einen Tag früher gekreuzigt, parallel zur Schlachtung der Lämmer im Tempel – als das wahre Pessachlamm. Von dieser Zeitfolge her kann das Mahl mit den Jüngern ebenfalls kein Sedermahl gewesen sein.
Elisabeth Hackstein: "Ich glaube, dass wir uns an die johanneische Tradition halten sollen, dass Jesus eben am Abend vor dem Pessachmahl ein Abschiedsmahl mit seinen Jüngern gefeiert hat."
Elisabeth Hackstein lehnt christliche Sederfeiern ab – auch aus folgendem Grund:
"Wenn Christen feiern, erst das Sedermahl und das Abendmahl anhängen und dieses mit Sätzen verbinden 'Jesus hat das Pessachmahl neu gedeutet und etwas Unerhörtes, etwas Neues geschaffen', dann beschreiben wir das Sedermahl der Juden als Vorläufer des Abendmahles. Wir verlieren damit aus den Augen, dass dieses, nämlich die Feier des heute lebendigen Judentums ist. Wir machen faktisch das Judentum zu einem Vorläufer des Christentums. Wir machen das Christentum zu der überlegenen Religion."
Gerade nach dem Versagen von Christen in der Schoah verlangt die Begegnung mit dem Judentum Achtsamkeit und Respekt. Es gilt deutlich zu machen, dass man das Judentum ernst nimmt als eigenständige Religion und als eigenständigen Heilsweg mit seinen liturgischen Traditionen. Was aber hält ein liberaler Rabbiner von christlichen Sederfeiern? Walter Rothschild:
"Es ist Theater. Ob es falsch ist, das wäre ein Vorwurf. Ich bin nicht sicher, dass ich diese Vorwürfe machen soll. Wir können gern ein Teil davon genießen, aber den inneren Co-Inhalt, das werden sie einfach nicht verstehen, wenn sie diese Geschichte nicht teilen, dieses Schicksal nicht hören, diese Hoffnungen nicht teilen."
Rainer Kampling: "Ich freue mich natürlich, wenn ich eingeladen werde, an Pessach mitzufeiern. Aber das ist doch was anderes, ob ich zum Sederabend bei Freunden gehe oder ob ich womöglich noch in einer katholischen Kirche, also da Gott sei Dank nicht so oft, oder in einer protestantischen Kirche Seder nachfeiere."
Elisabeth Hackstein: "Ich glaube, dass es für uns Christen eigentlich nur einen wirklich legitimen Weg gibt, eine Sederfeier zu feiern: Sich von Juden einladen zu lassen."
Das hebräische Wort "Seder" bedeutet schlicht "Ordnung". Zur Erinnerung an den Auszug des Volkes Israel aus Ägypten feiern Juden am Beginn des siebentägigen Pessachfestes ein Mahl mit einer genau feststehenden Ordnung. Der Rabbiner Walter Rothschild von der liberalen Gemeinde "Or Chadasch" in Wien erklärt:
"Es gibt einige rituelle Sachen, die nicht so genießbar sind, die bitter und sauer sind. Es gibt ein kleines Buch – das heißt 'Die Haggada', 'Die Erzählung' – und das wird gelesen, gesungen von den Leuten, die rund um den Tisch sitzen. Und es ist eine Gelegenheit, Leute einzuladen und eingeladen zu sein."
"Gepriesen seist du, Ewiger, unser Gott, Herr der Welt, der die Frucht des Weinstockes erschaffen hat."
Christen sind diese Worte aus der häuslichen Feier des jüdischen Sedermahls nicht unbekannt. So betet zum Beispiel der Priester in einer katholischen Messfeier über den Kelch:
"Gepriesen bist du, Herr, unser Gott, Schöpfer der Welt, Du schenkst uns den Wein, die Frucht des Weinstocks und der menschlichen Arbeit."
Dieses Begleitgebet zur Darbringung des Weins ist bewusst formuliert in Anlehnung an jüdische Segenssprüche.
"Die Wurzeln des Christentums liegen im Judentum, ohne Frage, und das ist ganz wichtig, sich auch diese Verwurzelung im Judentum immer wieder klarzumachen."
Elisabeth Hackstein. Sie ist promovierte Biologin und Mitglied im evangelischen Frauenkonvent des Klosters Stift zum Heiligengrabe. Vor kurzer Zeit hat sie ihre zweite Doktorarbeit erstellt zum Thema "Christliche Sederfeiern". Denn in so mancher christlichen Gemeinde kommt man vor oder nach dem Abendmahlsgottesdienst am Gründonnerstag zum Sedermahl zusammen. Dahinter steht, neben der bewussten Hinwendung zum Judentum, meist der Wunsch, an den Ursprung des Abendmahls als gemeinsame Mahlzeit zu erinnern und durch das Essen im Kirchenraum eine andere, sinnlichere Gottesdienstform auszuprobieren.
Elisabeth Hackstein: "Nur ist dieses Sedermahl erst in der Zeit ab dem dritten Jahrhundert entstanden. So wie es heute gefeiert wird, erst ab dem neunten Jahrhundert. Und insofern ist es ein Anachronismus, wenn Christen glauben, dass sie sich mit dem Sedermahl des Abendmahles annähern können."
Rainer Kampling: "Wir wissen schlicht und einfach nicht, ob und wenn ja, wie man in Jerusalem im Jahr 30 beziehungsweise 33 Pessach außerhalb des Tempels begangen hat. Sich eine Haggada zu nehmen, die in dieser jetzigen vorliegenden Form im Mittelalter fertiggestellt wurde, ist dann recht kurios."
Das sagt Rainer Kampling. Der katholische Theologe ist Professor für Biblische Theologie und Neues Testament an der Freien Universität Berlin. Was das letzte Mahl Jesu vor seiner Verhaftung anbelangt, bieten die vier Evangelien unterschiedliche Deutungen und Datierungen.
"Die neutestamentlichen Berichte, zumindest Matthäus, Markus, Lukas, legen nahe, dass es in der Nähe zu Pessach stattfand. Dann haben wir allerdings freilich das Problem: Wenn es ein Sedermahl wäre, wäre Jesus auf Pessach gekreuzigt worden, und das ist unvorstellbar. Das hätte einen Volksaufstand bewirkt und das hätte sicherlich auch in der Literatur Niederschlag gefunden."
Dem Johannesevangelium nach wird Jesus schon einen Tag früher gekreuzigt, parallel zur Schlachtung der Lämmer im Tempel – als das wahre Pessachlamm. Von dieser Zeitfolge her kann das Mahl mit den Jüngern ebenfalls kein Sedermahl gewesen sein.
Elisabeth Hackstein: "Ich glaube, dass wir uns an die johanneische Tradition halten sollen, dass Jesus eben am Abend vor dem Pessachmahl ein Abschiedsmahl mit seinen Jüngern gefeiert hat."
Elisabeth Hackstein lehnt christliche Sederfeiern ab – auch aus folgendem Grund:
"Wenn Christen feiern, erst das Sedermahl und das Abendmahl anhängen und dieses mit Sätzen verbinden 'Jesus hat das Pessachmahl neu gedeutet und etwas Unerhörtes, etwas Neues geschaffen', dann beschreiben wir das Sedermahl der Juden als Vorläufer des Abendmahles. Wir verlieren damit aus den Augen, dass dieses, nämlich die Feier des heute lebendigen Judentums ist. Wir machen faktisch das Judentum zu einem Vorläufer des Christentums. Wir machen das Christentum zu der überlegenen Religion."
Gerade nach dem Versagen von Christen in der Schoah verlangt die Begegnung mit dem Judentum Achtsamkeit und Respekt. Es gilt deutlich zu machen, dass man das Judentum ernst nimmt als eigenständige Religion und als eigenständigen Heilsweg mit seinen liturgischen Traditionen. Was aber hält ein liberaler Rabbiner von christlichen Sederfeiern? Walter Rothschild:
"Es ist Theater. Ob es falsch ist, das wäre ein Vorwurf. Ich bin nicht sicher, dass ich diese Vorwürfe machen soll. Wir können gern ein Teil davon genießen, aber den inneren Co-Inhalt, das werden sie einfach nicht verstehen, wenn sie diese Geschichte nicht teilen, dieses Schicksal nicht hören, diese Hoffnungen nicht teilen."
Rainer Kampling: "Ich freue mich natürlich, wenn ich eingeladen werde, an Pessach mitzufeiern. Aber das ist doch was anderes, ob ich zum Sederabend bei Freunden gehe oder ob ich womöglich noch in einer katholischen Kirche, also da Gott sei Dank nicht so oft, oder in einer protestantischen Kirche Seder nachfeiere."
Elisabeth Hackstein: "Ich glaube, dass es für uns Christen eigentlich nur einen wirklich legitimen Weg gibt, eine Sederfeier zu feiern: Sich von Juden einladen zu lassen."