Die israelische mit der iranischen Welt verbinden
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Babak Shafian will dem Hass zwischen Iran und Israel etwas entgegensetzen. Er gründet das Quintett "Sistanagila", in dem Iraner und Israelis gemeinsam musizieren. Der Nahost-Konflikt ist präsent, gibt aber nicht den Ton an.
Eine Buchhandlung in Berlin-Mitte. Babak Shafian ist auf der Suche nach neuen Büchern: "Molière, Tartuffe. Das ist ja ein Stück über religiösen Fanatismus und auch über die Auflösung der Familie." Das Andere, das Fremde findet Shafian interessant. Das war schon immer so.
Was auch immer schon so war: Dass er von Büchern umgeben ist. Babak Shafian stammt aus einer kunst- und kulturbegeisterten Familie. In seiner Heimat Iran lernt er Deutsch am Österreichischen Kulturinstitut in Teheran. Und weil Verwandte seit Jahrzehnten in Berlin leben, er die Stadt schon als Kind besucht hat, entsteht die Idee, dort zu studieren.
Ein multikulturelles Toleranzzeichen
2001 ist es soweit, erzählt Shafian: "Mein Plan war, langfristig in der IT-Branche zu arbeiten und auch dort Karriere zu machen. Bis ich dann Italien entdeckte und meinen ganzen Plan umkrempelte. Das ist eine Inspirationsquelle für mich. Heine hat gesagt, Italien ist die Heimat der Schönheit. Und ich denke, diese Schönheit berührt die Sinne, sodass man nochmal neue Ideen entwickelt oder die Dinge einfach anders sieht. Dass man einfach noch freier denkt."
Dieser freie Geist beeinflusst Shafians Handeln. Als 2005 Mahmud Ahmadinedschad in Iran an die Macht kommt und gegen Juden und den Staat Israel hetzt, will er dem etwas entgegensetzen. Ein multikulturelles Toleranzzeichen sozusagen:
"Ich habe ja dieses Privileg, im Ausland zu leben. Und ich habe dann die Chance genutzt, um zu sagen, nee, das ist nicht meine Stimme und das ist auch nicht die Stimme vieler Iraner. Ich mache nicht mit. Ich mache sogar das Gegenteil – ich suche diesen Dialog mit Israelis."
Drei Israelis und zwei Iraner bilden "Sistanagila"
2011 gründet er darum das Musikprojekt "Sistanagila" mit jüdischen und iranischen Musikern. Drei Israelis und zwei Iraner bilden derzeit das Quintett. Der Name ist eine Verschmelzung von "Hava Nagila", einem hebräischen Volkslied, dessen Titel so viel wie "Kommt zusammen" bedeutet, und "Sistan", einer iranischen Provinz. Wir wollen die israelische mit der iranischen Welt verbinden, erklärt Yuval Halpern, Komponist und musikalischer Leiter:
"Hier unten sitzt der Babak Shafian. Ich war nicht sicher, was ein Israeli mit Iran zu tun hat, ob er irgendein Terrorist ist und so. Aber ich dachte, die Idee ist schön. Ich glaube an Frieden, aber das muss auch musikalisch gut sein."
Wer Babak und seine Jungs beim Musizieren beobachtet, spürt ihre Freundschaft, Freude und Verbundenheit. Die neuesten Entwicklungen im Nahen Osten sind natürlich ein Thema zwischen ihnen, geben aber nicht den Ton an.
"Das betrübt mich, weil ich immer noch Familie im Iran habe und man weiß nicht, wie es weiter geht. Aber was unsere musikalische Zusammenarbeit bei 'Sistanagila' angeht, das wird nicht beeinflusst durch den Konflikt."
Zuhören, aufeinander zugehen, zusammenspielen
Zuhören, antworten, aufeinander zugehen, improvisieren, zusammenspielen. Unabhängig von all der politischen Hetze halten die Jungs fest an ihrem Projekt. Sie haben zwei CDs produziert, touren durch die Bundesrepublik und Ende Mai geht ihr größter Traum in Erfüllung: Sie werden in der Berliner Philharmonie gastieren. Getragen von jahrhundertealter jüdischer und iranischer Musiktradition schickt Babak Shafian seine Musiker auf eine Reise, die sie am Ende zueinander führt:
"Das Interessante an der jüdischen Geschichte ist, dass die Juden trotz all der Leidensgeschichte, die sie ja durchleben mussten, geschafft haben, wirklich immer wieder aufs Neue einen beachtlichen Beitrag zur Zivilisationsgeschichte zu leisten und auch einen prominenten Platz in der Geschichte zu finden."
Else Lasker-Schüler war Shafians Nachbarin
Seit Juli ist Babak Shafian auch Produktionsleiter einer jüdischen Musikreihe in Potsdam. Im Mittelpunkt steht die Musik geflüchteter jüdischer Komponisten während der NS-Zeit. Wir wollen diese Musiker in Deutschland bekannt machen, sagt Shafian. Den Job wollte er aus einem ganz bestimmten Grund.
"Else Lasker-Schüler ist meine ehemalige Nachbarin gewesen, sie hat fast gegenüber meiner Wohnung gewohnt. Und ich fand es auch einfach interessant, weil die Konzertreihe sich Else Lasker-Schüler widmet. Und als ich das herausgefunden habe und das angesprochen habe, war das eine Überraschung."
In seinem Berliner Kiez – der "Jüdischen Schweiz", wie das Bayerische Viertel in Berlin-Schöneberg einst genannt wurde – fühlt er sich längst zu Hause. Albert Einstein, Marcel Reich-Ranicki und Kurt Weill wohnten hier – eine intellektuelle jüdische Elite. Eine nationalistische Doktrin habe dieser Welt ein Ende gesetzt, sagt Babak Shafian nachdenklich. Darum führt der ruhige, sympathische und offene Mann seine Besucher gern durch diese Gegend und erzählt ihnen von dieser furchtbaren Geschichte. Und hofft, dass sich so eine nie wieder wiederholt.