Brückenbauer

Ein Lächeln auf die Lippen musiziert

Von Martin Wolter |
Der polnische Komponist Krzysztof Penderecki wird 80. Ihm zu Ehren trifft sich diese Woche die Musikwelt in Warschau, um in zahlreichen Konzerten Werke aus den letzten sechs Jahrzehnten zu spielen.
"Maestro Penderecki ist für mich als eine Polin ein sehr wichtiger Mann. Seine Musik bedeutet alles, eigentlich alles von meinem Herzen. Und die Stücke, die wir beim Festival hören dürfen, sind alle unterschiedlich, kommen aus verschiedenen Zeiten, und es ist eine große Sache für mich, das zu hören.“
Agata Szymczewska hat in Hannover Geige studiert und spielt auch als Solistin beim Festival. So wie sie bringen viele polnische Musiker und Besucher zum Ausdruck, was in Deutschland befremdlich wirken würde. Penderecki wird in Polen nicht nur als Komponist wahrgenommen,der in dunkler Zeit Polen als Kulturnation von Rang im Ausland repräsentierte. Sondern wird in den letzten 100 Jahren in seiner Symbolkraft nur noch überstrahlt von einem anderen Polen: Karol Wojtyla, dem späteren Papst Johannes Paul II. Und auch beim Festival wird in der Johanneskathedrale eine Messe gefeiert.
Rüdiger Freiherr von Fritsch, der deutsche Botschafter in Polen, sieht keinen Widerspruch darin, als Komponist auch historische Figur über die Musik hinaus zu sein.
"Krzysztof Penderecki ist einer der ganz großen Brückenbauer zwischen Deutschland und Polen, der tief verwurzelt ist in den großen europäischen Kulturtraditionen, und uns deutlich macht wie viel gemeinsames uns verbindet. Er zeigt uns, was Europa eigentlich ausmacht – aus großer Tradition aufbauend Neues schaffen. Er ist jemand gewesen, der sehr früh in Deutschland sich umgeschaut hat, viele wichtige Orte verbinden sich auch damit, wir denken an die großartige Lukaspassion, die er für Münster geschrieben hat, denken an das Requiem, das während des polnischen Kriegsrechtes in Stuttgart uraufgeführt wurde; einer der großen Brückenbauer, der überdies unsere Sprache vorbildlich beherrscht.“
Zuhörer ist auch der deutsche Pianist Hinrich Alpers, der auch als Musiktheoretiker versucht, das Phänomen Penderecki zu fassen.
"Das Interessante an Penderecki finde ich, dass er wie so viele Komponisten, die was zu sagen haben, ein bisschen schwer einzusortieren ist. Man kann jetzt gar nicht sagen, das ist jetzt aus der Schule, oder aus der Schule. Klar, es gibt natürlich so serielle und postserielle Dinge aus den 60er-Jahren. Und ich hör auch gelegentlich schon mal Kritik an seiner Musik dass das alles eher rückwärtsgewandt sei, das finde ich gar nicht. Aber ich kann es gar nicht so gut begründen, ich merke nur es interessiert mich und ich höre gerne zu, und bin jetzt hier zwei bis drei Tage gewesen und hab das gehört und fahre mit einem Lächeln auf den Lippen nach Hause. Das ist doch das Schönste, was man sich erträumen lassen kann.
Es ist schon so, wenn man sich anschaut, was hier in Warschau passiert, zwölf Konzerte nur mit Werken von Penderecki, und die sind nahezu ausverkauft und am Ende gibt es Standing Ovations – das ist nicht nur Lokalpatriotismus hier, sondern auch der Tatsache geschuldet, dass es etwas ist, was die Leute quasi sehen und anfassen können, man hat selten das Gefühl, dass da etwas entfernt von einem stattfindet.“
Ein gewaltiger Blick auf das Gesamtwerk
Elzbieta Penderecka hat die Konzertreihe zum Geburtstag ihres Mannes geplant – und sich dabei eines Formats bedient, wie man es nur aus Abschlusskonzerten von Meisterkursen kennt. Jeweils vier Dirigenten, Solisten und Kammermusikensembles wechseln sich ab jeden Abend – und ermöglichen einen gewaltigen Blick auf das Gesamtwerk.
Trotzdem das Festival vom Staat und privaten Geldgebern großzügig unterstützt wird, ist dies doch nur möglich, da alle Gäste für einen symbolischen Betrag von einem Euro auf ihre Gage verzichten. Unter ihnen das Shanghai String Quartet aus New York - mit Pendereckis erstem Werk für diese Gattung von 1960.
Schon seit seinen Anfängen als Chordirektor an der Universität von Madrid ist der Dirigent Jesus Lopez –Cobos, der in den 80er-Jahren auch einmal GMD an der Deutschen Oper war, Penderecki verbunden. Und erklärt, was ihn an seiner Musik fasziniert.
"Er hat die große Tradition, Mahler, Bruckner, die ganze erste Hälfte des 20. Jahrhunderts, weitergeführt, und gezeigt, wie er in allen Sparten, nicht nur der sinfonsichen Musik, auch in Kammermusik und Oper, ein ganz großer Kompjnist dieses Jahrhunderts ist. Man merkt in seinen Sinfonien, gestern haben wir das wieder gesehen in der zweiten, aber auch heute in der achten Sinfonie, wie er die große deutsche Tradition weitergeführt hat.“
Es sind Gedichte der deutschen Romantik, die dem Werk von 2005 zugrunde liegen, das unter dem Titel "Lieder der Vergänglichkeit“ Pendereckis tonales Spätwerk vertritt.
Oft genug wird gerade im deutschen akademischen Komponieren die Msuik als Postromantik gebrandmarkt. Mit einem Augenzwinkern beschließt Penderecki das Werk – und zwar in der Klangwelt der 60er-Jahre.
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