Warum die Bayern sich den Österreichern näher fühlen
Dass Bayern und Österreich einmal zusammengehört haben, weiß heute kaum noch jemand. Die Parallelen in Sprache, Mentalität wie auch Kunst und Architektur sind jedoch präsent. Und emotional ist Österreich den Bayern meist näher als Berlin. Das dient auch als Drohpotenzial.
Weil Bayern und die CSU seit geraumer Zeit und dieser Tage sich immer wieder mit abgrenzenden Wortmeldungen und Forderungen in Richtung Berlin, also an "die obern Deutschen" zu Worte melden – aus all diesen Gründen ist es mal wieder an der Zeit für eine kleine Unterrichtsstunde im Fach Geschichte über das, wie es damals so war, aber vor allem darüber, warum die "Baiern" sich den Österreichern näher fühlen als all den Stämmen nördlich des Weißwurstäquators.
Gesang der Band Haindling: "Bayern, des samma mia / Ja, also für die Österreicher selber is das immer problematisch zu sehen, dass sie ein Teil Bayerns waren / Bayern und des bayerische Bier / Des is natürlich schon schön, weil viele Österreicher wollens net wahrhaben / Bayern, jawohl des samma mia; mia samma mia, des samma mia."
Ja, nicht nur die Österreicher und die Bayern wissen kaum was davon – der Rest Deutschlands hat sowieso keine Ahnung, wie groß Bayern einmal war. Es reichte von Eger bis zur Salurner Klause kurz vor dem Gardasee, von der pannonischen Tiefebene bis zum Lech, sagt Ferdinand Kramer, Professor für bayerische Landesgeschichte in München.
"Das Wissen und Bewusstsein darum, dass Österreich ein Teil Bayerns war, beziehungsweise Bayern und Österreich bis 1156 in einem Herzogtum und einem Herrschaftsbereich waren, dieses Wissen ist weitgehend verlorengegangen."
Weswegen sich die meisten Deutschen heute wundern über Parallelen in Lebensstil, Sprache und Mentalität und Ähnlichkeiten in Kunst und Architektur zu beiden Seiten des Inns. Die Leute links und rechts des bayerisch-österreichischen Grenzflusses allerdings wussten schon immer, dass sie irgendwie zusammengehören. Dieser Kufsteiner zum Beispiel meint:
"Also de Bayern ghörn ja eigentlich schon mehr zu Österreich als wie die Wiener zu Österreich ghörn; im Prinzip. Vom Sein und Reden und so weiter. Und die obern Deutschen sind sowieso ein eigenes Volk."
Wobei "de obern Deitschen" schon mitten im heutigen Bayern anfangen, meint sein Nachbar.
"Maximal Nürnberg, dann hört sich des aber schon stark auf. Wenn man weiter hinaufkommt, ist das alles ein bisserl anders: Ist auch nimmer unsere Mentalität. De ham a Hektik und de ham a andere Sprach, des passt einfach net zu uns. De Bayern mögen wir noch gern."
Und folgerichtig hat Österreichs ehemaliger Bundeskanzler Bruno Kreisky einmal gesagt:
Archivaufnahme: "Wenn ich Urlaub mache, fahre ich am liebsten nach Bayern. Da bin ich nicht mehr in Österreich und noch nicht in Deutschland."
"Norddeutsche Gäste gibt's natürlich auch ganz nette"
Das alte Bayern ist entstanden auf dem Gebiet der ehemals römischen Provinzen Raetien und Norikum. Hier siedelten um 500 nach Christus neben einheimischen Keltoromanen auch Germanen, denen es die hochstehende mittelmeerische Kultur im Land vor den Alpen angetan hatte und im Lauf der Zeit entwickelte sich hier eine spezielle romanisch-germanische Mischkultur – ganz anders als im Norden und Osten. 500 Jahre später, genauer im Jahr 996 nach Christus, ist erstmals die Rede von Austarichi, von Ostreichern, von Leuten also, die den Osten dieses alten bayerischen Reiches bewohnen.
Von einer Teilung ist da noch absolut keine Rede. Die kommt erst 160 Jahre später, als sich der Welfe Heinrich der Löwe und der ein anderer Heinrich aus dem Haus der Babenberger um das bayerische Herzogtum streiten und Kaiser Friedrich Barbarossa salomonisch teilt.
"Wir haben ja dann überall den Prozess im hohen Mittelalter, dass lokale und regionale Herrschaftsträger, Grafenfamilien ihre Macht erweitern, ihre Herrschaft zunehmend verselbständigen und damit ein gewaltiges eigenes politisches Gewicht bekommen - wie das dann eben den Babenbergern gelungen ist in der Ostmark und später im Alpenraum und im österreichischen den Habsburgern gelungen ist. Der Kaiser hat einen Kompromiss gesucht zwischen den Welfen und den Babenbergern und man hat sich letztlich auf die Teilung des Herzogtums geeinigt."
Nebenbei, eine Teilung, die, anders als die deutsche, bis heute anhält.
Und es gibt tatsächlich nicht wenige Bayern, die darunter leiden, dass Bismarck ihr Land 1871 ins Deutsche Reich gezwungen hat, womit die Grenze zum weiterhin selbständigen Österreich zementiert wurde. Eine Einstellung, die Richard Loibl, der Chef des Hauses der Bayerischen Geschichte bestens kennt.
"Ich hab natürlich auch als Niederbayer ein bissl die Donaubetrachtungsweise und da kann man das durchaus überlegen, ob's vielleicht nicht für Bayern schöner, lustiger wäre, wenn man zu Österreich gekommen wäre. Da gibt's verschiedene Aussagen dazu, ich hab noch was im Ohr: Ein niederbayerischer Bürgermeister ist bei der deutschen Wiedervereinigung befragt worden, was er dazu sagt. Und er hat ganz trocken gesagt: 'Ich hätte mich persönlich lieber mit Österreich wiedervereinigt.'"
Eine Haltung, die auch viele Österreicher teilen und die zu folgender Wertung einer österreichischen Wirtin führt, aus der die ganze metternichische Diplomatie der alten K.-u.-k.-Donaumonarchie spricht.
"Die Bayern sind die gemütlicheren; und norddeutsche Gäste gibt's natürlich auch ganz nette, nicht."
Österreich überflügelte Bayern als Weltreich
Trotz der Grenze am Inn – die Donau verbindet. Und die Kultur hat sich sowieso nie um Grenzen geschert. Wiener und Münchner beispielsweise feiern keinen Karneval, sondern Fasching. Und der ist schwarz-weiß und findet im Saal statt. Und was dem Wiener sein Opern-, das ist dem Münchner der Kaiserball. Und der wird von Carl Paul Wieland veranstaltet, selbstverständlich einem Österreicher, der sich nicht wundert, dass Bayern und Österreicher sich für die gleiche Art zu Feiern begeistern können.
"I glaub, wir haben sehr, sehr viele Gemeinsamkeiten und dadurch ist es natürlich auch besonders leicht. Wir haben gemeinsame christliche Wurzeln, Bayern und Österreicher, wir ham wunderschöne Kirchen, wir gehen auch noch öfters hinein. Beide Volksstämme sind guten Willens, fleißig, ehrlich, aufrichtig."
Naja, die letzte Einschätzung teilt der Wiener Kabarettist Severin Gröbner nicht ganz:
"Ich find immer, der Unterschied zwischen Wien und München is: In Wien sitzen die Leut umeinander, tun nichts und behaupten die ganze Zeit, sie müssen soviel arbeiten. So ein Stress – im Sitzen. Wir ham schon im Sitzen Stress! In München hab ich immer den Eindruck ghabt, die Leut arbeiten wahnsinnig viel, wie die Idioten arbeiten sie, und behaupten aber immer: Es is alles kein Problem und es geht alles ganz leicht von der Hand; und sie sind alle total gut drauf. Es ist lustigerweise eine andere Lebenslüge. Eine gesunde Mischung von beiden, das wärs."
Die gesunde Mischung, die gibt’s natürlich. Sie liegt zwischen Wien im Osten und München im Westen, auf dem bayerisch-österreichischen Land und in den kleineren Städten. Und genau dort, in Mattighofen und im Stift Ranshofen bei Braunau auf österreichischer Seite, sowie auf der Burg zu Burghausen, direkt an der österreichischen Grenze auf bayerischer Seite, findet auch die Landesausstellung statt.
Thema in Burghausen ist die bayerisch-österreichische Geschichte im Mittelalter und wie es passieren konnte, dass das zunächst mächtige Bayern und sein kleines Ostreich sich auseinanderentwickelten, dergestalt, dass schließlich der österreichische Schwanz mit dem bayerischen Hund zu wackeln begann, will heißen: Österreich sich zum Weltreich entwickelte und Bayern heillos überflügelte.
"Das zeigt sich ja auch dann mit einer gewissen Parallele bei Brandenburg-Preußen, dass die deutschen Herrscher, die eben ostgelagert waren, ganz offensichtlich Expansionsmöglichkeiten Richtung Osten gefunden haben, während Bayern eben mit der Abtrennung von 1156 'Binnenland' geworden ist und diese Expansionsmöglichkeiten offensichtlich nicht mehr hatte",
sagt Ferdinand Kramer, Professor für bayerische Landesgeschichte. Die unterschiedlichen Wege, die sie gegangen sind, haben schließlich dazu geführt, dass sich die Brüder im Süden bei allen Gemeinsamkeiten voneinander entfremdet haben. Die Auswirkungen sind bis heute zu spüren, meint der Wiener Kabarettist Severin Gröbner:
"Österreich hat ja a Weltreich gehabt, a recht großes, von den östlichsten Karpaten bis zu den Zentralalpen. Die Bayern ham des nicht ghabt. Und des hat sie jetzt auch net gestört, aber da merkt man auch teilweise: Sowohl von der Sprache als auch von der Küche hat sich da einiges in Wien abgelagert, was in Bayern sich nicht ablagern konnte, weil es war nix zum Ablagern da."
Bayern mussten sich gegen Preußen behaupten
So wurde Wien zur Weltmetropole, der gegenüber München natürlich abstinken musste. Keine Frage aber, dass beiden Hauptstädten und ihren Bewohnern die gleichen Mentalitäten einwohnen. Letztlich ist ja sogar die berühmte Münchner Schickeria nix anderes als die Fortführung der Wiener Bussi-Gesellschaft mit bayerischen Mitteln.
"Wie geht’s - Bussi, Bussi - wie geht’s Dir denn? Guat schaust aus, wie geht’s Dir denn?" - "Naja, weißt, mein Mann wird jetzt gesucht mit internationalem Haftbefehl wegen Waffenhandel." – "Na, des is net kommod! Aber des, des bist ja scho gwohnt, gell.?" – "Ja, da hast a wieder recht. Aber weißt, jetzt hat gestern einer meinen Hund überfahrn." –" Na, des sind doch Verbrecher, sind des!"
Irgendwie haben sich Bayern und Österreicher das Bewusstsein der Einheit und die Sehnsucht nach einem gemeinsamen Alpenstaat, einem mächtigen und selbständigen, immer bewahrt. Zuletzt war davon die Rede bei den Konferenzen um die Nachkriegsordnung Deutschlands am Ende des Zweiten Weltkriegs, sagt Ferdinand Kramer.
"Insbesondere von den Alliierten rund um Churchill herum gab es wohl auch solche Überlegungen. Diese Option war faktisch immer wieder mal da in der Frage der Erbfolgen; wenn es im habsburgischen Haus Probleme gab mit legitimen Nachfolgern, dann ham sich die Wittelsbacher Hoffnungen auf das Erbe gemacht und damit wäre Bayern und Österreich zu einem Herrschaftsverbund zusammengekommen - oder eben umgekehrt: Wenn die Wittelsbacher Erbfolgeprobleme hatten, hatten die Österreicher Hoffnungen und Ambitionen und hams auch militärisch versucht.
Ein vergleichsbares Konstrukt spielt ja nochmal in der Zeit der napoleonischen Umbrüche eine gewisse Rolle. Als das Haus Habsburg stark geschwächt war wegen der Dominanz Napoleons und Bayern mit Napoleons Hilfe erweitert wurde, reichte ja das bayerische Herrschaftsterritorium bis nach Südtirol. Noch heute kann man in Brixen auf dem Domplatz das bayerische Herrschaftswappen finden. Wenn man sich vergegenwärtigt, dass das frühmittelalterliche Bayern mit der Klostergründung von Tassilo in Innichen im Pustertal bis da runter gereicht hat, dann sieht man, dass dieser Verbund durchaus noch im Kopf präsent war.
Da hat auch die Geschichtsschreibung dazu beigetragen, die immer wieder auf den Stamm der Bajuwaren und dessen frühes Siedlungsgebiet hingewiesen hat. Später kam im 19. Jahrhundert dann die Volkskunde dazu, als man eben Gebräuche, Trachten, Hauslandschaften und dergleichen mehr beobachtet hat, und da Übereinstimmungen in diesem früheren bajuwarischen Raum gefunden hat."
Und diese Übereinstimmungen sind auch dem Tiroler im Kufsteiner Straßencafe durchaus präsent.
"Da gibt’s net viele Unterschiede. Reden ungefähr gleich, sind gleich locker. Da gibt’s net viele Unterschiede. Mehr Lederhosen hams an, die Bayern, als wir Tiroler."
Das wiederum hat einen ganz einfachen Grund. Die Bayern fanden sich 1871 im deutschen Reich wieder und mussten sich gegenüber den protestantischen Preußen im Norden behaupten. Sie taten das, indem sie die Andersartigkeit ihrer katholisch-südlichen Kultur betonten und mit Dirndlmieder, Gamsbart und Lederhose nach außen vorführten. Noch heute aber ist für einen rechten Bayern Wien seine eigentliche Hauptstadt des Herzens, während er den bundesdeutschen Hauptstadt-Hype rund um Berlin mit Argwohn betrachtet. Mehr als 20 Jahre nach der Wiedervereinigung allerdings hat München den Status als heimliche deutsche Nachkriegshauptstadtverloren und die Bayern spüren erneut den gewaltigen Sog, der von dem wiederhergestellten Machtzentrum im Nordosten Deutschlands ausgeht.
"Wir müssen uns in der Berliner Republik behaupten. Zusammen gibt es aber auch die Notwendigkeit und auch das Glück, dass wir uns zusammen mit den Österreichern auch in der Europäischen Union zu behaupten haben. Und des werden wir dann auch machen, und hier sticht die alte Verbindungskarte wieder",
meint der Chef des Hauses der Bayerischen Geschichte. Noch heute führen oft die Antrittsbesuche österreichischer und bayerischer Regierungschefs und Minister zuerst nach München oder Wien und danach erst nach Berlin oder Brüssel. Vielfältig sind darüber hinaus die kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Kooperationen und Verflechtungen zu beiden Seiten des Inns. Man versteht sich und trifft sich – auch wenn man bei solchen Treffen grundsätzlich was anderes trinkt.
Auf die Gefühlslage aber hat das keinen besonderen Einfluss. Denn grantig wie man in München sagt, oder schiach, wies in Wien heißt, kann man bei Reben- und bei Gerstensaft gleichermaßen werden sagt Kabarettist Severin Gröbner.
"I hab ja lang genug in München gewohnt, ich kenn dieses, da sitzens im Wirtshaus beieinander und tun so vor sich hin maulen, so motschgern, wie man in Wien sagt oder auf bayerisch granteln – des gibt's schon natürlich. Nur es hat ja bei weitem nicht den verpflichtenden Status wie in Wien. In Wien darf man ja nicht gut drauf sein. Wannst in Wien pfeifend über die Straße gehst und denkst 'Jöh, das Leben ist schön' – passiert eh nicht jeden Tag, aber könnt einem ja passieren – glaubt man nicht, wie viel böse Blicke man erntet. Und irgendeiner schreit: 'Was gibt's zum Pfeifen, Trottel?' Das passiert dir in München nicht. Natürlich granteln die Münchner auch gern, keine Frage, aber sie glauben nicht ans Granteln."
Nicht nur separatistische Folklore
Letztlich aber bleibt die Stimmungslage ähnlich: Das katholisch-barocke "Mitten-im-Leben-vom-Tod-umfangen-sein", das "Himmel-hoch-jauchzend-zu Tode betrübt" kennt man von Wien über Salzburg bis München und Oberammergau gleichermaßen. Und das ist es vielleicht auch, was die restlichen Deutschen einerseits von Bayern und Österreichern andererseits unterscheidet.
"Zum Beispiel, wenn wieder mal - meistens im Sommer - ein Sturmtief aus Nordwesteuropa über Mitteleuropa hinwegzieht und ganze Landstriche in Deutschland und Österreich unter Wasser stehen, die Pegel steigen. Dann schaltet man hüben und drüben des Inns ins Nachrichtenstudio und von dort zu dem Korrespondenten live vor Ort. Und dann heißt der erste Satz zu dem Mann im Zentrum des Geschehens in Deutschland: 'Hallo Kai Uwe Becker, wie ist die Lage?' In Österreich heißt er allerdings: 'Grüß Sie Gott, Michael Raminger, wie ist die Stimmung?' Bei uns zählt halt mehr des Gefühlsleben."
Da fühlen sich die Bayern durchaus mit angesprochen. Es ist ja nicht so, dass die norddeutsche Sicht auf die Welt, wie zum Beispiel die kühle, faktenbezogene der Hamburger, nicht auch zielführend oder erfolgversprechend wäre – kulturell genauso wie wirtschaftlich – die süddeutsche, die bayerisch-österreichische ist halt eine andere. Hier bleibt man vordergründig eher im Vagen, um hintergründig und hinterkünftig dann umso konkreter zu werden. Und das ist auch der Grund, warum es immer wieder zu grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten zwischen dem deutschen Norden und dem deutschen Süden kommt. Bei aller Dominanz des wiedervereinigten Deutschlands – die Österreicher mit ihrem eigenen Nationalstaat tun sich leichter mit der Selbstbehauptung, meint Professor Ferdinand Kramer:
"Die Bayern sollten schon ein bisserl aufpassen, dass sie mit der Kulturhoheit, die den Ländern zusteht, sich nicht zu sehr vom Berliner Mainstream vereinnahmen lassen. Der Charakter der deutschen Nation ist, dass es eine föderative Nation ist. Aus der Geschichte heraus und aus der Erfahrung heraus, die man eben mit dem kleindeutschen Nationalstaat von 1871 bis 1945 gemacht hat. Da sollte man nicht zurück, sondern man sollte sich grade der kulturellen Vielfalt als eines großen Pfundes für dieses Land immer wieder bewusst sein. Und da sollten sich die Länder, denk ich, ins Zeug legen."
Das ist es auch, was viele Bayern von ihren Politikern nachdrücklich fordern. Und es ist ja keinesfalls so, dass die Bayern kein Drohpotential hätten. Schon in alten Zeiten hatten sie zumindest theoretisch immer die Alternative – München und Bayern oder Österreich und Wien. Eine Einstellung, die sie sich selbst in Zeiten, da über München Berlin schwebt, bewahrt haben, weiß Richard Loibl, vom Haus der Bayerischen Geschichte:
"Also grad so im ostbayerischen Bereich oder im südbayerischen Bereich findet man viele. Die alten Passauer, wenn die so richtig zornig waren, die haben gesagt: 'Wenn sie's uns zu dumm machen, dann flaggen wir um.' Das heißt also, man haut die bundesrepublikanische oder die bayerische Fahne weg und zieht rot-weiß-rot auf. Und bei der Ludwig-II-Ausstellung im letzten Jahr hab ich gelernt, das man das im Chiemgau auch sagt. Und das ist das Spannende an einer Grenzregion, dass man zumindest im Zorn virtuell zwei Möglichkeiten besitzt."
Sage keiner, das sei nur separatistische Folklore. Wer hätte trotz aller diesbezüglichen Sonntagsrhetorik an die deutsche Wiedervereinigung geglaubt? Genauso überraschend und wenn nicht welt-, so doch europaverändernd, könnte die bayerische Wiedervereinigung kommen. Die mit Österreich, versteht sich.