"Brüno"
Der britische Komiker Sacha Baron Cohen wurde als getarnter kasachischer Fernsehreporter "Borat" berühmt. In "Brüno" schlüpft der blondierte Cohen in die Rolle eines homosexuellen österreichischen Moderators, der in den USA sein Glück versuchen will. Das erweist sich schwieriger als gedacht.
USA 2009, Regie: Larry Charles, Hauptdarsteller: Sacha Baron Cohen
Der 53-jährige New Yorker Produzent, Autor und Regisseur Larry Charles schrieb für die TV-Serie "Seinfeld" 18 Folgen. Sein erster Kinofilm hieß "Masked and Anonymous" (für den er mit Bob Dylan auch das Drehbuch verfasste). 2006 führte er Regie beim Brachial-Spaß "Borat". 2008 folgte die kirchenkritische Frage-und-Antwort-Show "Religulous", mit dem amerikanischen Late-Night-Talker Bill Maher als piekendem Spurensucher.
Nun also der "Borat"-Nachfolger "Brüno". Mit über 260 Millionen Dollar weltweiter Kinokassen-Einnahme avancierte die Irrsinns-Maskerade um einen vermeintlichen Fernsehreporter aus Kasachstan zum riesigen Lach-und-Spott-Hit. Dabei im Dauer-Blick-&-Mittelpunkt: Sacha Baron Cohen.
Der am 13.10.1971 im vornehmen Londoner Stadtteil Hammersmith geborene Spross einer walisisch-jüdisch-iranischen Mittelstandsfamilie ist ein gebildeter Mensch. Besuchte die Privatschule, studierte Geschichte in Cambridge, beschäftigte sich in seiner Abschlussarbeit mit der vielseitigen Beziehung von jüdischen und schwarzen Bürgerrechten, schloss mit der Note 2,1 ab. Bevor es ihn zum Fernsehen zog, jobbte er 1994 als Model. Den MTV-Zuschauern wurde Cohen als frecher Hip-Hop-Moderator über die hippe Satire-Sendung "Da Ali G Show" bekannt. In dieser respektlosen Reihe "besetzte" er vor allem drei Figuren: Die des Ali G., den Comedy-Gangstar; die des Kultur-Ganoven Borat und die der Modetunte Bruno. Sacha Baron Cohen war außerdem in der überdrehten Hollywood-Komödie "Ricky Bobby – König der Rennfahrer" (als exzentrischer, stockschwuler französischer Ex-Formel 1-Fahrer/neben Will Ferrell/2006) und in dem Horror-Musical "Sweeny Todd" von Tim Burton (neben Johnny Depp/2007) zu sehen. Der praktizierende Jude, der Peter Sellers ("Der rosarote Panther") und die "Monty Pythons" vorbildlich verehrt, wohnt zurückgezogen in Los Angeles, ist mit der australischen Schauspielerin Isla Fisher liiert. Sie haben zusammen eine Tochter namens Olive, die am 17. Oktober 2007 zur Welt kam.
Ebenso wie in "Borat" geht es nun auch in bzw. mit "Brüno" um grenzüberschreitenden Brachial-Humor, um einen Humor also, der jede Tabuzone auslotet und überschreitet, jede Provokation erlaubt. Dabei wird erneut das Mittel des "Mockumentary" benutzt, eine Art Pseudo-Dokumentarfilm mit inszenierten wie "tatsächlichen" Szenen, die kaum korrekt auszumachen sind. Dabei lautet das Motto für "Brüno": Er taucht immer dort auf, wo es übel riecht. Vor allem - in den Niederungen des bigotten Bürgertums. Dort, wo ständig geheuchelt und gelächelt wird.
Brüno ist beim (fiktiven) TV-Sender OJRF (Österreichischer Junger Rundfunk) ein homosexueller österreichischer Moderator ("Funkyzeit mit Brüno") und Mode-Reporter. Den es, voll blondiert und mit po-betonter, kanariengelber knapper Lederhose ausgestattet, in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten zieht. Wie er in Interviews optimistisch erklärt, möchte er in den USA nicht nur "zum zweitberühmtesten Österreicher nach Hitler" aufsteigen, sondern gerne auch "der größte homosexuelle Filmstar seit Arnold Schwarzenegger" werden. Kurzum: Brüno möchte den "österreichischen Traum" verwirklichen, also "eine Arbeit suchen, einen Keller bauen und eine Familie züchten".
Doch ist es mit dem Erfolg so eine Sache, Brüno muss sich viel mehr abstrampeln als gedacht, muss viel mehr Umwege benutzen, um halbwegs in die Erfolgsspur zu gelangen. Natürlich ist der Film "Brüno" eine chaotische Nummernrevue um diesen "Talk-Spezi". Natürlich ist der Film "Brüno" eine einzige Dauer-Provokation. Thema: Der "gute Geschmack" von "Normalos". Die Zur-Schau-Stellung, die Aufdeckung und Entlarvung von "innerer" bürgerlicher Dekadenz, von Vorurteilen, von Rassismus und Sexismus, von Prolligkeit-pur. Indem gezielt-übertriebene wie völlig verblödete Fragen "völlig normal", ohne mit der Wimper zu zucken, daherkommen, "öffnen" sich Angesprochene mehr als ihnen lieb sein kann. Oder es geht handfest zur Provo-Sache, etwa auf Mode-Events oder im Catcher-Ring. Wo sich zwei Kontrahenten erst kurz kratzen, um sich dann vor dem übertölpelten und völlig aufgebrachten Publikum zu küssen und "heftig" zu befummeln.
Oder auch schön: Brünos lebendes Karton-"Mitbringsel" aus Afrika am Flughafen, wo aus einem Karton, der auf dem Koffer-Laufband angewackelt kommt, ein schwarzes Baby entnommen wird. Das er "O.J." (nach Simpson) nennt und in einer Talk-Show dem wütenden Publikum präsentiert: Er habe es doch gegen sein teures iPod getauscht, bitte sehr! Was Madonna kann, darf er schon lange, oder? Und auch nicht "ohne": Für eine TV-Show sollen Kleinkinder gecastet werden und deshalb z.B. in Nazi-Uniformen gesteckt werden. Ob die Eltern etwas dagegen hätten? Natürlich nicht.
Völlig unterhalb der Gürtellinie erleben wir Brüno auf einer Swingerparty, wo ihn eine Domina mit der Peitsche traktiert. Und dann taucht er auch kurz beim amerikanischen Militär auf und "versteht" angeblich den Drill ganz und gar nicht. Ein privater Selbstverteidigungskurs gegen mögliche "Dildo-Angreifer" lässt dann am "guten Geschmack" völlig (ver-)zweifeln. Ein Clown, ein kluger Idiot, ein irrer Hofnarr hält "der Gesamtheit" einen Spiegel der eigenen Eitelkeiten, Lügen, Heuchelei, Unmoral, Gleichgültigkeit, Dummheit vor Augen. Bewusst vulgär, aufreizend skandalös, völlig geschmacksresistent, doppelbödig. Sozusagen, wenn der verbale Stinkefinger respektlos-ungezügelt weltweit umhersaust zwischen pubertär bis saukomisch, um die menschlichen Abgründe aufgeblasen vorzuführen.
Das hat in "Borat" geradezu prächtig-unvorbereitet komisch funktioniert und zeigt sich hier schon als Kalkül. An "Borat" konnte man sich abendfüllend-staunend und lachend satt sehen und urig-pointiert satthören. Bei "Brüno" beginnt mitunter das Figuren-Interesse zu erlahmen, die dekadente Figur gibt gar nicht so viel Dauer-Spaß her wie angedacht: Weil die vermeintlichen Provokationen um einen schwulen Schwulen mitunter gar nicht mehr so komisch sind wie angepeilt. "Brüno" wirkt bisweilen wie eine deftige Sketchparade von unterschiedlicher Anmach- und Entlarvungsqualität.
P.S.: Wenn ich im Pressematerial lese, dass eine ganze Menge von aufgenommenem "Deftig-Material" nicht für den Kinofilm berücksichtigt wurde, dann bin ich auf das Bonus-Material der Demnächst-DVD gespannt. Da scheint noch "einiges" aus dem Provokantenstadl von Cohen-"Brüno" auf uns zuzukommen.
Filmhomepage "Brüno"
Der 53-jährige New Yorker Produzent, Autor und Regisseur Larry Charles schrieb für die TV-Serie "Seinfeld" 18 Folgen. Sein erster Kinofilm hieß "Masked and Anonymous" (für den er mit Bob Dylan auch das Drehbuch verfasste). 2006 führte er Regie beim Brachial-Spaß "Borat". 2008 folgte die kirchenkritische Frage-und-Antwort-Show "Religulous", mit dem amerikanischen Late-Night-Talker Bill Maher als piekendem Spurensucher.
Nun also der "Borat"-Nachfolger "Brüno". Mit über 260 Millionen Dollar weltweiter Kinokassen-Einnahme avancierte die Irrsinns-Maskerade um einen vermeintlichen Fernsehreporter aus Kasachstan zum riesigen Lach-und-Spott-Hit. Dabei im Dauer-Blick-&-Mittelpunkt: Sacha Baron Cohen.
Der am 13.10.1971 im vornehmen Londoner Stadtteil Hammersmith geborene Spross einer walisisch-jüdisch-iranischen Mittelstandsfamilie ist ein gebildeter Mensch. Besuchte die Privatschule, studierte Geschichte in Cambridge, beschäftigte sich in seiner Abschlussarbeit mit der vielseitigen Beziehung von jüdischen und schwarzen Bürgerrechten, schloss mit der Note 2,1 ab. Bevor es ihn zum Fernsehen zog, jobbte er 1994 als Model. Den MTV-Zuschauern wurde Cohen als frecher Hip-Hop-Moderator über die hippe Satire-Sendung "Da Ali G Show" bekannt. In dieser respektlosen Reihe "besetzte" er vor allem drei Figuren: Die des Ali G., den Comedy-Gangstar; die des Kultur-Ganoven Borat und die der Modetunte Bruno. Sacha Baron Cohen war außerdem in der überdrehten Hollywood-Komödie "Ricky Bobby – König der Rennfahrer" (als exzentrischer, stockschwuler französischer Ex-Formel 1-Fahrer/neben Will Ferrell/2006) und in dem Horror-Musical "Sweeny Todd" von Tim Burton (neben Johnny Depp/2007) zu sehen. Der praktizierende Jude, der Peter Sellers ("Der rosarote Panther") und die "Monty Pythons" vorbildlich verehrt, wohnt zurückgezogen in Los Angeles, ist mit der australischen Schauspielerin Isla Fisher liiert. Sie haben zusammen eine Tochter namens Olive, die am 17. Oktober 2007 zur Welt kam.
Ebenso wie in "Borat" geht es nun auch in bzw. mit "Brüno" um grenzüberschreitenden Brachial-Humor, um einen Humor also, der jede Tabuzone auslotet und überschreitet, jede Provokation erlaubt. Dabei wird erneut das Mittel des "Mockumentary" benutzt, eine Art Pseudo-Dokumentarfilm mit inszenierten wie "tatsächlichen" Szenen, die kaum korrekt auszumachen sind. Dabei lautet das Motto für "Brüno": Er taucht immer dort auf, wo es übel riecht. Vor allem - in den Niederungen des bigotten Bürgertums. Dort, wo ständig geheuchelt und gelächelt wird.
Brüno ist beim (fiktiven) TV-Sender OJRF (Österreichischer Junger Rundfunk) ein homosexueller österreichischer Moderator ("Funkyzeit mit Brüno") und Mode-Reporter. Den es, voll blondiert und mit po-betonter, kanariengelber knapper Lederhose ausgestattet, in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten zieht. Wie er in Interviews optimistisch erklärt, möchte er in den USA nicht nur "zum zweitberühmtesten Österreicher nach Hitler" aufsteigen, sondern gerne auch "der größte homosexuelle Filmstar seit Arnold Schwarzenegger" werden. Kurzum: Brüno möchte den "österreichischen Traum" verwirklichen, also "eine Arbeit suchen, einen Keller bauen und eine Familie züchten".
Doch ist es mit dem Erfolg so eine Sache, Brüno muss sich viel mehr abstrampeln als gedacht, muss viel mehr Umwege benutzen, um halbwegs in die Erfolgsspur zu gelangen. Natürlich ist der Film "Brüno" eine chaotische Nummernrevue um diesen "Talk-Spezi". Natürlich ist der Film "Brüno" eine einzige Dauer-Provokation. Thema: Der "gute Geschmack" von "Normalos". Die Zur-Schau-Stellung, die Aufdeckung und Entlarvung von "innerer" bürgerlicher Dekadenz, von Vorurteilen, von Rassismus und Sexismus, von Prolligkeit-pur. Indem gezielt-übertriebene wie völlig verblödete Fragen "völlig normal", ohne mit der Wimper zu zucken, daherkommen, "öffnen" sich Angesprochene mehr als ihnen lieb sein kann. Oder es geht handfest zur Provo-Sache, etwa auf Mode-Events oder im Catcher-Ring. Wo sich zwei Kontrahenten erst kurz kratzen, um sich dann vor dem übertölpelten und völlig aufgebrachten Publikum zu küssen und "heftig" zu befummeln.
Oder auch schön: Brünos lebendes Karton-"Mitbringsel" aus Afrika am Flughafen, wo aus einem Karton, der auf dem Koffer-Laufband angewackelt kommt, ein schwarzes Baby entnommen wird. Das er "O.J." (nach Simpson) nennt und in einer Talk-Show dem wütenden Publikum präsentiert: Er habe es doch gegen sein teures iPod getauscht, bitte sehr! Was Madonna kann, darf er schon lange, oder? Und auch nicht "ohne": Für eine TV-Show sollen Kleinkinder gecastet werden und deshalb z.B. in Nazi-Uniformen gesteckt werden. Ob die Eltern etwas dagegen hätten? Natürlich nicht.
Völlig unterhalb der Gürtellinie erleben wir Brüno auf einer Swingerparty, wo ihn eine Domina mit der Peitsche traktiert. Und dann taucht er auch kurz beim amerikanischen Militär auf und "versteht" angeblich den Drill ganz und gar nicht. Ein privater Selbstverteidigungskurs gegen mögliche "Dildo-Angreifer" lässt dann am "guten Geschmack" völlig (ver-)zweifeln. Ein Clown, ein kluger Idiot, ein irrer Hofnarr hält "der Gesamtheit" einen Spiegel der eigenen Eitelkeiten, Lügen, Heuchelei, Unmoral, Gleichgültigkeit, Dummheit vor Augen. Bewusst vulgär, aufreizend skandalös, völlig geschmacksresistent, doppelbödig. Sozusagen, wenn der verbale Stinkefinger respektlos-ungezügelt weltweit umhersaust zwischen pubertär bis saukomisch, um die menschlichen Abgründe aufgeblasen vorzuführen.
Das hat in "Borat" geradezu prächtig-unvorbereitet komisch funktioniert und zeigt sich hier schon als Kalkül. An "Borat" konnte man sich abendfüllend-staunend und lachend satt sehen und urig-pointiert satthören. Bei "Brüno" beginnt mitunter das Figuren-Interesse zu erlahmen, die dekadente Figur gibt gar nicht so viel Dauer-Spaß her wie angedacht: Weil die vermeintlichen Provokationen um einen schwulen Schwulen mitunter gar nicht mehr so komisch sind wie angepeilt. "Brüno" wirkt bisweilen wie eine deftige Sketchparade von unterschiedlicher Anmach- und Entlarvungsqualität.
P.S.: Wenn ich im Pressematerial lese, dass eine ganze Menge von aufgenommenem "Deftig-Material" nicht für den Kinofilm berücksichtigt wurde, dann bin ich auf das Bonus-Material der Demnächst-DVD gespannt. Da scheint noch "einiges" aus dem Provokantenstadl von Cohen-"Brüno" auf uns zuzukommen.
Filmhomepage "Brüno"