Bruno Frank: "Lüge als Staatsprinzip"

Deftiger Essay von 1939 als Warnung für heute

Buchcover von Bruno Franks Essay "Lüge als Staatsprinzip", erschienen 2024.
© Verlag Das Kulturelle Gedächtnis

Bruno Frank / Herausgegeben von Peter Graf und Tobias Roth

Lüge als StaatsprinzipDas Kulturelle Gedächtnis , Berlin 2024

112 Seiten

22,00 Euro

Von Tobias Lehmkuhl |
Der Aufsatz "Lüge als Staatsprinzip" von Bruno Frank entstand bereits Mitte 1939, liegt aber erst jetzt als gedruckte Version vor. Ein bemerkenswerter Text, der es an Relevanz nicht verloren hat.
Bruno Frank war im Kaiserreich und in der Weimarer Republik ein Autor, der mit seinen Romanen und Theaterstücken Erfolg hatte und großes Ansehen genoss. Als Jude aber musste er 1933 ins Exil gehen. Dort, in den USA, starb er im Juni 1945.
Sein kalifornischer Nachbar Thomas Mann sagte in seiner Grabrede, Frank sei ein froher Mann gewesen, der ein herrliches Leben gehabt habe und den mildesten Tod, der nicht eher eintrat, „als bis das Verworfene, das wir alle hassten, vor seinen Augen noch sein elendes Ende gefunden hatte. Wir haben eher Grund, ihn zu beneiden, als ihn zu beklagen, und da er müde war, herzlich müde, wäre es egoistisch, ihm die Ruhe nicht zu gönnen.“
Thomas Mann war es auch, der Bruno Frank im Mai 1939 um einen Essay bat, der als Broschüre erscheinen und zusammen mit 23 anderen Broschüren, verfasst von Exilautoren und renommierten exilierten deutschen Wissenschaftlern, ins Deutsche Reich geschmuggelt werden sollte, um an die „besseren Instinkte unserer Landsleute“ zu appellieren.
Gerne folgte Frank Manns Aufruf. Schon zwei Monate später hielt Mann den Essay in Händen und bedankte sich für die Botschaft nach Deutschland, die ihm ein „deftiges, kräftiges Vergnügen“ bereitet habe.

Hitler: "Brüll-, Kreisch- und Heulkrämpfe"

An Deutlichkeit mangelt es Franks schwungvoller Schrift in der Tat nicht. Er nennt Hitler darin einen giftigen Pennbruder, einen hysterischen Komödianten, der von der Natur nur eine Gabe mitbekommen habe: „sich durch Brüll-, Kreisch- und Heulkrämpfe in Aufregungszustände hinaufzulügen, deren Überspringen auf die Zuhörer er eiskalt kontrolliert.“
Anschaulich führt Bruno Frank vor Augen, wie Hitler und die Seinen sich ein ums andere Mal verlässlich und vertragstreu geben, nur um im nächsten Augenblick genau das Gegenteil zu tun, sei es in Sachen Österreich, sei es in Sachen Sudetenland. Die Lüge wird in diesem kurzen Text in der Tat schnell als Staatsprinzip offenkundig. Und dieses Prinzip findet Frank in Hitlers „Mein Kampf“ programmatisch begründet, auch wenn Hitlers „eiterig gedunsenes Deutsch“ kaum zu ertragen sei, dieses „Gauner-Rotwelsch“, das der „macht- und frechheitsbesoffene Strauchdieb“ für eine Sprache halte.

Mahnung vor Vulgarität heutiger Staatenlenker

Man fühlt sich an die Vulgarität und Kaltschnäuzigkeit heutiger Staatenlenker erinnert und wird Franks Essay, der als Warnung erscheinen sollte, auch heute als solche begreifen.
Beigegeben sind „Lüge als Staatsprinzip“ eine Rede, die Frank 1919 vor dem Münchner Politischen Rat geistiger Arbeiter gehalten hat und die genau das Gegenprinzip formuliert: „Von der Menschenliebe“. Außerdem finden sich Briefe Thomas Manns und Erika Manns rund um das Projekt der 24 nicht zustande gekommenen Broschüren. Sie zeigen den Zauberer aus Lübeck als den politischen Aktivisten, als der er neuerdings entdeckt wird – etwa in Kai Sinas soeben erschienener Studie „Was gut ist und was böse“.
Dem Verlag Das kulturelle Gedächtnis ist mit Franks „Lüge als Staatsprinzip“ wieder mal eine beachtliche Ausgrabung gelungen.
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