Bucerius Kunst Forum

Dolce Vita im Schatten des Vesuvs

Eine Frau geht in der Ausstellung "Pompeji - Götter, Mythen, Menschen" im Bucerius Kunst Forum in Hamburg an der "Statue des Apollon" entlang.
Statue des Apollon in der Ausstellung "Pompeji - Götter, Mythen, Menschen" im Bucerius Kunst Forum © picture alliance / dpa / Bodo Marks
Von Anette Schneider |
Bilder von Pfauen und nackten Göttern: Im Bucerius Kunst Forum in Hamburg werden Wandbilder aus den Ruinen des untergegangenen Pompeji gezeigt. Doch wer den Reichtum geschaffen hat, bleibt unerwähnt.
Auf langen, schmalen Wandbildern sieht man riesige Villenanlagen in üppig grüner Landschaft. Daneben hängen Gartenszenen mit plätschernden Brunnen und stolzierenden Pfauen, sowie zahlreiche, bis zu drei Meter hohe Bilder sinnlich-nackter Götterpaare.
Die Ausstellung eröffnet im ersten Stockwerk mit Arbeiten, die die thematische Vielfalt der pompejischen Wandmalerei um die Zeitenwende vorführen. Im Erdgeschoss zeigt sie dann zahlreiche große Wandbilder, Marmor- und Bronzeskulpturen eines pompejanischen Palastes in ihrem ursprünglichen Kontext.
Kurator Andreas Hoffmann: "Wir tun das anhand eines der größten Stadtpaläste von Pompeji: 2700 Quadratmeter Grundfläche hat diese 'Casa del Citarista', die einer Familie gehört hatte, die wir auch kennen. Die Popidie sind eine ganz alte Familie der städtischen Oberschicht von Pompeji. Sie stellen schon früh den Bürgermeister. Sie stellen in der gesamten Geschichte Pompejis die wichtigen Beamten."
Eine raumhohe Ansicht der heutigen Palastruine bildet den Auftakt. Dahinter verbirgt sich die andeutungsweise rekonstruierte Villa in deutlich kleinerem Maßstab: Wegen des Platzmangels markieren nur einige wenige Säulen und Raumunterteilungen die unterschiedlichen Wohn- und Lebensbereiche, in denen die für diese Räume entstandenen Kunstwerke zu sehen sind.
"Da gibt es das Atrium, den sozusagen öffentlichsten Bereich des Hauses, in dem natürlich der Hauskult stattfindet, ... in dem aber auch die Familie und die Geschichte der Familie gezeigt wird, in wunderbaren Porträts aus Marmor und Bronze, die wir eben hier auch zeigen können."
Das Nizza der Antike
Vom Atrium geht es in den Garten. Er wird angedeutet durch ein Wasserbassin, an dem große, bronzene Tierskulpturen stehen, zum Beispiel Hunde, die ein Wildschwein jagen. Auf der Wand über dem Eingang zum Garten präsentieren Bilder einen Panoramablick auf die gesamte Palastanlage, andere zeigen perspektivisch gemalte Villen am Meer. Das Leben im antiken Pompeji konnte paradiesisch sein - wenn man zur herrschenden Klasse gehörte.
"Wir befinden uns ja in einer Region, die schon im 2. Jahrhundert vor Christus so etwas ist, wie das Nizza der Antike. Wo die Schönen und Reichen der römischen Senatsaristokratie ihre Sommerferien verbringen, und wo sie ganz aufwendige Villenanlagen eben bauen, auf Terrassen, die dann die schönsten Blicke erschließen auf den Golf von Neapel."
Dass es Sklaven waren, die auf den herrschaftlichen Wein- und Getreidefeldern diesen unermesslichen Reichtum erarbeiteten, erwähnt die Ausstellung mit keinem Satz. Sie frönt ganz der 2000 Jahre alten Kunst.
Restaurierungszusagen als Bedingung für Ausstellung
Dass die einmal in Hamburg zu sehen sein würde, war noch vor wenigen Jahren undenkbar. Vor allem der Transport der empfindlichen Wandbilder erschien riskant. Das hat sich geändert: Valeria Sampaolo, die seit 2008 das Nationalmuseum in Neapel leitet, schickt - beste Transport- und Sicherheitsmaßnahmen vorausgesetzt - ausgewählte Kunstwerke auf Reisen. Unter einer Bedingung, so Andreas Hoffmann:
"All diese Projekte sind verbunden - wie bei uns eben auch - mit Restaurierungsvorhaben von Fresken. In diesem Fall ist es eben so, dass insgesamt sieben Fresken, ein Mosaik und eine Statuette in ihrer Restaurierung von der Zeitstiftung finanziert wurden. Das ist ein wesentlicher Bestandteil dieser Projekte."
Natürlich wäre eine ausreichende finanzielle Ausstattung des Nationalmuseums in Neapel die bessere Variante. Doch immerhin hilft diese Vorgehensweise den dortigen Restaurierungsprojekten, und die restaurierten Objekte werden auf ihren Reisen zu einer Art Werbung für das eigene Haus.
Vor allem die Wandbilder spiegeln dabei eine luxuriös-dekadente Weltsicht, die alle Momente unschöner Wirklichkeit ignoriert.
"Es gibt keine Bilder der Gewalt. Es gibt keine politischen Bilder. Es gibt keine Darstellungen von Sklaven, obwohl die natürlich auch in Pompeji eine große Rolle gespielt haben. Stattdessen haben wir eine Welt des privaten Glücks, die uns verliebte Götter und Heroen präsentiert. Die uns trunkene Figuren aus der dionysischen Welt zeigt."
Feier des privaten Glücks
So konsequent, wie einst die gesellschaftlichen Widersprüche aus den Palästen Pompejis verbannt wurden, so konsequent werden sie auch aus der Ausstellung verbannt: Die Arbeits-, Wohn- und Lebensbedingungen der Sklaven in den Stadtvillen kommen nicht vor. Nichts erfährt man über die Handwerker, die die Kunstwerke schufen. Nichts darüber, dass die römische Gesellschaft bereits durch zahlreiche Sklavenkriege und -aufstände in ihren Grundfesten wankte, bevor Pompeji 79 Jahre nach der Zeitenwende unter den Lavaströmen des Vesuv begraben wurde.
Übrig bleibt allein die Zelebrierung einer aus allen Zusammenhängen gelösten "schönen Kunst". Das aber ist zu wenig.

Info:
Die Ausstellung "Pompeji. Götter, Mythen, Menschen" ist vom 27. September 2014 bis zum 11. Januar 2015 im Bucerius Kunst Forum in Hamburg zu sehen.

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