Buch "To Feel the Music"

Neil Youngs Mission für einen besseren Sound

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Das Foto zeigt den kanadischen Rockmusiker Neil Young bei einem Auftritt auf dem Roskilde-Festival 2016.
Sänger, Songschreiber, Mundharmonikaspieler, Gitarrist von Gottes Gnaden: Musik machen kann Neil Young viel besser als Bücher schreiben. © picture alliance / Photoshot
Torsten Hempelt im Gespräch mit Martin Böttcher |
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Musik wird für die digitale Wiedergabe stark komprimiert. Damit gehe ihre Seele verloren, meint der Musiker Neil Young. In einem Buch gibt er seinem Widerstand dagegen Ausdruck. Leider ist das Werk nicht annähernd so aufregend wie eine Platte von ihm.
Martin Böttcher: Vor sieben Jahren hat Neil Young seine Autobiografie veröffentlicht, "Waging Heavy Peace", auf Deutsch: "Ein Hippie-Traum". Vor vier Jahren dann quasi seine Auto-Autobiografie, denn in "Special Deluxe" erinnerte er sich an seine Lieblingsautos, die er im Laufe der Jahre so gefahren hatte. Nun gibt es ein neues Buch von Neil Young: "To Feel The Music" heißt es und ist gestern auf Englisch erschienen. Torsten Hempelt hat es gelesen und ist jetzt hier im Studio, um es uns vorzustellen. Dass Neil Young zu denen gehört, die die Musik besonders fühlen – daran besteht eigentlich kein Zweifel, oder?
Torsten Hempelt: Das denke ich auch - spätestens, wenn man ihn einmal dabei gesehen hat, wie er sich auf der Bühne im Takt wiegt und auch bei manchen Gitarrensolos so wirkt, als würde er seinem Instrument jeden Ton unter großer körperlicher Anstrengung einzeln abringen.
Böttcher: Nun hat dieses Buch ja aber noch einen Untertitel: "A Songwriter's Mission To Save High-Quality Audio" – also in etwa "Die Mission eines Liedermachers, hochwertige Musikaufnahmen zu retten". Er beschreibt demnach in dem Buch nicht zum Beispiel seine Lieblingslieder und was er bei deren Hören empfindet, nehme ich an?
Hempelt: Tatsächlich überhaupt gar nicht – und jetzt liegt mir schon ein bisschen auf der Zunge, zu sagen: Leider nicht. Aber der Reihe nach – was übrigens auch für dieses Buch gilt, denn im Gegensatz zu seiner recht sprunghaften Autobiografie wird hier doch ziemlich chronologisch von dem erzählt, was Neil Young für die "wichtigste professionelle Unternehmung seiner gesamten Karriere" hält: Nämlich sich der immer schlechter werdenden klangtechnischen Qualität von Musikaufnahmen aktiv entgegenzustellen.

Anfangs war Young von der Digitalwelt begeistert

Böttcher: Da würden vermutlich nicht wenige einwenden: Das Wichtigste, was Neil Young in seiner Karriere zustande gebracht hat, sind doch seine Lieder und Alben – von denen ja einige als Klassiker gehandelt werden.
Hempelt: Die findet er natürlich auch wichtig, genau so wie die Musik von anderen Künstlerinnen und Künstlern. Ihm war aber – schon vor langer Zeit, wie er sagt, nämlich in den 1980ern – aufgefallen, dass immer weniger von dem, was er oder diese anderen Musikerinnen und Musiker im Studio gespielt hatten, seinen Weg auf die Tonträger fand, die zunehmend digitaler Art waren.
Dabei, so erzählt er, war er anfangs von den Möglichkeiten der CD-Wiedergabe - ganz ohne Knistern, Knacken und Rauschen – wie überhaupt von der schönen neuen Digitalwelt ganz begeistert. Er ließ sich eine digitale Mischkonsole ins Studio einbauen, machte sich an die Arbeit – und stellte nach einigen Stunden fest, dass ihm das, was er hörte, nicht gefiel – ja, sogar seinen Ohren wehtat, wie er schreibt.
Das erklärt er noch mit Startschwierigkeiten der neuen Technik, stellt aber dann fest, dass seitdem keine Verbesserung stattgefunden habe, sondern alles noch viel schlimmer wurde. Die digitalen Audiodateien mit ihrer Komprimierung, so findet er, hätten mit den Störgeräuschen auch das eliminiert, was zwischen den Tönen mitschwingt, Subtilitäten und Nuancen, und die Atmosphäre, die Seele der Musik ausmacht.
Und Musik ohne Seele könne die des Menschen eben auch nicht berühren. Einen Schuldigen macht er auch schnell aus: die Musikindustrie. Der wäre es schlichtweg egal, in welcher Qualität die Musik gehört wird – Hauptsache, sie wird gekauft. Das versteht er nicht und das empört ihn – weil er es, auch technisch gesehen, unnötig findet.

Digitales Abspielgerät ohne Qualitätsverlust

Böttcher: Und wie sieht nun seine Mission dagegen genau aus?
Hempelt: Damit kommen wir zum Kernstück des Buches – das ist im Wesentlichen eine Erzählung der Geschichte des sogenannten "Pono"-Players, eines digitalen Abspielgerätes angeblich ohne Qualitätsverlust, mit dem nicht nur die eigene, sondern möglichst alle jemals aufgenommene Musik vor der digitalen Verflachung gerettet werden sollte.
Das wurde von Neil Young erdacht und mit Hilfe einiger Gleichgesinnter und Businesspartner auch irgendwie umgesetzt. Ein solcher Gleichgesinnter und Businesspartner in Personalunion ist Phil Baker, der hier auch als Co-Autor fungiert. Und das ist beinahe noch freundlich formuliert, denn von den 27 Kapiteln hat er 18 verfasst. Es wirkt ein bisschen, als hätte Neil Young sich gedacht: "Hey, ich schreibe mal wieder ein Buch … So, mach' Du mal weiter."
Nachdem es zunächst noch abwechselnd läuft, Young recht ausführlich – etwas böse, aber auch zum Thema passend gesagt: wie eine Schallplatte mit Sprung – seine Sorgen über das Verschwinden der Seele der Musik ausbreitet, übernimmt dann bald schon Phil Baker, ein Elektronikproduktentwickler, der Neil Youngs Empfindungen fachlich unterfüttert. Und das liest sich leider fast so dröge, wie man vermuten könnte.
Am interessantesten sind seine Beschreibungen von Begegnungen mit dem Musiker, aber hauptsächlich gibt es Grafiken, Zahlen, Tabellen, Redundanz – all solche Sachen, dann die Überleitung zur "Pono"-Geschichte, die letzten Endes gescheitert ist. "Klingen wie Gott" sollte das Gerät, aber wenn man sich den Schöpfungsbericht so durchliest, verwundert das Scheitern nicht all zu sehr. Denn auch da scheint die Devise gewesen zu sein: "Macht mal – wie genau klären wir später."
Alles in allem wirkt es schon ein wenig runtergespult, wenn da von Neil Youngs angeblichem "Altruismus" und ehrlicher Begeisterung für die Sache erzählt wird, aber auch Schuldzuweisungen ausgeteilt werden, an unzuverlässige Partner oder Widersacher. Eine gewisse eigene Naivität wird eingestanden, und – vielleicht unfreiwillig? – sogar noch mehr: Dass die Pono-Geräte in China hergestellt wurden, weil da schneller und billiger gearbeitet werde als in den USA, wird als Kompliment an die dortige Mentalität gesehen, und nicht als Widerspruch zu politischen, ethischen Ansichten von Neil Young.
Der wettert ja gerne gegen Starbucks und Monsanto, aber Phil Baker erwähnt im Zusammenhang mit einem Defekt, dass eine einzige Arbeiterin bei 3000 Pono-Geräten in drei Tagen eine bestimmte Verbindung verschraubt hat, und zwar zunächst falsch – wenn ich mich nicht verrechnet habe und optimistisch von einem Acht-Stunden-Tag ausgehe, sind das sportliche 125 Stück pro Stunde. Hat aber alles nichts genutzt.

Besser eine Platte von Neil Young kaufen

Böttcher: Das heißt also, im Grunde erzählt hier – nach einer Einleitung von Neil Young – sein Kollege die Geschichte vom gemeinsamen geschäftlichen Scheitern? Wo bleibt denn da das Gefühl für die Musik, also das, was im Titel versprochen wird?
Hempelt: Na ja, irgendwann gegen Ende – Kapitel 21 – schaltet sich Neil Young wieder ein, bringt auch seine Liebe zu Autos zurück aufs Tapet – indem er beschreibt, wie er vergeblich zum Beispiel bei Ford und Tesla vorstellig wurde, um sie zu überzeugen, sein Pono-System in ihre Wagen einzubauen, weil das so gut fürs Fahrvergnügen und natürlich die Seele sei.
Deshalb hat er den Kampf auch noch nicht aufgegeben, aber statt ein physisches Produkt mit den gewaltigen dazugehörigen Strukturen ist fürs Erste die Verwaltung seines Lebenswerks sein Fokus: Auf seiner Website, dem Neil-Young-Archive, soll man sich in bestmöglicher digitaler Streamingqualität durch seinen kompletten Katalog hören können, gegen einen monatlichen Beitrag, und zudem viele Hintergrundinformationen zur Musik erhalten. Das füllt dann irgendwie die letzten, wieder von Young verfassten Kapitel.
Böttcher: Ich merke schon: Begeisterung klingt anders. Ein kurzes Fazit?
Hempelt: Ich frage mich, für wen dieses nicht besonders fesselnd oder engagiert geschriebene Buch sein soll – Leute, die an der Entstehungsgeschichte digitaler Musik interessiert sind, wissen vermutlich eh schon mehr als hier zu erfahren ist oder lesen lieber das Buch "How Music Got Free" von Stephen Witt; Neil Young-Fans greifen besser zu seiner Autobiografie und lesen vielleicht zusätzlich ein Interview mit ihm aus den letzten Jahren; viel Neues darüber hinaus erfahren sie hier jedenfalls wohl nicht. Am allerbesten kaufen sie sich vielleicht eine Platte von ihm.
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