Hören Sie dazu auch das folgende Gespräch aus der Sendung "Zeitfragen":
Speziallager Buchenwald oder Der lange Kampf um die richtige Erinnerung.
René Aguigah und Winfried Sträter im Gespräch mit Volkhard Knigge, dem Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora
Erst KZ, dann Speziallager
Während der Nazi-Zeit starben im Konzentrationslager Buchenwald 56.000 Menschen. Nach dem Krieg wurde das Gelände als sowjetisches Internierungslager genutzt, dort starben 7100 Menschen an Hunger und Krankheit. Als die DDR unterging, musste ein Umgang mit dieser "doppelten Geschichte" gefunden werden.
Die Gedenkstätte für das KZ Buchenwald war, so der heutige Leiter der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Volkhard Knigge, "Golgatha, Ostern und Pfingsten der deutschen kommunistischen Arbeiterbewegung zugleich".
In Buchenwald suchte und fand das SED-Regime seine Legitimation. Umso bitterer stieß den Genossen die doppelte Geschichte des Lagers auf. Bis zur friedlichen Revolution 1989 blieb die Zeit des Sowjetischen Speziallagers Nr. 2 auf dem Gelände des KZs Buchenwald deshalb ein striktes Tabu in der DDR. Aber genauso, wie die Menschen rings um das Lager vom KZ gewusst hatten, wussten sie später auch vom sowjetischen Internierungslager, das nur vier Monate nach der Befreiung des KZs im August 1945 vom sowjetischen NKWD eingerichtet wurde. Aber erst nach 1989 durften sie − vor allem auch die ehemaligen Internierten − über ihr Schicksal sprechen.
Die Jahre nach dem Gedenken zum 45. Jahrestag der Befreiung des KZs im April 1990, als Mitglieder der Jungen Union ein Banner mit der Aufschrift "Gedenkt auch der Häftlinge des Internierungslagers 1945-1950!" entrollten, waren lebendig, von kontroversen, mitunter auch bitteren und bösartigen Auseinandersetzungen geprägt.
Überlebende des KZs und Überlebende des Speziallagers sprachen sich mitunter gegenseitig den Opferstatus ab. Es ging darum, ob und vor allem wie der doppelten Geschichte von Buchenwald angemessen gedacht werden sollte. Gelassene Stimmen wie die von Günther Rudolph, der 1946 als 18-Jähriger von den Sowjets interniert wurde, waren selten.
Günther Rudolph: "Es gab im Lager selbst keine Prügelei, im Gegensatz zu den Nazis wurde keiner erschossen oder sonst gequält."
Die Forschung in deutschen und russischen Archiven ab 1990 brachte es an den Tag: Im sowjetischen Speziallager Nr. 2 auf dem Ettersberg waren Schuldige und Unschuldige interniert. Vor dem Tod waren sie alle gleich.
Günther Rudolph: "Das Essen war katastrophal. Das Essen war so ausgestattet: Zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel. Wer also schwach war – das galt auch für Jugendliche –, auch keinen Willen hatte, der starb nun viel früher als derjenige, bei dem der Wille irgendwie durchgeht."
Etwa ein Viertel der insgesamt 28.000 bis 1950 Internierten starb an Hunger und Krankheiten. Ihrer soll nun an den "Tagen der Begegnung" gedacht werden. Mit Zeitzeugen-Gesprächen und einer Sonderausstellung zur "Kindheit hinter Stacheldraht". Am Samstag findet eine Gedenkveranstaltung mit Überlebenden statt, in der kommenden Woche folgt eine wissenschaftliche Konferenz über "25 Jahre Aufarbeitung der Geschichte sowjetischer Speziallager".