Die Schrift soll dem Inhalt dienen
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Friedrich Forssman wusste schon mit 16 Jahren, dass er sein Leben den Büchern widmen wollte. Für ihn ist ein Buchgestalter mehr als ein Designer: Der Schriftsetzer ist Verbündeter der Lesenden, der sie an die Hand nimmt und durch den Text führt.
Beim Thema Buchgestaltung denken die meisten zuerst an das Cover eines Buches, das Design des Schutzumschlags oder des Einbands. Friedrich Forssman denkt da anders: "Im Grunde interessiert mich das am wenigsten, wie das Buch von ganz außen aussieht. Die klassische Methode der Buchgestaltung ist, vom Lesen her zu gehen. Das ist nun mal auch die Ebene, mit der der Leser die meiste Zeit verbringt: Der schaut ja, je nach Umfang des Buches, drei Wochen ins Buch aber nur drei Minuten auf den Umschlag."
Diese drei Wochen dem Leser so angenehm wie möglich zu machen und die Schrift dem Inhalt dienen zu lassen, ist seiner Meinung nach die Aufgabe des Buchgestalters:
"Üblicherweise ist das, worum sich der Typograph kümmert, der Lesevorgang. Er behütet den auch, er möchte den Lesern unbedingt helfen, ungestört zu lesen. Und so haben wir Buchgestalter zwei Aufgaben zu erfüllen: Das Buch soll Freude machen beim Betrachten, wenn man auf dieser Ebene des bewussten Ansehens ist, aber es soll auch als Lesemaschine hervorragend funktionieren."
Forssman ist bereits in einem Bücherhaushalt aufgewachsen, hat sich schon vor der Schule das Lesen beigebracht, und dann von Emily Brontë bis Michael Ende und Jules Verne alles durcheinander gelesen.
Arno Schmidt – das Unsetzbare setzen
Über einen Freund wurde er auf Arno Schmidt aufmerksam, dessen Werk immer noch seine besondere Liebe gilt. "Ich las das und war gefangen. Dieser Ton, den bekommt man nur von Arno Schmidt: diese Dichte, dieses Tempo, diesen Witz, auch diese Besonderheiten der Oberfläche, nicht nur das ungewöhnliche Layout, das er immer wieder angewandt hat."
Sein Spätwerk zu setzen, darunter das monströse Konvolut "Zettel’s Traum", war ihm schon zu Anfang seiner Karriere als Buchgestalter ein Bedürfnis. Die Arno Schmidt-Stiftung finanzierte ihm diese Arbeit über einen Zeitraum von zwei Jahrzehnten. Natürlich war er in dieser Zeit auch noch mit vielen anderen Projekten beschäftigt, aber er schätzt, dass allein fünf Jahre in die Formgebung von "Zettel’s Traum" gingen.
Das Ergebnis: ein imposantes, mehrere Kilo schweres Buch im DIN-A 3 Format.
Wenn Technik Dissidenz erschwert
Dass jemand wie Forssman, der in der Gestaltung von handfesten Büchern seine Erfüllung findet, kein Freund von E-Books ist, verwundert nicht. Die Hauptgründe, die er gegen E-Reader ins Feld führt, sind allerdings ganz anderer, grundsätzlicher Natur: Nicht die ästhetische Zumutung steht im Vordergrund, sondern die digitalen Spuren, die man mit den Readern hinterlässt, und dass Texte nicht mehr unzerstörbar sind.
"Wenn Ihnen Ihr E-Book-Reader kaputt geht, laden Sie das Buch aus der digitalen Bibliothek neu. Ist es dann vielleicht gar nicht mehr da? Solche Fälle gibt es. Ist es verändert worden, weil irgendjemandem etwas nicht gepasst hat? Nächstes Problem: digitales Rechtemanagement. Das heißt, es werden Listen angelegt, wem welches Buch gehört. Dieses nicht mehr anonyme Lesen, nicht mehr die Möglichkeit zu haben, ein Buch anonym zu verschenken, es zu verleihen, also diese ganze Anonymität zu nehmen heißt, Dissidenz schwieriger zu machen. Ich kann nur warnen vor Techniken, die Dissidenz schwieriger machen."
Gegen moderne Technik allgemein hat Forssman allerdings gar nichts einzuwenden, im Gegenteil: "Durch den erfreulichen technischen Fortschritt ist es dazu gekommen, dass ständig neue Schriften entstehen. Vor 50 Jahren brauchte man als Schriftherstellungsbetrieb noch einen Bahnanschluss, und heute reicht ein Laptop auf den Knien. Und die Schriften, die da entstehen, sind so zahlreich und so schön, dass ich ständig mehr Schriften kaufe, als ich jemals einsetzen werde."
(mah / ab)