Buchillustration

Vom Straßenkünstler zum Kunstprofessor

Von Anette Selg |
Georg Barber hat schon als Kind Comics gezeichnet. Während seine Zeit bei der DDR-Armee hat er sie zum Frustabbau genutzt. Heute werden seine Bilder in Ausstellungen quer durch Europa gezeigt. Als Professor für Illustration unterrichtet er zudem den Nachwuchs an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein bei Halle.
Georg Barber lebt und arbeitet in einer Altbauwohnung im Prenzlauer Berg. Gemeinsam mit seiner Freundin, der Designerin Gudrun Haggenmüller:
"Der Krach ist meine Stickmaschine, wir arbeiten gerade zusammen an einer Taschenproduktion für das Gartenbuch von Georg und es gibt eine Hunderter Auflage dazu und da stickt gerade die Stickmaschine dran."
Im Arbeitszimmer des Berliner Künstlers steht ein großer vollgekleckster Holztisch, dahinter Regalmeter mit Kunstbänden, Büchern und Platten. Die Atelierwände sind gepflastert mit alten Comics, Siebdrucken, mit Spielzeugfiguren und bunten Schablonen:
"Na ja, ich hab' ja das Psyeudonym ATAK und ich hatte 'ne Punkband, die hieß ATAK, damals in den 80ern, so "Einstürzende Neubauten"-mäßig, auf einer Müllhalde, drei Konzerte. Und in der Wende war ich ja dann, Ostberlin, weiß man ja, die grauen Wände, hat man angefangen, Schablonen, stencils, das hieß damals noch nicht street art, zu sprühen. Und da konnt' ich ja schlecht mit Georg Barber, wohnhaft Schumannstraße. Und hab dann auf einmal gedacht, ich hab ja den Namen von der Band noch, und hab' den dann ab da im Prinzip für alles genommen und mich hat es dann auch sehr beruhigt."
"Bilder waren immer"
Wie ein Punk sieht Georg Barber alias ATAK heute nicht mehr aus. Er hat kurze dunkle Haare, trägt Jeans und einen schwarzen Pullover. 1967 ist er in Frankfurt an der Oder geboren, der Vater war Kunstlehrer, die Mutter Textilzeichnerin:
"Also man hatte da schon so'n Umfeld. Und Bilder waren immer. Dadurch, dass in der DDR auch wenig Bilder existierten, ist man sofort auf schräge Bilder angesprochen. Und ich weiß auch, dass ich als Kind oder so als Halbpubertärer fasziniert war von Hieronymus Bosch oder Breughel. Das sind ja wie so große Panoramen, wo man auf einmal so viel entdecken kann. Und bei Bosch noch so 'ne seltsame Erotik, die da drin ist. Also das war schon, hat mich schon sehr geprägt."
Comics sind in der DDR Mangelware. Auch deshalb zeichnet Georg Barber schon als Kind eigene Comic-Geschichten:
"Also, wir hatten ja einige. Manchmal hat meine Oma rübergeschmuggelt, einen Asterix-Band oder Lucky Luke. Und dann ging der durch die ganze Straße und zum Schluss hat man den wiedergekriegt, dann war der total zerlesen gewesen. Und, es gab ja eine Comic-Serie in der DDR, die Mosaik-Serie mit den Digedags. Und wenn man krank war, dann hat man die gelesen und war auch wirklich in der Welt drin gewesen. Selbst heute noch, wenn ich im Bett liege, krank bin, dann les ich irgendwie Asterix wieder, Lucky Luke. Und man ist dann so versunken in diese Welt, und dann krank, dann ist alles noch so'n bisschen fiebrig. Das Visuelle hallt ja nach, ins Unterbewusstsein."
Lebensnotwendig wird die Comic-Kunst für Georg Barber, als er Anfang 1989 zur Armee muss:
"Diese Aggression, Armee ist ja, ich hab's gehasst. Man musste ja zu DDR-Zeiten hingehen, gab ja gar keine Möglichkeit, da zu entfliehen. Und dann hab ich im Prinzip so im Comic sehr harte Punk-Comics gemacht, einfach um mich abzureagieren, um die Aggressionen, die man da, die aufgebaut werden vom System, nicht an die anderen Soldaten abzugeben. Sondern hab im Prinzip das abgezeichnet. Das sind sehr schlimme, harte Comics. Aber ich dachte, ist nur Papier, ich schlag keinen, also, passiert da auf'm Papier, aber bin ich nicht."
Im Herbst 1989 kommt der Nationalen Volksarmee der Feind abhanden. Georg Barber wird bald nach der Wende entlassen. Er fängt an Kunst zu studieren an der Berliner Akademie der Künste, und er gibt mit befreundeten Fotografen, Dichtern und Zeichnern das Comic-Heft "Renate" heraus.
Die Geschichte der Wandertaube Martha
Auf dem grauen Laptop, der - zwischen vollgeklebten Kladden, Papierstapeln und Stiften - auf Georg Barbers Arbeitstisch steht, sucht er nach der ersten Ausgabe:
"Also hier kann man es auch noch mal sehen, da, das war auch das erste Cover. Man sieht auch, ganz schlecht gedruckt. Und det ganze Schwarz ist kein Schwarz, das ist alles nur grau. Ja, so ganz schön rockig. Heute kriegt man diese Anti-Ästhetik gar nicht mehr hin."
Auf dem Cover der ersten "Renate": eine düstere Skelettfrau, schwarze Knochen vor dunklem Hintergrund.
Georg Barbers elfjähriger Sohn kommt mit einem Schulfreund nach Hause.
"Hab dir was mitgebracht. Lass dich mal überhaupt erst ..., haben uns ja ne Weile nicht gesehen."
Comics macht Georg Barber heute keine mehr, mittlerweile gehört seine Liebe den Bilderbüchern. Zur Zeit malt und schreibt er an einem Kinderbuch über die letzte Wandertaube Martha, die vor 100 Jahren gestorben ist. Davor hat er eine eigene Erinnerung aufgezeichnet, an den Garten seiner Eltern, den Garten seiner Kindheit:
"Beim Comic ist es sehr, man geht von einem Bild zum nächsten Bild. Es geht sehr viel um einen Rhythmus von Zeit, um eine Lesbarkeit auch. Und beim Bilderbuch ist es vollkommen anders. Beim Bilderbuch hat man ne Bühne, wo man lange drauf kucken kann. Man kann umblättern. Es hat einen Raum, eine Tiefe."
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