Weltgeschichte des Mülls

Unser aller Abfall

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Junge afrikanische Männer verbrennen Elektroschrott auf einer Mülldeponie.
In seinem Buch "Müll: Eine schmutzige Geschichte der Menschheit" verfolgt der Historiker Roman Köster auch den Weg unseres Wohlstandsabfalls auf Deponien in Afrika. © picture alliance / photothek / Thomas Imo
Von Günther Wessel |
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Roman Köster erzählt eine spannende, gut lesbare Globalgeschichte des Mülls von der Vormoderne bis heute, von Knochenresten bis zu Plastikmüllstrudeln. Er zeigt auch, dass Recycling keine neue Idee ist, sondern etwa in der DDR große Bedeutung hatte.
Müll gab es zu allen Zeiten. Immer warfen Menschen weg, was sie als nutzlos empfanden: Werkzeuge, Essensreste, Fäkalien. Archäologen wühlen sich heute durch Müllberge. Mancher Wissenschaftler vermutet, dass frühzeitliche Menschen gelernt hätten, Exkremente und Nahrungsreste als Dünger zu nutzen. Vielleicht entstanden Hausgärten, weil man die Fäkalien direkt hinters Wohnhaus kippte.
Der 1975 geborene Historiker Roman Köster, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, stellt den Müll im Wandel der Zeiten in einem spannenden Sachbuch dar, nachdem er sich bereits über die deutsche Abfallwirtschaft nach 1945 habilitierte.

Wann beginnt die Müllgeschichte?

Spätestens mit dem Übergang zur Sesshaftigkeit entstand des Menschen Müllproblem. Größere Siedlungen organisierten früh die Müllentsorgung. Uruk im Zweistromland besaß ein Kanalsystem und die Maya legten Deponien für Abfälle an.
Müll war ein städtisches Problem. Schmutzige Gewerbe wie Schlachthäuser, Färbereien oder Gerbereien wurden an den Stadtrand verdrängt, obwohl in New York und London bis weit ins 19. Jahrhundert auch in der Innenstadt Schweine gehalten wurden.

Erzählt Köster eine Weltgeschichte des Mülls?

Er zitiert Abfallregelungen aus dem mittelalterlichen Rom und dem holländischen Dordrecht, aus Bologna, Paris oder Edinburgh. Auch im ecuadorianischen Guayaquil wurde es 1538 verboten, Abfälle auf die Straße zu werfen.
In Tokio bildete sich im 17. Jahrhundert ein ganzer Wirtschaftszweig heraus. Der war mit dem Sammeln und dem Transport von Fäkalien beschäftigt.

Wann begann man, Müll als Rohstoff zu nutzen?

Köster belegt, das Recycling keine neue Erfindung ist, sondern immer praktiziert wurde, wenn Rohmaterialien knapp und teuer waren, Arbeitskraft hingegen vergleichsweise billig. Eine Konstellation, die in der Vormoderne immer gegeben war, aber auch in den sozialistischen Staaten.
In der DDR wurden massenhaft Verpackungen, Glas und Metalle gesammelt. Allerdings gelang es nur bedingt, diese Sekundärrohstoffe in den Produktionskreislauf zurückzuführen.

Ist das Buch ein wissenschaftliches Werk?

Köster liefert eine wissenschaftliche Globalgeschichte des Mülls. Ein knappes Viertel des Buches nehmen Anmerkungen und Literaturverzeichnis ein. Doch bleibt sein Werk gut lesbar, da er anschaulich erzählt. Gekonnt jongliert Köster mit seinen Quellen und findet interessante Belege, auch anekdotische.
So berichtet er von einem Strandspaziergang, den Aldous Huxley und Thomas Mann 1938 unternahmen. Sie sahen jede Menge kleiner weißer Objekte am Strand. Es waren Millionen gebrauchter Kondome – in die Toilette geworfen, über die Kanalisation ins Meer gespült und dann wieder angeschwemmt. Vorboten der Plastikmüllstrudel, die heute das Meer verseuchen.

Wie lösen wir das Müllproblem?

Der weltweite tägliche Plastikmüll wiegt, schreibt Köster, so viel wie etwa 100 Eiffeltürme, etwa eine Million Tonnen. Aber wirklich belastbare Müllstatistiken sind nur schwer zu finden, da nicht einheitlich definiert ist, was Müll überhaupt ist.
Sicher ist: Es muss weniger werden. Das aber ist schwierig, denn Abfall ist die Kehrseite der arbeitsteiligen Massenproduktion. Die Müllmengen zu reduzieren, heiße auch, so Köster, das Leben unbequemer und teurer zu machen. Es könnte sich aber lohnen.

Roman Köster: "Müll. Eine schmutzige Geschichte der Menschheit"
München 2023, Verlag C.H.Beck
422 Seiten, 29 Euro

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