Buchmesse in Jerusalem

Jüdische Literatur für Kinder

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Jüdische Kinderbücher waren in Deutschland lange Mangelware. © picture alliance / dpa / Andreas Weihmayr
Von Lissy Kaufmann |
Literatur kann jüdischen Kindern dabei helfen, mehr über die Traditionen der eigenen Religion zu erfahren. So wie die Bücher der Autorin Marina Neubert, die ihr neues Werk "Bella und das Mädchen aus dem Shtetl" jetzt in Jerusalem vorgestellt hat.
Mit einem druckfrischen Exemplar ihres Buches in der Hand sitzt Autorin Marina Neubert an diesem Nachmittag in einem Café in der First Station, der umgebauten, ehemaligen Zugstation in Jerusalem. Es ist die erste Lesung, erst vor wenigen Stunden haben sie und die Verlegerin die Bücher aus der Druckerei geholt und zum ersten Mal in der Hand gehalten. Nun, während auf der Buchmesse in einer Halle nebenan internationale Werke präsentiert werden, liest die Autorin aus ihrem neuen Kinderbuch "Bella und das Mädchen aus dem Shtetl". Es ist ein jüdisches Buch, in dem die Protagonistin Bella auf Zeitreise geht und in der Heimat ihrer Großmutter landet, um einen Familienschatz zu retten – eine Purimkrone. Das Buch beginnt am Morgen von Bellas zehntem Geburtstag:
Lesung: "Doch schon bald drang ein warmer, süßlicher Duft aus der Küche in ihr Zimmer. Das sind die Rugelach, sagte sie laut und richtete sich rasch auf. Es waren tatsächlich Großmutters gerollte Schokoküchlein, die Bella über alles liebte. Und keiner konnte sie so gut machen wie die Großmutter. Sie kam jedes Jahr an Bellas Geburtstag zu Besuch, um für sie Rugelach zu backen. Jedes Mal gab sie eine Überraschung in den Teig und Bella versuchte jedes Mal zu erraten, was es war. Erst gestern aus Lemberg und jedes Jahr brachte sie aus der Ukraine ihre Wundertasche mit den ganzen Zutaten mit."
Lebensnah jüdische Traditionen beschreiben
Einige deutschsprachig aufwachsende Kinder in Israel sind zu der Lesung gekommen, außerdem hat sich eine Schulklasse aus Deutschland per Skype zugeschaltet. Marina Neubert hat versucht, in ihrem ersten Kinderbuch möglichst lebensnah jüdische Traditionen zu beschreiben. Sie selbst ist Jüdin und kam mit ihrer Familie in der Kindheit aus Russland nach Deutschland und ist zweisprachig aufgewachsen.
"Es ist eine Zeitreise, insofern ist es natürlich nicht autobiografisch. Aber die Atmosphäre, besonders im Drohobycz der 30er-Jahre, ist autobiografisch. Die Figuren, die Urgroßmutter, der Urgroßvater, die Gebrüder der Großmutter, sind natürlich biografische Figuren. Mütterlicherseits, meine Großmutter kam aus Drohobycz, und insofern ist es atmosphärisch autobiografisch."
Dass heute jüdische Kinderbücher wie "Bella und das Mädchen aus dem Shtetl" erscheinen, ist Myriam Halberstam zu verdanken. Die Filmemacherin und Autorin wollte etwas gegen den Mangel an deutschsprachiger jüdischer Kinderliteratur tun. So gründete sie vor fünf Jahren Ariella, den ersten jüdischen Kinderbuchverlag in Deutschland seit der Shoah:
"Es ist wichtig für die Identität, dass man Bücher liest, in denen Hauptfiguren vorkommen, mit denen man sich selbst identifizieren kann, das müssen natürlich jüdische Hauptfiguren sein. Das gibt es ganz selten. Es muss einfach wieder mehr aufgebaut werden in Deutschland, weil die jüdischen Gemeinden florieren, durch die Juden die eingewandert sind aus den ehemaligen GUS-Staaten. Und für die brauchen wir Bücher über die Religion, aber auch Bücher, die unsere Lebenswelt widerspiegeln, auch unsere Gedanken, Wünsche und Hoffnungen."
Parallelen zum eigenen Leben ziehen
Eine der jungen Zuhörerinnen, die an diesem Nachmittag gebannt den Worten der Autorin lauschen, ist die neunjährige Ronya. Sie ist in Berlin geboren, aber lebt mit ihrer Familie in Israel. Ihr Vater ist Israeli, ihre Mutter ist Deutsche mit türkischen Wurzeln. Einmal in der Woche, am Freitag, geht Ronya auf eine deutsche Schule in Jerusalem. Und so spielen Identität und Sprache in ihrem Leben eine Rolle, wie Mutter Bilhan Rechtman erklärt:
"Es ist mir ja immer wichtig, dass sie deutsche Bücher lesen und deutsche Filme sehen, also umgekehrt, dass sie das mitbekommen. Versuchen wir das zu verstärken."
Ronya:"Weil Hebräisch habe ich in der Schule so viel und ich rede fast immer Hebräisch. Daher muss ich mehr Deutsch sprechen."
Die Autorin Marina Neubert erzählt am Ende der Lesung, dass sie selbst die jüdische Kultur pflegt, koscher isst und am Schabbat ruht. Vor allem in der Diaspora sei es besonders wichtig: die jüdischen Feiertage, das Essen. Vor allem durch diese Tradition, so glaubt sie, wurde ihr Volk zusammengehalten.
Sich und seine Tradition in der Literatur wiederzufinden, Parallelen zum eigenen Leben ziehen zu können – vielleicht habe ihr das in der Jugend in Deutschland gefehlt, sagt sie. Nun, als Autorin, möchte sie ihren jungen Lesern ein paar Werte mit auf den Weg geben: Dass es gut ist, Traditionen zu pflegen, Freundschaften zu haben und zusammenzuhalten.
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