Mehr Debatten bitte!
Draußen fallen die Blätter von den Bäumen, drinnen Buchpakete auf den Schreibtisch. Was wie das Salz in der Suppe fehlt, ist ein Streit, der die Gemüter erhitzt. Immerhin sorgte Botho Strauß mit seiner These von den Deutschen als Minderheit im eigenen Land für Furor.
Golden ist der Bücherherbst. Draußen fallen die Blätter von den Bäumen, drinnen Buchpakete auf den Schreibtisch. Der Literaturbetrieb läuft rund, Sondersendungen sind geplant, Literaturbeilagen gedruckt, die Frankfurter Buchmesse kann kommen.
Nur eines fehlte: Eine Debatte. Wenigstens eine klitzekleine und unbedeutende. Hauptsache eine mit Erregungspotenzial, eine, in der man sich neuer Feinde und alter Freunde versichern kann. Gewiss, Rezensionen mit Verwerfungspotenzial gab es schon, Jürgen Kaube, Herausgeber der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", hat am Wochenende Axel Honneths Buch "Die Idee des Sozialismus" nach allen Regeln der Kunst zerlegt. Aber ein streitbarer Text macht eben noch keine Debatte.
In diesem Jahr hat Botho Strauß sie uns geschenkt. Sein "Spiegel"-Essay, in dem er sich zum letzten Deutschen stilisiert, um die deutsche Nationalliteratur bangt und gallig die Identitätsfrage stellt: "Was kann den Deutschen Besseres passieren, als in ihrem Land eine kräftige Minderheit zu werden?" - Botho Strauß, wir danken Ihnen! Dafür, dass Sie uns die Buchmesse als debattenfreie Zone erspart haben, dass wir jetzt doch jeden Tag wieder in die Feuilletons nach Erwiderungen schauen, dass Sie die Figur des Idioten, den Sie in Ihrem Buch "Lichter des Toren" als randständige Beobachtungsinstanz eingeführt haben, so trefflich zu füllen verstehen. "So nah und gedankenlos", heißt es in diesem Buch, "waren wir selten dem nackten Geschehen."