Fingerfood nur für Autoren!
Die Silbertabletts mit den Canapés gehören zur Buchpreisverleihung im Frankfurter Römer wie das warme Büfett danach. Gern werden sie von Journalisten geplündert. Doch diesmal kam es anders.
Gut möglich, dass ich es auch schon einmal getan habe. Es ist ja ein journalistischer Reflex: Wenn man einen Teller mit belegten Broten sieht, greift man zu. Die beiden Silbertabletts mit den Canapés, die jedes Jahr im holzvertäfelten Limpurgsaal im Frankfurter Römer während der Buchpreisverleihung auf einem Silbertablett angerichtet werden, waren darum meist schon kurz vor Beginn der Veranstaltung gründlich abgeräumt, aber egal, weiß man ja: Wenn der Gewinner endlich bekannt gegeben ist, wartet bekanntlich im Erdgeschoss des Rathauses noch ein warmes Buffet auf die Gäste.
Gurkenraspel, Roastbeef und schwarze Oliven
Ich kann Ihnen versichern: Das Büfett im Anschluss an die Preisverleihung war wieder ein voller Erfolg, auch Wein wurde getrunken, es war ein Fest. Nur die Canapés wurden in diesem Jahr verschmäht. Dabei sahen sie eigentlich gut aus. Üppig belegt, geteilte Kapern mit Eischnitzern auf Lachs, Pinienkerne und Gurkenraspel auf einem zart schmelzenden Rohmilchkäse, Roastbeef, schwarze Oliven und grob gemahlener Pfeffer, und das alles appetitlich in Dreierreihen angerichtet, die dann auch mehrfach von Kollegen und Kolleginnen abgeschritten und begutachtet wurden.
Doch niemand griff zu. Was war passiert? Sollte den im Frankfurter Römer versammelten Literaturberichterstattern – eigentlich die härtesten aller harten Kulturjournalisten – Jenny Erpenbecks Flüchtlingsroman "Gehen, ging, gegangen" so sehr ans Herz gegangen sein, dass sie plötzlich kollektiv Verzicht üben?
Autoren von der Shortlist essen nichts
Das Rätsel hat eine einfach Lösung: Die PR-Abteilung des Börsenvereins hatte in diesem Jahr neben den beiden Silbertabletts dezent ein Schild aufgestellt: "Catering für Autorinnen und Autoren der Shortlist". Ach, so? Genau: Der Börsenverein bestätigte auf Anfrage, dass die Canapés tatsächlich noch nie für Journalisten bestimmt waren, sondern seit je den Schriftstellerinnen und Schriftstellern vorbehalten sind, die im Limpurgsaal auf die Entscheidung der Jury warten.
Nur gab es bisher eben kein Schild. Und darum hatte das auch niemand verstanden.
Ich habe dann mal nachgezählt: Es waren in diesem Jahr 2 mal 18 Schnittchen, insgesamt also 36. Das macht 6 Canapés pro Person, was im Grunde genommen zu schaffen wäre, zumindest, wenn es sich bei den Personen um Menschen handelt, die was mit Medien machen. Doch Autorinnen und Autorinnen, die auf der Shortlist zum Deutschen Buchpreis stehen, essen natürlich nichts. Vor der Preisverleihung sind sie zu nervös. Und danach sind dann fünf von ihnen traurig. Und einer hat halt zu viel zu tun.
Nächstes Jahr dann bitte wieder die Journalisten füttern!
Kolja Mensing ist Literaturredakteur bei Deutschlandradio Kultur. Täglich berichten wir in den Buchmesse-Splittern aus Frankfurt. Zuletzt forderte Thorsten Jantschek: Mehr Debatten bitte!