Buchrezension - das Mahabharata
Menschengeschichte und Göttergeschichte begegnen sich auch im Mahabharata. Bislang gab es keine deutsche Übersetzung dieses Gründungsdokuments des Hinduismus, die wissenschaftlichen Standards genügte. Nun hat der Sanskrit-Forscher Georg von Simson eine neue Edition des Epos vorgelegt.
"Ich neige mich vor dem uranfänglichen Weltgeist ... , der Wahrheit, dem Brahman ... Vor dem alles umschließenden Schöpfer ... Visnu, dem Lehrmeister der ganzen Welt."
So beginnt der Sänger das "Maha Bharata", zu Deutsch: die "große Erzählung von den Bharatas", einem mythischen Volksstamm aus dem alten Indien. Für viele Inder steht ihr Name für das altindische Volk überhaupt, darum betrachten sie das "Mahabharata" als ihr nationales Epos.
Wie die Ilias handelt auch das Mahabharata von einem Krieg, in diesem Fall von einem Krieg zwischen Verwandten: den Pandavas und den Kauravas, zwei Herrscherfamilien mit einem gemeinsamen Stammvater namens Bharata.
Und wie in der Ilias greifen auch im Mahabharata die Götter in das Leben der Menschen ein, lassen sie als Stellvertreter ihre Fehden austragen und belehren sie über den Sinn des Lebens und des Sterbens.
Das Nationalepos der Inder füllt 19 Bände. Die vorliegende Edition, knapp 600 Seiten stark, gibt ganze fünf Prozent des Inhalts wieder. Dennoch bietet sie eine Fülle von Texten, die das Mahabharata als Gründungsurkunde des Hinduismus ausweisen, einer Form der Religiosität, die ab etwa 400 vor Christus im alten Indien entstand. Sie gründet auf die ältere, die vedische Tradition:
"Trotzdem wird deutlich, dass die Entwicklung weitergegangen ist - und die asketischen Bewegungen mit ihrer Propagierung meditativer Praktiken ihre Spuren hinterlassen haben."
So heißt es im Kommentarteil dieses Buches. Der Hinduismus nahm Anstoß am vedischen Kultus der Äußerlichkeiten, vor allem an den blutigen Opferfesten, und setzte auf neue Wege der Entdeckung des Göttlichen im Inneren des Menschen: auf Askese, auf Meditation, auf Selbsterfahrung und Selbsterziehung. Zehn unmoralische Verhaltensweisen, heißt es im Mahabharata, soll der Mensch aufgeben - drei des Handelns, vier des Redens und drei des Denkens:
"Die drei Sünden des Handelns, die er aufgeben soll, sind Töten, Stehlen und Verkehr mit der Frau eines anderen. Die vier Dinge, die er beim Reden unterlassen soll, sind nichtiges Geschwätz, Beleidigungen, Verleumdungen und Lügen. Beim Denken sind die drei Grundsätze, an die man sich halten soll: das Nichtbegehren von Dingen, die anderen gehören, eine freundliche Haltung gegenüber allen Lebewesen und der Glaube an die Vergeltung der Taten."
Diese ethischen Gebote sind nicht weit entfernt von jenen der hebräischen Bibel. Und genau wie die biblischen Geschichten erzählt auch das Mahabharata davon, wie Menschen diese Gebote in den Wind schlagen um ihrer egoistischen Ziele willen.
Die Folgen: Neid und Eifersucht, Lügen, Intrigen, Mord, Totschlag, Rachegelüste. - Es wird aber auch von Einsicht und Reue erzählt, von seelischem Wachstum, Gnade und Heilung. Trotz mancher trauriger und vieler grausamer Geschichten atmet dieses Epos doch eine tiefe Freude am Leben, schon wegen des Hindu-Glaubens an Wiedergeburt.
"So wie einer ein Gewand ablegt und Gefallen an einem anderen findet, so verhält es sich mit dem Leib verkörperter Wesen."
Mit diesen Worten tröstet der Seher Vidura den König der Kauravas. Der König hat gerade eine Schlacht gewonnen, dabei aber einen Sohn verloren. Tränen für die Toten, sagt Vidura, kennen nur die Toren, von den Weisen werden sie missbilligt.
Die vorliegende Ausgabe des Mahabharata ist die Erste in deutscher Sprache, die den Namen "wissenschaftlich" verdient. Als Übersetzungs-Vorlage hat von Simson die historisch-kritische Ausgabe des Epos gewählt, außerdem gibt es einen Kommentarteil, über 300 Seiten stark.
Die Form der Übersetzung ist ungewöhnlich. Dort, wo das Mahabharata Geschichten erzählt, gibt von Simson die Sanskrit-Verse in Prosa wieder, das erleichtert die Lesbarkeit. Bei den Dialogen aber hat er oft die ursprüngliche Versform beibehalten, und erweist sich dabei als ein talentierter Dichter. Umso bedauerlicher, dass man die Bhagavad Gita in diesem Buch vergeblich sucht, dieses berühmte Gespräch zwischen Krishna, dem Gott und Arjuna, dem Krieger.
Warum, erfährt man im Kommentarteil: Vor vier Jahren ist beim gleichen Verlag eine Einzel-Ausgabe der Bhagavad Gita erschienen, sodass von Simsons Auftraggeber meinten, man könne in der vorliegenden Edition auf diesen Text verzichten. - Für den Leser ist das ärgerlich, denn die Bhagavad Gita ist der wichtigste Text des Mahabharata für alle, die sich ein erstes und ein konzentriertes Bild machen wollen über den Hinduismus und seine Philosophie des Lebens und Sterbens.
Aber auch ohne die Bhagavad Gita ist Georg von Simons Edition des Mahabharata ein verdienstvolles und ein höchst lesenswertes Buch.
So beginnt der Sänger das "Maha Bharata", zu Deutsch: die "große Erzählung von den Bharatas", einem mythischen Volksstamm aus dem alten Indien. Für viele Inder steht ihr Name für das altindische Volk überhaupt, darum betrachten sie das "Mahabharata" als ihr nationales Epos.
Wie die Ilias handelt auch das Mahabharata von einem Krieg, in diesem Fall von einem Krieg zwischen Verwandten: den Pandavas und den Kauravas, zwei Herrscherfamilien mit einem gemeinsamen Stammvater namens Bharata.
Und wie in der Ilias greifen auch im Mahabharata die Götter in das Leben der Menschen ein, lassen sie als Stellvertreter ihre Fehden austragen und belehren sie über den Sinn des Lebens und des Sterbens.
Das Nationalepos der Inder füllt 19 Bände. Die vorliegende Edition, knapp 600 Seiten stark, gibt ganze fünf Prozent des Inhalts wieder. Dennoch bietet sie eine Fülle von Texten, die das Mahabharata als Gründungsurkunde des Hinduismus ausweisen, einer Form der Religiosität, die ab etwa 400 vor Christus im alten Indien entstand. Sie gründet auf die ältere, die vedische Tradition:
"Trotzdem wird deutlich, dass die Entwicklung weitergegangen ist - und die asketischen Bewegungen mit ihrer Propagierung meditativer Praktiken ihre Spuren hinterlassen haben."
So heißt es im Kommentarteil dieses Buches. Der Hinduismus nahm Anstoß am vedischen Kultus der Äußerlichkeiten, vor allem an den blutigen Opferfesten, und setzte auf neue Wege der Entdeckung des Göttlichen im Inneren des Menschen: auf Askese, auf Meditation, auf Selbsterfahrung und Selbsterziehung. Zehn unmoralische Verhaltensweisen, heißt es im Mahabharata, soll der Mensch aufgeben - drei des Handelns, vier des Redens und drei des Denkens:
"Die drei Sünden des Handelns, die er aufgeben soll, sind Töten, Stehlen und Verkehr mit der Frau eines anderen. Die vier Dinge, die er beim Reden unterlassen soll, sind nichtiges Geschwätz, Beleidigungen, Verleumdungen und Lügen. Beim Denken sind die drei Grundsätze, an die man sich halten soll: das Nichtbegehren von Dingen, die anderen gehören, eine freundliche Haltung gegenüber allen Lebewesen und der Glaube an die Vergeltung der Taten."
Diese ethischen Gebote sind nicht weit entfernt von jenen der hebräischen Bibel. Und genau wie die biblischen Geschichten erzählt auch das Mahabharata davon, wie Menschen diese Gebote in den Wind schlagen um ihrer egoistischen Ziele willen.
Die Folgen: Neid und Eifersucht, Lügen, Intrigen, Mord, Totschlag, Rachegelüste. - Es wird aber auch von Einsicht und Reue erzählt, von seelischem Wachstum, Gnade und Heilung. Trotz mancher trauriger und vieler grausamer Geschichten atmet dieses Epos doch eine tiefe Freude am Leben, schon wegen des Hindu-Glaubens an Wiedergeburt.
"So wie einer ein Gewand ablegt und Gefallen an einem anderen findet, so verhält es sich mit dem Leib verkörperter Wesen."
Mit diesen Worten tröstet der Seher Vidura den König der Kauravas. Der König hat gerade eine Schlacht gewonnen, dabei aber einen Sohn verloren. Tränen für die Toten, sagt Vidura, kennen nur die Toren, von den Weisen werden sie missbilligt.
Die vorliegende Ausgabe des Mahabharata ist die Erste in deutscher Sprache, die den Namen "wissenschaftlich" verdient. Als Übersetzungs-Vorlage hat von Simson die historisch-kritische Ausgabe des Epos gewählt, außerdem gibt es einen Kommentarteil, über 300 Seiten stark.
Die Form der Übersetzung ist ungewöhnlich. Dort, wo das Mahabharata Geschichten erzählt, gibt von Simson die Sanskrit-Verse in Prosa wieder, das erleichtert die Lesbarkeit. Bei den Dialogen aber hat er oft die ursprüngliche Versform beibehalten, und erweist sich dabei als ein talentierter Dichter. Umso bedauerlicher, dass man die Bhagavad Gita in diesem Buch vergeblich sucht, dieses berühmte Gespräch zwischen Krishna, dem Gott und Arjuna, dem Krieger.
Warum, erfährt man im Kommentarteil: Vor vier Jahren ist beim gleichen Verlag eine Einzel-Ausgabe der Bhagavad Gita erschienen, sodass von Simsons Auftraggeber meinten, man könne in der vorliegenden Edition auf diesen Text verzichten. - Für den Leser ist das ärgerlich, denn die Bhagavad Gita ist der wichtigste Text des Mahabharata für alle, die sich ein erstes und ein konzentriertes Bild machen wollen über den Hinduismus und seine Philosophie des Lebens und Sterbens.
Aber auch ohne die Bhagavad Gita ist Georg von Simons Edition des Mahabharata ein verdienstvolles und ein höchst lesenswertes Buch.