Wenn ein Theaterkritiker Elfriede Jelinek basht
Die Stücke von Elfriede Jelinek findet er blöd, sie seien schlicht. Und das ständige Handyklingeln im Theater geht ihm auch auf die Nerven. Theaterkritiker Jan Küveler hat "Theater hassen" geschrieben. Die Buchvorstellung in Berlin fiel genauso launisch aus, wie das Buch ist.
Lange Zeit sah es aus, als ob das Thema des Abends tatsächlich die Frage wäre:
"Ist Ersan da?"
Ersan Mondtag, ein vielversprechender Regisseur und eingeladen als einer von zwei Gästen bei Jan Küvelers Buchpremiere, hatte Verspätung mit dem Flug aus der Schweiz nach Berlin. Also vertrieben sich Buchvorsteller Küveler und sein zweiter Gast, der österreichische Drehbuchautor und Filmregisseur, der "Braunschlag"-Erfinder David Schalko, die Zeit auch mit Warten.
"Es wäre toll, wenn er da wäre, also ich weiß auch nicht. Ersan? Ersan ist noch nicht da? Ersan, bist Du da? Ersan, Ersan, Ersan?"
Was daran so toll wäre, wurde auch angedeutet.
"Wir haben ja alle schöne Brillen, aber Ersan hat die schönste Brille, wie sie hoffentlich gleich sehen werden."
"Ich bin so gespannt auf diese Brille…"
Man tut dem Feuilletonisten Küveler sicher nicht unrecht, wenn man ihm ein großes Interesse an solchen Äußerlichkeiten bescheinigt – sein 160 Seiten langer Buchtext macht die final entworfene Versöhnung mit dem Theater tatsächlich auch an der besagten Brille fest. Natürlich sind das popjournalistische Posen, aber das Traurige ist, dass diese Posen bei Küveler, der bei Springers Welt…
"…für alles und für das Theater zuständig ist"
...wie sein Verleger einführte, immer nur epigonal wirken, dass der sich selbst als Kritiker empfindende Journalist gar nicht mehr weiß, wogegen er sich mit seiner, wie man früher gesagt hätte, flotten Schreibe wendet. Sein inszenierter Hass aufs Theater zielt auf Klischees, wenn er etwa generisch am Wiener Burgtheater herummosert.
"Dann klingelt es wieder, die Pause ist wie immer zu kurz, zurück auf den unbequemen Sitz, wo Klingeln plötzlich verboten ist, und doch dauernd passiert, irgendein Handy geht immer los und je nach Lockerheit des Stücks quittieren die Schauspieler das mit einer spöttischen Bemerkung, die selbst schon wieder nervt, weil sie so vorhersagbar ist. Und überhaupt die Schauspieler, die sind aber Reihe 5 so weit weg, dass man ihre Gesichter nicht erkennt, sie reden zu leise und dann oft noch unverständliches Zeug und wenn man es versteht, ist es sterbenslangweilig."
"Dann klingelt es wieder, die Pause ist wie immer zu kurz, zurück auf den unbequemen Sitz, wo Klingeln plötzlich verboten ist, und doch dauernd passiert, irgendein Handy geht immer los und je nach Lockerheit des Stücks quittieren die Schauspieler das mit einer spöttischen Bemerkung, die selbst schon wieder nervt, weil sie so vorhersagbar ist. Und überhaupt die Schauspieler, die sind aber Reihe 5 so weit weg, dass man ihre Gesichter nicht erkennt, sie reden zu leise und dann oft noch unverständliches Zeug und wenn man es versteht, ist es sterbenslangweilig."
Impressionistisches Geschnösel eines wenig originellen Ichs
Mit Theaterkritik im emphatischen Sinne hat das impressionistische Geschnösel eines wenig originellen Ichs nichts zu tun. Es geht bei Küveler nicht um Diskurs und Ästhetik, sondern um Likes und Dislikes: Elfriede Jelinek findet er blöd, weil politisch schlicht, Frank Castorf dagegen toll. So...
"...verhehlen und vertuschen Jelinek und ihre Regisseure ihr L'art-pour-l'art- Unterfangen und versuchen, es als politisches Theater durchzumogeln. Es ist das Gegenteil. Nicht die Entscheidung für oder die Abwehr von Politik auf der Bühne ist fatal, sondern nur eine grundlegende Verlogenheit, ein heuchlerischer Etikettenschwindel. Die Volksbühne unter Castorf ist so ein großartiges Theater, sag ich nur, weil sie mich vor allem eingeladen heute, weil diese Erkenntnis jede Arbeit grundiert. In einem Interview sagt er, Zitat Castorf: ´Die Leute bezahlen, also haben sie ein Recht auf die Heuchelei, die sie wollen. Nein, das akzeptiere ich im KaDeWe, aber nicht in einem so hoch subventionierten Bereich wie dem Theater.` Zitat Ende."
Milo Rau schätzt Küveler auch, wobei sich die Begeisterung über dessen Dokumentartheaterstück "Hate Radio" schon dem Informationsgewinn über den Völkermord in Ruanda zu verdanken scheint – und nicht der Form:
"Die Moderatoren hatten einen Völkermord wie eine Werbekampagne vorbereitet, inmitten eines Programms aus Popmusik und Sportreportagen liefen politische Pamphlete und menschenverachtende Mordaufrufe. Diese Mischung aus damals aktuellen kongolesischen Hits und niederträchtigstem Rassismus war atemberaubend."
Milo Rau schätzt Küveler auch, wobei sich die Begeisterung über dessen Dokumentartheaterstück "Hate Radio" schon dem Informationsgewinn über den Völkermord in Ruanda zu verdanken scheint – und nicht der Form:
"Die Moderatoren hatten einen Völkermord wie eine Werbekampagne vorbereitet, inmitten eines Programms aus Popmusik und Sportreportagen liefen politische Pamphlete und menschenverachtende Mordaufrufe. Diese Mischung aus damals aktuellen kongolesischen Hits und niederträchtigstem Rassismus war atemberaubend."
So mäanderte die Buchpräsentation dahin.
"Und wenn Ersan doch noch auftaucht, ich will nicht sagen wider Erwarten, denn eigentlich erwarten wir ihn ja sehr, quatschen wir vielleicht doch noch ein bisschen."
Irgendwann tauchte Ersan dann auf, und wider Erwarten gewann das Geplauder an Schärfe. Nicht wegen der Brille…
"Aber es ist eine andere, als ich kenne, glaub ich, die ist größer, oder, kann das sein, Du hast doch noch eine andere Brille?"
Sondern weil David Schalko…
"Soll ich dich noch mal kurz vorstellen? ...David ist ein guter Freund von mir."
Seinerseits anfing, den Kritiker zu kritisieren:
"Ich fand die Passage über Elfriede Jelinek zynisch. Ich fand die Verführung übers Burgtheater so zu schreiben zynisch, ...das ist einfach, übers Burgtheater so zu schreiben."
Wogegen Küveler sich zu verteidigen versuchte:
"Zum Beispiel auch bei Jelinek äääääähm, sag ich ja, oder versuche ja zumindest zu sagen, was mir daran nicht mehr gefällt."
Irgendwann tauchte Ersan dann auf, und wider Erwarten gewann das Geplauder an Schärfe. Nicht wegen der Brille…
"Aber es ist eine andere, als ich kenne, glaub ich, die ist größer, oder, kann das sein, Du hast doch noch eine andere Brille?"
Sondern weil David Schalko…
"Soll ich dich noch mal kurz vorstellen? ...David ist ein guter Freund von mir."
Seinerseits anfing, den Kritiker zu kritisieren:
"Ich fand die Passage über Elfriede Jelinek zynisch. Ich fand die Verführung übers Burgtheater so zu schreiben zynisch, ...das ist einfach, übers Burgtheater so zu schreiben."
Wogegen Küveler sich zu verteidigen versuchte:
"Zum Beispiel auch bei Jelinek äääääähm, sag ich ja, oder versuche ja zumindest zu sagen, was mir daran nicht mehr gefällt."
Zuschauer auf der eigenen Buchpremiere
Was allerdings nicht verfing oder interessierte: Küveler wurde zum Zuschauer auf seiner eigenen Buchpremiere, als Mondtag und Schalko sich minutenlang äußerst angeregt unterhielten – und zwar ausgerechnet über die von Küveler so geschmähte Elfriede Jelinek.
"Es ist per se gut, das muss man nicht in Frage stellen. Was sie macht, ist Literatur."
"Es ist per se gut, das muss man nicht in Frage stellen. Was sie macht, ist Literatur."
"Überleg dir umgekehrt, wenn die Stimme von Elfriede Jelinek im Theater fehlen würde, was dem Theater fehlen würde."
So flogen dem hilflosen Buchvorsteller seine gefühlten Meinungen um die Ohren. Oder in den Worten von David Schalko:
"Das Thema des Abends sind ja nicht zwei Regisseure, die darüber reden, wie sie Kunst machen. Das Thema des Abends ist der Kritiker, der ein Buch geschrieben hat. Und das Thema des Abends ist ja eigentlich der Diskurs über das Theater. Du solltest mal was dazu sagen, finde ich."
So flogen dem hilflosen Buchvorsteller seine gefühlten Meinungen um die Ohren. Oder in den Worten von David Schalko:
"Das Thema des Abends sind ja nicht zwei Regisseure, die darüber reden, wie sie Kunst machen. Das Thema des Abends ist der Kritiker, der ein Buch geschrieben hat. Und das Thema des Abends ist ja eigentlich der Diskurs über das Theater. Du solltest mal was dazu sagen, finde ich."
Küveler: "Wozu meinst Du jetzt genau?"