Buddhismus als Popkultur

"Eigentlich nur noch eine Form der Selbstoptimierung"

Eine kleine goldfarbene Statue eines lachenden Mönches wird von einem Sonnenstrahl angeleuchtet.
Eine kleine goldene Statue eines lachenden Mönches wird von einem Sonnenstrahl angeleuchtet. © Bethan Abra/ Unsplash
Thomas Metzinger im Gespräch mit Marietta Schwarz |
Vom Gartenzwerg bis zur "Achtsamkeit" - von ihrem spirituellen Gehalt befreit haben buddhistische Elemente den Alltag erobert. Philosoph Thomas Metzinger findet das peinlich. Dennoch plädiert er dafür, Achtsamkeitstraining an Schulen einzuführen.
Buddha-Statuen in hippen Bars, Meditationskurse für Manager und Yoga für alle - buddhistische Motive sind Teil der Popkultur geworden.
"Eigentlich eine sehr peinliche Angelegenheit", findet der Philosoph und Bewusstseinsforscher Thomas Metzinger. "Man stelle sich jetzt mal vor, reiche Inder würden coole Schuppen machen und den gekreuzigten Christus da hinhängen oder sich Kruzifixe in den Garten stecken, weil sie das irgendwie cool finden." Die Deutschen beuteten andere Kulturen aus, ohne jedes tiefe Verständnis dafür, "was das eigentlich ist oder woher das kommt", kritisiert der Mainzer Professor für theoretische Philosophie.
Thomas Metzinger
Thomas Metzinger© Privat
Dass buddhistische Elemente heute Alltagsgut geworden sind, liegt auch daran, dass in den 1960er-Jahren Tausende ihr Heil in buddhistischen Zentren in Fernost gesucht hatten. Die Rückkehrer bildeten die erste Generation westlicher Meditationslehrer.
"Viele von denen suchen eine eigene, eine relativ säkulare Form von buddhistischer Praxis", so Metzinger. "Daraus ist zum Beispiel auch die moderne Achtsamkeitsbewegung entstanden, also mit völlig säkularen Programmen wie MBSR - Mindfulness-based stress reduction –, die einfach nur das Praxiswissen extrahiert aus der buddhistischen Lehre und es Westlern ohne irgendwelchen Glauben oder autoritäre Verhältnisse zur Verfügung stellt."

Effektivere Scharfschützen durch Achtsamkeitstraining

Allerdings bedeute das eine "unglaubliche Verwässerung" buddhistischer Positionen. Zum Beispiel der Grundidee, dass die Meditation selbst eine ethische, prosoziale Haltung darstelle. "Und was man jetzt in diesem extrem abgespeckten westlichen Versionen hat, sind Anwendungen beim Militär zum Beispiel – der achtsame Scharfschütze, der dadurch effektiver wird."
Wenn die Achtsamkeitsbewegung zum Teil der kapitalistischen Verwertungslogik wird, ist sie dem Mainzer Philosophen zufolge "eigentlich nur noch eine Form von Selbstoptimierung".

Mit Achtsamkeitspraktiken die geistige Autonomie schützen

Wenn er dennoch dafür plädiert, Achtsamkeitspraktiken an Schulen einzuführen, liegt das vor allem an seinen Erfahrungen als Hochschullehrer im Umgang mit jungen Menschen: "Seit etwa sechs Jahren macht das wirklich überhaupt keinen Spaß mehr, weil man jetzt die Folgen dieser medialen Überflutung sieht, die verkürzten Aufmerksamkeitsspannen, die Leseschwierigkeiten, die Probleme, mit denen Studenten zu kämpfen haben", sagt Metzinger. "Und das natürliche Gegenmittel gegen die Risiken ist natürlich genau das."
Deshalb müsse man eine neue Bewusstseinskultur entwickeln und Kindern auch Möglichkeiten an die Hand geben, ihre geistige Autonomie zu schützen. "Es gibt in Deutschland schon sehr viele Schulen, in denen so etwas angeboten wird", so der Bewusstseinsforscher. "Auch weil die Eltern es fordern."
(uko)
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