Buddhistische Business-Beratung
Buddhismus und Business, geht das zusammen? Der Unternehmensberater Jan von Bibra-Achenbach ist davon überzeugt - jedenfalls solange es nicht um reine Profitsteigerung geht. © imago / Westend61
Mit Achtsamkeit zum Erfolg
06:43 Minuten
Buddhismus und Wirtschaft – das klingt auf den ersten Blick wie ein Widerspruch. Dass das keineswegs so sein muss, zeigen Unternehmensberatungen, die mit buddhistischen Ansätzen arbeiten. Oder wird hier nur „achtsam“ Kasse gemacht?
Wer Buddhismus praktiziert, also sich in Achtsamkeit und Meditation übt, ist im Leben häufig nicht auf Geld und Leistung fokussiert. Wer Empathie mit allen Lebewesen kultiviert, denkt sich eher nicht in Konkurrenz zu anderen. Und wer versucht, sich von der Geschäftigkeit des Alltags zu lösen, wird am nächsten Tag wohl nicht die besten Geschäfte machen.
Mit diesen Widersprüchen sah sich der Unternehmensberater Jan von Bibra-Achenbach konfrontiert, als er anfing, sich für Zen-Buddhismus zu begeistern: „Nach einer Woche Kloster kam ich raus und dachte: Jan, was machste jetzt, machste jetzt einfach so weiter oder nicht?“
Analytisches Denken mit Buddhismus verbinden
Er probierte, die säkularen Aspekte aus dem Zen in seinen Berufsalltag zu integrieren, organisierte Achtsamkeitstrainings mit einem buddhistischen Lehrer für sich und die Kollegen aus der Chefetage. „Bei sich selbst sein, sich selbst beobachten, präsent sein, nicht werten, im Sinne von Selbstführung“, so beschreibt er die verschiedenen Übungen mit den Führungskräften.
Dann habe er aber gemerkt, dass das die beiden anderen Geschäftsführer der Firma nicht so interessiert. Denen sei es mehr um Projekte im klassischen Business-Sinn gegangen. Profit steigern und Umsatz machen, habe eher im Vordergrund gestanden. Daraufhin gründete er Coan, eine eigene Strategieberatung, die das analytische Denken, das er im BWL-Studium gelernt hatte, mit Ansätzen aus dem Buddhismus verbindet.
Vor der Beratung wird erst einmal meditiert
Ich treffe Jan von Bibra-Achenbach in seinem Büro in Berlin. Er macht einen Ingwertee und schlägt vor, erst einmal kurz zusammen zu meditieren. Wir sitzen aufrecht und atmen ruhig ein und aus, beobachten die Gedanken, die kommen, und probieren, sie vorbeiziehen zu lassen.
Danach erzählt er mir, dass er auch Treffen mit Kundinnen und Kunden manchmal so beginnen lässt: mit zwei Minuten Stillwerden. Oft wisse ein Kunde gar nicht, worauf er sich einlässt. Auf der Webseite von Coan ist nämlich nirgendwo das Wort Buddhismus zu lesen. Nur eine buddhistisch geschulte Leserin erkennt die Inspiration hinter den Leitprinzipien: Sinn, Verbundenheit und Klarheit, mit denen Coan wirbt. Damit zieht das Beratungs- und Coaching-Unternehmen alle möglichen Firmen an, darunter NGOs, aber auch Automobilhersteller und Versandhändler wie Zalando.
Will da jemand modisch Kasse machen?
Die Idee, mit buddhistischen Methoden profitorientierte Unternehmen zu fördern, sehen viele Buddhisten und Buddhistinnen kritisch. Auch an der Uni, innerhalb der Forschungsdisziplin der Buddhist Economics, gibt es Bedenken, erklärt Wolfgang Drechsler von der Uni Tallin in Estland. Er ist Politikwissenschaftler mit Schwerpunkt „nicht-westliche Verwaltung“ und Innovationspolitik.
„Ich glaube, dass viele der Vorbehalte, die ich im religiös-wissenschaftlichen Diskurs gegenüber der buddhistischen Unternehmensberatung sehe, daher kommen, dass man das Gefühl hat, da will jemand modisch Kasse machen. Dass es hier um eine Art Instrumentalisierung geht und nicht um die Sache selber,“ sagt Drechsler.
Gewinn nicht als Selbstzweck
„Die Sache selber“ – damit meint er die buddhistische Wirtschaftsethik, die sich nach immateriellen Werten wie Glück ausrichtet, und nicht nach Gewinn als Selbstzweck. Sie ist hervorgegangen aus einer Analyse buddhistisch verwalteter Staaten und stützt sich auf die Philosophie der buddhistischen Schriften.
„Gewinn an sich ist nicht verwerflich in der buddhistischen Ökonomie und auch in der buddhistischen Lehre nicht. Aber das reine Gewinnstreben ohne nach rechts und links zu schauen und zu überlegen, warum ich das eigentlich will, das ist ganz sicher nichts Positives“, sagt Drechsler.
Das deckt sich auch nicht mit der Erfahrung von Jan von Bibra-Achenbach: „Mir ist seit zehn Jahren kein Kunde mehr begegnet, der gesagt hat: Ich will meinen Profit steigern.“ Was seine Kundinnen und Kunden beschäftige, sei beispielsweise die Kommunikation zwischen Führung und Team, Konflikte mit dem Partnerunternehmen, aber auch Zukunftsfragen im Hinblick auf Digitalisierung oder den Klimawandel.
Seit der Finanzkrise wird mehr infrage gestellt
Wolfgang Drechsler sieht einen Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Krisen und einem erstarkenden Interesse am Buddhismus in der westlichen Welt: „Sie haben immer zwei Sachen: Das Interesse an Alternativen, aber auch das große Versprechen des westlichen Narrativs, das dann anfängt, brüchig zu werden. Und wenn es brüchig wird, ist es auch nicht mehr so überzeugend.“
In diesem Zusammenhang sieht er eine große Bedeutung der globalen Finanzkrise. Seit 2008 könne er beobachten, wie „diese absolute Selbstsicherheit, dass der westliche globalisierte Hyperkapitalismus sämtliche Probleme der Welt lösen wird“, infrage gestellt werde und man dadurch offener werde für Alternativen. Und die könnten theoretisch auf allen Ebenen der Wirtschaft funktionieren, auch auf Unternehmensebene.
Mit Werbeagenturchefs ins Kloster
Für Jan von Bibra-Achenbach kann das heißen, auch mal mit den Chefs einer Werbeagentur für zwei Tage ins Kloster zu fahren. „Da haben wir viele Praxiselemente eingebaut, also auch wieder das Thema Stille, dass wir zum Beispiel still gegessen haben, auch Metta-Meditation eingebaut haben. Das heißt ja liebende Güte, so eine geführte Meditation, um auch für die Organisation liebevolle Güte einzuladen“, sagt er. Das sei auf große Resonanz gestoßen. Im weiteren Prozess seien Veränderungen spürbar gewesen, beispielsweise, wie die Teilnehmer mit ihrem Team interagiert hätten: „Viel inklusiver, mit viel stärkerer Verbundenheit“, erzählt Bibra-Achenbach.
Wie die Kundinnen und Kunden die Anregungen letztendlich umsetzen, liegt dann nicht mehr in den Händen der Berater. „Wir sind auch nicht missionarisch, wir glauben nicht, dass es eine Lösung für alles gibt,“ sagt Bibra-Achenbach.
Trotzdem hat er Wünsche für die Zukunft von Unternehmen. Zuallererst: Mehr Sinn, weniger Sinnlosigkeit. Auf der zwischenmenschlichen Ebene: Mehr Verbundenheit, also weniger Konkurrenz. Und auf individueller Ebene: Klarheit und Gelassenheit.