Liebe und Wut zulassen
Lachen oder Rasen vor Wut - Gefühle sind schneller als der Verstand und wie ein innerer Kompass. Der Ökonom Eyal Winter hat deshalb sein Buch auch "Kluge Gefühle" genannt. Die Psychiaterin Heidi Kastner schreibt in "Wut" ebenfalls über das Denken und Fühlen.
Lachen, weinen, lieben, wüten: Gefühle fungieren als Wegweiser durch den Dschungel des Lebens. Rascher als der Denkapparat helfen sie zu entscheiden, wie ein Mensch sinnvoll mit seiner Umwelt interagiert. "Kluge Gefühle" nennt Eyal Winter, Professor für Ökonomie und weltweit anerkannter Forscher für Entscheidungsfindung und Spieltheorie, darum auch sein neues Buch.
Vor dem Hintergrund der Evolutionstheorie erklärt er, warum es Unsinn ist, die kühle Ratio für eine bessere Stichwortgeberin zu halten. Situationen, in denen der Mensch um Entscheidungen ringt, haben fast immer sozialen Charakter und es wäre fatal, hier die Wünsche und Abneigungen seiner Mitmenschen nicht einzubeziehen. Dazu ist jedoch nur derjenige in der Lage, der einen lebendigen Draht zu den eigenen Gefühlen besitzt. Im Idealfall treten Instinkt und Ratio in einen intensiven Austausch. Nach Erkenntnissen der Hirnforschung ist der präfrontale Cortex dabei von großer Bedeutung.
Erkenntnisse aus der Spieltheorie
"Enttäuschung und Empörung", "Vertrauen und Großzügigkeit", "Sexualität und Liebe", "Optimismus und Pessimismus", "Rationalität und Emotionalität" – diese Stationen schreitet Eyal Winter ab und reichert sein Buch mit Erkenntnissen aus der Spieltheorie an. Hochinteressant erzählt er, wie in Spiel-Anordnungen, in denen Forscher ihre Probanden zum Beispiel auffordern, Geldbeträge fair zu teilen oder zum eigenen Vorteil einzustreichen, kulturelle Differenzen und Vorurteile sichtbar werden.
So zeigen sich jüdische Israelis in den Spielen generell wenig zum Teilen bereit, auch untereinander, während Palästinenser auch gegenüber Angehörigen anderer Kulturen meist sehr großzügig mit ihrem Spiel-Hab-und-Gut umgehen. Spielen sie in demselben Experiment, nehmen sie Verhalten der anderen Seite jedoch persönlich und fühlen sich als Jude oder als Palästinenser diskriminiert. Im Verlaufe des Buches werden allerdings auch die Grenzen der Spieltheorie augenfällig, vor allem wenn sie, wie bei Eyal Winter, als eine Art Sesam-Öffne-Dich herhalten muss, um von der Ökonomie über die Biologie bis hin zur Psychologie die gesamte Welt zu deuten. Das funktioniert aus vielen Gründen nicht, muss man am Ende der Lektüre konstatieren.
Schwierige Emotion werde zu Unrecht tabuisiert
Gehören auch Ärger und Aggression zu den klugen Gefühlen? Leidenschaftlich bejaht dies die österreichische Psychiaterin Heidi Kastner in ihrem neuen Buch mit dem schlicht-programmatischen Titel "Wut". Die schwierige Emotion werde zu Unrecht tabuisiert, beklagt die Autorin, die als Gerichtspsychiaterin täglich sieht, welche Folgen es hat, wenn Menschen ihre instinktive Gegenwehr zu lange unterdrücken. Wie Rumpelstilzchen explodieren sie schließlich in Affekttaten bis hin zu Tötungen; oft trifft es den Partner. In ihren philosophischen Ausführungen zum Thema kann die zur Weitschweifigkeit neigende Autorin leider nicht überzeugen; was sie aber von Gerichtsfällen und medizinischen Erkenntnissen erzählt, ist lesenswert und bestätigt, was auch Eyal Winter betont: Gefühle, auch die unangenehmen, stehen der Vernunft nicht entgegen. Sie gehören vielmehr zu ihren Facetten.
Eyal Winter: "Kluge Gefühle - Warum Angst, Wut und Liebe rationaler sind, als wir denken"
Aus dem Englischen von Harald Stadler
DuMont Verlag
288 Seiten, 19,99 Euro
Heidi Kastner: "Wut: Plädoyer für ein verpöntes Gefühl"
Verlag Kremayr & Scheriau
128 Seiten, 14,90 Euro
Eyal Winter: "Kluge Gefühle - Warum Angst, Wut und Liebe rationaler sind, als wir denken"
Aus dem Englischen von Harald Stadler
DuMont Verlag
288 Seiten, 19,99 Euro
Heidi Kastner: "Wut: Plädoyer für ein verpöntes Gefühl"
Verlag Kremayr & Scheriau
128 Seiten, 14,90 Euro