Atif R. Mian / Amir Sufi: "Das Schuldenhaus. Die globale Finanzkrise – warum der Konsument das Problem ist und nicht die Banken"
Aus dem Englischen von Karsten Petersen
Orell Füssli Verlag Zürich, 2015
256 Seiten, 22,95 Euro
Vom Haben und Wollen
Kurzsichtigkeit vor dem Desaster und Gedächtnisverlust danach: Seit Jahrtausenden vernichten wir unseren Wohlstand nach dem gleichen Muster, glaubt Bob Swarup und bietet eine Lösung an. Sein Buch "Geld, Gier und Zerstörung" ist eines der Bücher in unserer Kurzkritiken.
Die Schuldner, nicht die Banken, hätten gerettet werden müssen. Zwar benötigten Geldinstitute im Konjunkturabsturz reichlich Liquidität der Notenbank, eine staatliche Hilfe also, die später wieder zurückzuzahlen sei. Für Verluste aus Kreditgeschäften jedoch sollten Anteilseigner und Gläubiger aufkommen.
Flexible Kreditverträge gegen die Rezession
Und das Risiko der Verluste hätten sie sich mit den Kreditnehmern zu teilen, meinen Atif Mian und Amir Sufi. Die beiden amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler aus Princeton und Chicago haben sich noch einmal genau angeschaut, wie es zur großen amerikanischen Rezession zwischen 2007 und 2009 gekommen ist.
Sie wurde ausgelöst, als die Hypothekenblase platzte. Steigende Hauspreise hatten jahrelang eine aggressive Kreditvergabe zu täuschend günstigen Konditionen angeregt, auch an Haushalte, die eigentlich zu arm für ein Eigenheim waren.
Als Zinsen stiegen und Immobilienpreise fielen, verringerten die Schwächsten am Markt ihren Konsum und schickten damit Arbeitslosigkeit quer durchs Land. Jobverluste führten ihrerseits zu Zahlungsunfähigkeit und Zwangsversteigerungen verdarben aufs Neue die Häuserpreise. Ein Sog der Verluste erfasste immer mehr Haushalte und befeuerte die Rezession – mit all ihren brutalen sozialen Folgen.
Dies ließe sich verhindern, meinen die beiden Ökonomen, wären Kreditverträge flexibel konstruiert. Sie sollten für den Krisenfall einen automatischen Schuldenerlass vorsehen, dafür könnten sie dem Gläubiger im Boom einen Bonus oder höhere Zinsen bieten.
Ob gestern den amerikanischen Häuslebauer oder heute den griechischen Arbeitslosen, dem Konsumenten sollte in der Not geholfen werden.
Retten uns die Reichen? Nein, antwortet Zygmunt Bauman. Denn je mehr ihr Vermögen weltweit wachse, desto tiefer werde die soziale Kluft. Zwar nehme die Ungleichheit zwischen Nationen durchaus ab, aber dafür vertiefe sich die gesellschaftliche Spaltung innerhalb der Länder. Nur wenig komme vom Wohlstand unten bei den Armen an.
Der Befund ist nicht neu. Den polnisch-englischen Soziologen interessiert deswegen, warum ihn eine Mehrheit klaglos hinnimmt, warum Menschen ein derart ungerechtes Wirtschaftssystem selbst dann noch rechtfertigen, wenn sie sich selbst als Verlierer empfinden.
Konvivialität statt Konkurrenz
Das liege daran, dass sie Ungerechtigkeit nur reklamieren würden, soweit sie etwas erlebten, was vom Gewohnten abweiche. Das Gewohnte aber würden sie nicht hinterfragen, auch wenn schon dies nicht gerecht sei. Dass Unterschiede in Erfolg und Können, dass sozialer Status, dass irgendetwas Politisches naturgegeben sei, hält Bauman für ideologische Täuschung.
Er kritisiert einen völlig überzogenen Individualismus, der das heutige Wirtschaften befeuere, auf Konkurrenz und Rivalität setze, die eigene Wertsteigerung entlang der Abwertung des Nachbarn messe. Die Alternative wäre Konvivialität, ein konsequent gelebtes Miteinander, das zwar vielfach gewünscht, aber noch selten unterstützt werde.
Zygmunt Bauman: Retten uns die Reichen?
Aus dem Englischen von Antje Korsmeier
Herder Verlag Freiburg, 2015
128 Seiten, 14,00 Euro
Bob Swarup bietet Verhaltensökonomie aus Sicht eines Praktikers. Denn der Londoner Journalist war auch mal Fondsmanager. Er versucht es gar nicht, sich ein besseres Finanzsystem oder eine andere Marktwirtschaft zu wünschen. Nein, für ihn gehören Krisen zu jedwedem System, zumal in einer komplexen Welt.
Sich gegenseitig hochschaukeln, um gemeinsam abzustürzen
Ärgerlich findet er das wiederkehrende Muster: Kurzsichtigkeit vor dem Desaster und Gedächtnisverlust danach. Dagegen helfe Wirtschaftsgeschichte. Er selbst zeichnet an unzähligen Beispielen vom Römischen Reich bis zur Weltwirtschaftskrise der 30er-Jahre nach, wie sich Märkte, Politik und Gesellschaft gegenseitig hochschaukeln, um gemeinsam abzustürzen.
Menschen, Schulden und Strukturschwächen seien drei Merkmale, an denen sich die Ursachen herleiten ließen, dass dem Aufschwung die Übertreibung und schließlich der Absturz unter bösem Erwachen folgten.
Menschen handelten grundsätzlich nicht rational. Sie ließen sich beeinflussen, seien in der Vergangenheit verfangen und anfällig, immer wieder dem Herdentrieb zu verfallen. Und ebenso wenig seien freie Märkte wirklich frei, sondern stünden vielfältig unter Einfluss. Selbst Fundmentaldaten eigneten sich nicht als Anker solider Entscheidung, da sich erst nachträglich erweise, ob sie als solche nur eingebildet waren.
Bob Swarup: "Geld, Gier und Zerstörung. Wie wir seit Jahrhunderten immer wieder unseren Wohlstand vernichten"
Aus dem Englischen von Jürgen Neubauer
Quadriga Verlag Köln, 2015
400 Seiten, 22,00 Euro