Klaus Rüdiger Mai: "Leonardos Geheimnis"
Die Biografie eines Universalgenies
Evangelische Verlagsanstalt, 400 Seiten, 25 Euro
Bernd Roeck: "Leonardo"
Der Mann, der alles wissen wollte
C.H. Beck, 430 Seiten, 28 Euro
Kia Vahland: "Leonardo da Vinci und die Frauen"
Eine Künstlerbiografie
Insel Verlag, 348 Seiten, 26 Euro
Der rätselhafte Titan
35:23 Minuten
War der Schöpfer der Mona Lisa einer der bedeutendsten Maler der Geschichte oder ist seine Bedeutung als Wissenschaftler höher zu bewerten? Drei neue Biografien versuchen Leonardo da Vinci nahe zu kommen.
Vor 500 Jahren starb Leonardo da Vinci. Drei neue Biografien beschäftigen sich mit der Frage, wer das "Universalgenie" gewesen ist und wie sich dessen Arbeit bewerten lässt. Die Kunsthistorikerin Kia Vahland, der Historiker Bernd Roeck und der historische Publizist Klaus Rüdiger Mai widmen sich der italienischen Berühmtheit der Renaissance.
"Er ist der erste wirkliche Star, den die Kunstgeschichte kennt", sagt Bernd Roeck. "Vom Dreigestirn Leonardo, Michelangelo, Raffael ist er der Erste, der die Welt des Handwerks bei weitem übersteigt und es zu einem ganz neuen Status bringt." Dabei war ihm durchaus der eigene Nachruhm wichtig, betont Klaus Rüdiger Mai. Überliefert ist der selbstbewusste Satz Leonardos: "Jemand wie ich wird sehr selten wiedergeboren."
Doch erwirbt man sich den größten Ruhm, indem man die Mächtigen der Zeit porträtiert? Nein, denn die geraten schnell in Vergessenheit, könnte er gedacht haben: "Die Nachwelt wird ihn messen am Bildnis einer schönen Frau", meint Kia Vahland, das entsprach auch der Tradition seit der Antike.
Im Gegensatz zu den beiden männlichen Biografen sticht Vahland ins Auge, dass Leonardo fast ausschließlich Frauen gemalt hat. "Wo sind die erwachsenen Christusfiguren, wo sind die Herrscherporträts?", fragt die Kunsthistorikerin.
Erste "psychologische Porträts"
Es gibt sie nicht, stattdessen aber revolutionär neue Frauenbilder. Leonardo schuf das erste "psychologische Porträt" der italienischen Kunstgeschichte, auf dem die porträtierte Ginevra de' Benci dem Betrachter offen ins Gesicht blickt. Zuvor waren Frauen nur im "keuschen Profil" gezeigt worden.
Malen war für Leonardo geistige Arbeit, nicht mehr nur Handwerk, erklärt Bernd Roeck. Deswegen gibt es aus der langen Schaffenszeit so wenige Bilder. Obwohl "die Leute ihn geradezu jagten", so Klaus Rüdiger Mai, nahm er nur sehr wenige Aufträge an und brauchte Jahre für ein Gemälde.
Andere Interessen, namentlich die Erforschung der Welt, waren eben auch zeitaufwendig. Erdgeschichte interessierte ihn so sehr wie die menschliche Anatomie. Er entwarf Kriegsmaschinen und erfand das Kugellager, doch "auch gegenüber dem Krieg hatte er eine große Sensibilität und nichts Triumphales", betont Kia Vahland. Was machte diesen Mann so kreativ?
Andere Interessen, namentlich die Erforschung der Welt, waren eben auch zeitaufwendig. Erdgeschichte interessierte ihn so sehr wie die menschliche Anatomie. Er entwarf Kriegsmaschinen und erfand das Kugellager, doch "auch gegenüber dem Krieg hatte er eine große Sensibilität und nichts Triumphales", betont Kia Vahland. Was machte diesen Mann so kreativ?
Er führte einen Künstlerhaushalt mit Männern
Eine Spur geht seit Sigmund Freud in Richtung Homosexualität. Dass aus deren Unterdrückung, wie Freud einst analysierte, eine kompensatorische Kreativität entstanden sei, "ist blühender Unsinn", findet Bernd Roeck. Denn Leonardo hat - trotz mancher Bedrohungen - seine Homosexualität weitgehend offen ausgelebt. Er führte einen Künstlerhaushalt mit lauter Männern. Daher sortiert Bernd Roeck den Leonardo-Aufsatz von Sigmund Freud ins weite Feld des "Nonsense-Leonardismus".
"Küchenpsychologisch" würde man dem Universalgenie heute wohl "eine Form von ADHS" unterstellen, meint Roeck. Vieles brachte er auf den Weg, das meiste blieb aber nur Skizze, Notiz, Fragment. Oft ist er an seinem Perfektionismus gescheitert. Doch als Projektemacher überzeugte er bereits als junger Mann Auftraggeber von schier unmöglichen Vorhaben, die dann prompt scheiterten, wie etwa ein sieben Meter hohes Reiterstandbild.
Das Bild des technischen Universalgenies sei jung und stamme aus dem italienischen Faschismus, sagt Kia Vahland: "Für Mussolini war Leonardo der faschistische Mustermann, der virile Techniker, der sich mit seinen Kriegsmaschinen die Welt untertan macht, da hatten die Frauen keinen Platz." Der Kunsthistorikerin aber sind die Frauen wichtig - und damit Leonardo als ihr Emanzipationshelfer: "Leonardo da Vinci hat so viel für die Sichtbarkeit von Frauen getan wie kein anderer Maler", heißt es im Buch.
Das Bild des technischen Universalgenies sei jung und stamme aus dem italienischen Faschismus, sagt Kia Vahland: "Für Mussolini war Leonardo der faschistische Mustermann, der virile Techniker, der sich mit seinen Kriegsmaschinen die Welt untertan macht, da hatten die Frauen keinen Platz." Der Kunsthistorikerin aber sind die Frauen wichtig - und damit Leonardo als ihr Emanzipationshelfer: "Leonardo da Vinci hat so viel für die Sichtbarkeit von Frauen getan wie kein anderer Maler", heißt es im Buch.
In ihrer Geschlechtlichkeit flirrende Bilder
So eindeutig findet das Klaus Rüdiger Mai nicht. Er hält Androgynität für einen hervorstechenden Wesenszug von Leonardos Bildern. Ob Johannes der Täufer oder die Mona Lisa, in ihrer Geschlechtlichkeit flirrende Bilder seien typisch für den anderen Blick Leonardos.
War der "Hofkünstler" ein Opportunist? Zeit seines Lebens kam er mit allen wechselnden, teilweise blutigen Regimen der Renaissance gut aus. "Er macht es nie den Auftraggebern recht, er hasst es, wenn sie sich einmischen", verteidigt ihn Kia Vahland, ein Opportunist würde sich nie so verhalten. Und Bernd Roeck ergänzt, Leonardo sei vielleicht nicht wichtig genug gewesen, "um sich politisch positionieren zu müssen".
Für alle drei Autoren bleibt Leonardo letztlich ein rätselhafter Titan, den man nie ganz erfassen könne. Insgesamt gelte, sagt Bernd Roeck, beim 500. Todestag wie auch die Jahrhunderte zuvor: "Je mehr Biografen es gibt, desto mehr Leonardos gibt es. Und Leonardo hatte viele Biografen."
War der "Hofkünstler" ein Opportunist? Zeit seines Lebens kam er mit allen wechselnden, teilweise blutigen Regimen der Renaissance gut aus. "Er macht es nie den Auftraggebern recht, er hasst es, wenn sie sich einmischen", verteidigt ihn Kia Vahland, ein Opportunist würde sich nie so verhalten. Und Bernd Roeck ergänzt, Leonardo sei vielleicht nicht wichtig genug gewesen, "um sich politisch positionieren zu müssen".
Für alle drei Autoren bleibt Leonardo letztlich ein rätselhafter Titan, den man nie ganz erfassen könne. Insgesamt gelte, sagt Bernd Roeck, beim 500. Todestag wie auch die Jahrhunderte zuvor: "Je mehr Biografen es gibt, desto mehr Leonardos gibt es. Und Leonardo hatte viele Biografen."