Bücher von Starköchen

Köche, bleibt in der Küche!

Der Koch Tim Mälzer präsentiert am 18.10.2016 in Hamburg in seinem Restaurant "Die Gute Botschaft" sein neues Buch "Die Küche".
Der Koch Tim Mälzer präsentiert am 18.10.2016 in Hamburg in seinem Restaurant "Die Gute Botschaft" sein neues Buch "Die Küche". © dpa / picture alliance / Axel Heimken
Von Uwe Bork · 25.01.2017
Statt den Dichtern und Denkern weiterhin einen intellektuellen Ehrenplatz einzuräumen, verherrlichen die Deutschen die Brutzler und Brater. Deren Bücher füllen längst ganze Regale − doch die Belehrung durch Küchenpersonal hat der Journalist Uwe Bork jetzt satt.
Als ich mir in der letzten Woche eine neue Teekanne kaufen wollte und beim Haushaltswarenhändler meines Vertrauens in den Regalen stöberte, hatte ich plötzlich das Gefühl, beobachtet zu werden. Ich drehte mich um − und richtig, da stand er: Starkoch Steffen Henssler.
Natürlich nicht in persona, aber immerhin in Fast-Lebensgröße und in stabiler Papp-Ausfertigung. "Wer in der Küche Vollgas geben will, braucht Top-Geräte!" raunte er mir zu. Und ich konnte ihm nur Recht geben. Zusätzlich zur neuen Kanne erstand ich deshalb noch Sharky, das schwimmende Tee-Ei mit Haiflossen-Optik.

Erst kommt das Fressen

Ich liebe es einfach, gute Ratschläge zu bekommen. Und wer sollte dafür besser geeignet sein als erklärte Experten ihres Metiers? Sie haben meist multimedial bereits zur Genüge bewiesen, dass ich mich auf ihr Fachwissen verlassen kann. Ich bin deshalb auch gar nicht böse, dass ich ein Geschäft weiter – beim Buchhändler meines Vertrauens – erst einmal ausladende Tische voller Kochbücher umrunden muss, um an die Regale mit den Romanen zu kommen. "Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral" wusste schließlich schon Bertolt Brecht, auch wenn er sich damit nicht vorrangig auf die Verkaufsstrategien des deutschen Bucheinzelhandels bezogen haben dürfte.

Ich kann damit leben, wenn mir ein Küchenmeister Weinempfehlungen gibt: Vom Geschmack auf und hinter dem Gaumen versteht er schließlich etwas. Und selbst wenn ein frankophiler Maître wie Vincent Klink offeriert, mich durch Paris zu führen, lasse ich mich von ihm gern an die Hand nehmen: Dieser Mann gilt schließlich als ausgewiesener Connaisseur.

Belehrung durch Küchenpersonal

Langsam wird es mir dann aber doch ein wenig viel. Spätestens als ich von Zwirbelbart Horst Lichter erfahre, dass er "keine Zeit für Arschlöcher" mehr habe und er mir mitteilen will, "warum es so wichtig ist, sein Leben in die Hand zu nehmen", werde ich der Belehrung durch mehr oder minder prominentes Küchenpersonal überdrüssig.
Was, so frage ich mich, ist nur mit diesem Land los, dass es anscheinend jedem Wink mit dem Kochlöffel folgt? Statt den Dichtern und Denkern weiterhin einen intellektuellen Ehrenplatz einzuräumen, verherrlicht es jetzt eher die Brutzler und Brater. Ihnen scheint es alles zuzutrauen. Ihnen weist es die Rolle zu, die in anderen Kulturen allenfalls altersweise Schamanen ausfüllen.

Wer das Sagen hat

Wer sich als echter Multitasker kommunikativ durch eine Kochshow plaudern kann und dabei auch noch sekundengenau ein Steak auf den Teller bekommt, der könnte doch auch für anderes, – noch – größeres qualifiziert sein. Das vermuten offensichtlich viele der Fans von Lafer und Lichter, Mälzer und Müller, Rach und Rosin, um nur einige der derzeitigen Star- und Sterneköche zu nennen. Und vielleicht haben sie ja sogar Recht, denn anderswo wurde schließlich – nun, nicht gerade ein Koch, aber doch immerhin ein politisch unbedarfter Immobilienmagnat zum Präsidenten gewählt. Einen ehemaligen Schauspieler hatten sie dort schon.
Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Ich schätze die Kochkunst, und ich schätze die Menschen, die sie pflegen. Sie verstehen es, in oft mehrstündigen Seancen anspruchsvollste Gerichte zuzubereiten, deren Namen ich mir noch nicht einmal merken kann. Doch wenn wir plötzlich zu erwarten scheinen, jede Position in unserer Gesellschaft sei ohne Verzug und Anlaufzeit auch von jeder Person auszufüllen, halte ich das für naiv oder wahlweise für eine anti-intellektuelle Kampfansage.
Umweltkatastrophen, Terror, Verelendung ganzer Völker: Unsere Wirklichkeit ist mittlerweile zu komplex, um sie von Amateuren bewältigen zu lassen. Wohin das führen kann, sehen wir gerade jenseits des Atlantiks.

Uwe Bork, Jahrgang 1951, studierte Sozialwissenschaften und war bis Ende 2016 Leiter der Fernsehredaktion 'Religion, Kirche und Gesellschaft' des Südwestrundfunks in Stuttgart. Er lebt als freier Journalist und Autor in Esslingen.


Uwe Bork, geboren 1951, ist seit 1998 Leiter der Fernsehredaktion 'Religion, Kirche und Gesellschaft' des Südwestrundfunks in Stuttgart. Für seine Arbeiten wurde er unter anderem mit dem Caritas-Journalistenpreis sowie zweimal mit dem Deutschen Journalistenpreis Entwicklungspolitik ausgezeichnet. Außer seinen Filmen hat Uwe Bork auch mehrere Bücher veröffentlicht. In ihnen setzt er sich humorvoll-ironisch mit dem Alltag in deutschen Familien auseinander ("Väter, Söhne und andere Irre"; "Endlich Platz im Nest: Wenn Eltern flügge werden") oder räumt ebenso sachlich wie locker mit Urteilen und Vorurteilen über Religion auf ("Wer soll das alles glauben? Und andere schlaue Fragen an die Bibel"; "Die Christen: Expedition zu einem unbekannten Volk").
© Deutschlandradio
Mehr zum Thema