Dieser großartige Roman beginnt am Tag von Melodys großer Feier. Die 16-Jährige ist auf dem Sprung ins College. Sie trägt ein Kleid, das eigentlich schon ihre Mutter zu diesem Anlass hätte tragen sollen. Aber Iris war damals schwanger. Schwanger mit Melody. Von hier setzt sich die Geschichte wie ein Puzzle zusammen. Jede Erinnerung ist ein neues Teilchen. Die von Melody, die sich immer nach der Mutter sehnte. Die von Iris, die aus der frühen Mutterschaft floh und das Kind samt Exfreund und Kindsvater bei ihren Eltern zurückließ. Dazu die Erinnerungen der Großeltern und die von Aubrey, Melodys Vater. Jede und jeder mit eigener Sicht, eigenen Gefühlen, Sehnsüchten, Hoffnungen und Ängsten – und Liebe. 

Jacqueline Woodson kann grandios erzählen, ihre Romane haben ihren eigenen Sound, haben was von Musik: schnell, aufwallend und immer emotional. Kurze und lange Texte wechseln sich ab, dazwischen oft nur wenige Sätze lange Dialoge. Kursiv gedruckt, in Slang. Hineingeworfen und doch präzise komponiert.

Kalt lässt einen hier nichts. Und wie es der Afroamerikanerin gelingt, die Vielstimmigkeit ihrer Protagonisten dann doch zu einer stringenten Erzählung zu bündeln, das ist große Kunst. Ein bebender Familienkosmos tut sich hier auf, einer, der aber immer auch geprägt ist von Rassismus und Angst vor dem Ausgestoßen-Sein. Es ist, wie Woodson schreibt, auch "eine Geschichte von Feuer und Asche und Verlust." 

Ich schenke "Alles glänzt" von Jacqueline Woodson meinem Sohn. Er liebt amerikanischen RAP, interessiert sich für Geschichte und Politik. Und da ist dieses Buch genau richtig - mit seinem speziellen Sound und mit seinen tiefen Innenansichten über das Leben der Afroamerikaner. Ich schenke ihm "Alles glänzt" aber auch, weil es ein Buch ist über die Liebe in all ihren Facetten. Und er bekommt es, damit er weiß: Meine Liebe für ihn ist immer da, hört nie auf, ist zärtlich, warm und glänzend. Frohe Weihnachten, mein Sohn!