Bücher zum Verschenken

Olivia Wenzel empfiehlt "Girl, Woman, Other" von Bernadine Evaristo

02:05 Minuten
Cover des Buchs "Girl, Woman, Other" von Bernadine Evaristo.
Sharon Dodua Otoo soll das Buch bekommen - hat es aber schon gelesen. Nun wäre es am Besten, wenn es einfach jemand findet. © Penguin Verlag / Deutschlandradio
Von Olivia Wenzel |
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Olivia Wenzel möchte "Girl, Woman, Other" verschenken. Besser noch: Jemand soll das Buch einfach finden. Und dann baff sein - angesichts der vielen Geschichten über schwarze Frauen. Warmherzig und witzig wird von ihnen erzählt.
Wenn ich ein Buch verschenken würde, dann wäre es im Moment das Buch "Girl, Woman, Other" von Bernadine Evaristo, und zwar an Sharon Dodua Otoo.
Sharon und ich waren vor Kurzem auf einem Podium, zusammen mit anderen tollen Menschen, und haben über Rassismus gesprochen, irgendwann auch den deutschen Literaturbetrieb und die Frage, wie viele schwarze, deutschsprachige Autor*innen, die im Mainstream tätig sind, es eigentlich gibt. Zwei Hände haben gereicht, um sie aufzuzählen. In diesem Rahmen habe ich Sharon gegenüber auch von "Girl, Woman, Other" vorgeschwärmt.

Ein ellenlanges Gedicht

Das Buch begeistert mich auf mehreren Ebenen: Es hat eine Sprache, die ich so noch nicht gelesen habe - es ist lyrisch, rhythmisch, im Grunde ein ellenlanges Gedicht, ohne trocken zu sein. Es ist dadurch anspruchsvoll und gleichzeitig sehr leicht zugänglich. Es zieht mich rein und ich begegne darin vielen Charakteren, die ich sehr gut leiden kann.
Jedes Kapitel des Buchs beschreibt eine Biografie einer schwarzen Frau in Großbritannien. Diese Biografien, diese Leben, sind in unterschiedlichen Zeiten angesiedelt und manchmal auch miteinander verknüpft.
Es gibt in jedem Kapitel Überschneidungen, sodass ich nach der achten Figur immer noch weiterlese, weil ich weiß, dass andere vielleicht wieder auftauchen, wodurch sich im Nachgang zu einer Geschichte oft ein schräger Aha-Effekt einstellt.

Leichtigkeit trotz schwerer Themen

Was mir neben der Sprache und dieser Erzählstruktur besonders gefällt, ist der Blick auf die Figuren: Es wird warmherzig erzählt, schlagfertig, witzig und trotzdem verletzlich. Ich komme diesen Figuren sehr schnell sehr nahe. Das Buch ist niemals eitel oder larmoyant.
Außerdem ist sich das Buch - bei der Schwere mancher Themen rings um identity politics & race & gender & class, also auch bei Themen wie Ausgrenzung, Frau sein, Unterdrückung und Rassismus - der Fallstricke mancher dieser Themen sehr bewusst.
Oder genauer: der Fallstricke der Diskurse rings um diese Themen. Und das Buch macht diese Fallstricke, manchmal auch Widersprüchlichkeiten, immer wieder sichtbar und geht oft humorvoll mit ihnen um.
Das erzeugt eine Leichtigkeit, die mich enorm anspricht. Ich halte mich wirklich sehr gern in diesem Buch auf.

Ein Buch als Flaschenpost

Aber dieses Buch nun tatsächlich Sharon zu schenken, würde nicht so viel Sinn machen. Ich weiß ja, dass sie es mittlerweile schon selbst gelesen hat.
Wirklich sinnvoll wäre es vielleicht, dieses wundervolle Buch irgendwo in Kreuzberg, Hellersdorf oder Bielefeld auf der Straße zu drapieren und zu hoffen, dass eine Person es findet, die mit genau so einem Buch und solchen Themen noch nie konfrontiert war. Und die es dann ganz baff und schließlich genüsslich liest.

"Girl, Woman, Other" von Bernadine Evaristo
Taschenbuch (englisch) Penguin Verlag, München 2020
464 Seiten, 8,39 Euro

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