Melisa Erkurt: "Generation haram"
Hanser Verlag, München 2020
192 Seiten kosten 20 Euro.
Saša Stanišić empfiehlt "Generation haram" von Melissa Erkurt
02:24 Minuten
Saša Stanišić verschenkt das Buch an alle Schulbehörden des Landes, weil es sehr komplex und aus erster Hand den Bildungsalltag von Kindern aus "bildungsfernen" Familien beschreibt.
"Generation haram" ist ein erzählendes Sachbuch, das sich beherzt dem Thema (und vor allem dem Verfehlen des Themas) "Gleiche Bildung für Alle" widmet. Die ehemalige Lehrerin hat viele Jahre mit migrantischen Jugendlichen an Brennpunktschulen gearbeitet und hat aus ihren Erfahrungen und Überlegungen dieses lehrreiche und ungeschönte Werk verfasst.
"Generation haram" beleuchtet unterschiedliche Komplexe im Bildungsalltag von Kindern aus sogenannten "bildungsfernen" Familien. Es geht um schulische Diskriminierung, um überforderte Eltern und Lehrer*innen, um mangelndes Selbstwertgefühl gerade von Schülerinnen, es geht aber auch um unsere Vorbildfunktion als Gesellschaft, in der sich viele schulische Konflikte spiegeln – zwischen arm und reich, zwischen privilegiert und abhängig.
Ausgangspunkt für Bildungsdiskurs
"Generation haram" von Melisa Erkurt sollte Lektüreschwerpunkt werden bei der Ausbildung von Pädagog*innen & Lehrkräften. Das Buch zeigt präzise, pragmatisch, auch indirekt konstruktiv Verfehlungen und Unwegsamkeiten im System "Bildung" sowie im Unterrichtsalltag. Dabei spielen auch familiäre Versäumnisse eine Rolle, fragwürdige Selbst- und Fremdbilder der Jugendlichen, die in der Summe dafür sorgen, dass gerade migrantische Kinder ihr volles Potenzial nicht entfalten können.
Vieles von dem, das ich selbst als Geflüchteter in meiner Schulzeit erfahren durfte oder bei Schulfreund*innen gesehen habe in der Art, wie sie falsch eingeschätzt und behandelt wurden, das Ausgrenzende, den Kampf um Anerkennung und die Niederlagen des Selbstbewusstseins, aber auf der anderen Seite auch vieles, was im Umgang gelang und gut war, finde ich hier auf den 192 Seiten aus erster Hand beschrieben und eingeordnet wieder, als einen umfassenden Blick auf wichtige Aspekte des schulischen Lebens.
Ich schenke das Buch allen Schulbehörden in Deutschland. Wenn es ein Buch gibt, das als aufklärerischer Ausgangspunkt für Diskurse genommen werden kann über das, was in unseren Schulen schiefläuft, dann ist es dieses: "Generation Haram" von Melisa Erkurt. Es dürfte für alle interessierte Mitarbeiter*innen der Behörden natürlich eine willkommene Lektüre sein für ihren aufrichtigen Versuch, gerechte Bildungsangebote für alle Schüler*innen zu gewährleisten.