Büchnerpreis-Rede von Lukas Bärfuss

Über das Böse zwischen uns

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Lukas Bärfuss, Träger des diesjährigen Georg-Büchner-Preises steht kurz vor Beginn der Preisverleihung im Treppenhaus des Staatstheaters
Das Böse liegt nicht in uns, sondern zwischen uns. Dieser gedankliche Bezug auf "Dantons Tod" von Georg Büchner ist eine der zentralen Aussagen in Lukas Bärfuss' Dankesrede. © picture alliance / dpa / Boris Roessler
Ludger Fittkau im Gespräch mit Marietta Schwarz |
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Der Schweizer Autor Lukas Bärfuss spannte in seiner Dankesrede für den diesjährigen Georg-Büchner-Preis einen großen Bogen vom Nationalsozialismus bis heute. Ein Besuch in Auschwitz habe ihn und sein literarisches Werk nachhaltig geprägt.
Der Schweizer Schriftsteller Lukas Bärfuss ist mit dem diesjährigen Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet worden. Der 47-Jährige wurde für seine Dramen und Romane geehrt, wie die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung mitteilte: "Seine Werke erkundeten mit hoher Stilsicherheit und formalem Variationsreichtum existenzielle Grundsituationen des modernen Lebens stets neu und anders."
Unser Hessen-Korrespondent Ludger Fittkau war bei der Preisverleihung in Darmstadt und berichtet von einer Rede, die düster anfing und hoffnungsvoll endete.
Bärfuss habe dabei die Friedenspolitik zum zentralen Punkt seiner Rede gemacht. Er sei im "alten Europa" des 20. Jahrhunderts mit dessen Kriegen und Massenmorden sozialisiert worden. Gewalt habe diesen Kontinent immer geprägt - mit einer kurzen Ausnahme um die Zeit des Mauerfalls herum, den Bärfuss als ein sehr positives Beispiel für einen historischen Moment beschrieben habe, in dem auf einmal alles anders gewesen sei.

Alles, was er anfängt, endet irgendwie an einem Massengrab

Bärfuss habe zudem an eine Reise nach Polen erinnert, in deren Verlauf er auch in Auschwitz gewesen sei, was ihn und sein literarisches Schaffen nachhaltig geprägt habe. Im Grunde sei er immer noch in Auschwitz und bei der Frage, wie das alles nur habe geschehen können, berichtet Fittkau. An vielen Stellen habe er deutlich gemacht: "Alles, was er anfängt, jede Geschichte, endet irgendwie um ein paar Ecken herum an einem Massengrab."
Zudem habe Bärfuss darauf hingewiesen, dass die Nazis nie ganz weg gewesen seien, ganz im Gegenteil: Eine Entnazifizierung habe es nicht gegeben, von 1000 NSDAP-Mitgliedern seien 999 ungeschoren davon gekommen. Dabei habe er den Bogen bis heute, bis nach Sachsen gespannt. Die Alt-Nazis hätten die DDR einfach überdauert.

Neue Erzählformen finden, um das Erinnern wachzuhalten

"Er geht auch auf Büchner und die Zeile in 'Dantons Tod' ein: ‚Was ist das in uns, was lügt, stiehlt, hurt und mordet?‘ Bärfuss sagt: Das Böse liegt nicht in uns, sondern zwischen uns und ist bürokratisch". Bärfuss meine damit, so Fittkau, die penibel dokumentierten Vorschriften rund um das Konzentrationslager. "Er sagt: Wir müssen uns daran erinnern und deutlich machen, dass die Nazis nicht ausgestorben sind und auch nie ausgestorben waren", berichtet Fittkau.
Bärfuss habe am Schluss seiner Rede darauf aufmerksam gemacht, dass die Zeitzeugen des Faschismus allmählich sterben und es nun an uns sei, Erzählformen zu finden, literarische wie journalistische, um das Erinnern wachzuhalten. Darin stecke die Hoffnung, neue Formen von Faschismus aufhalten zu können, so Fittkau.
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