Bühne

Begeisterung vor der Showtreppe

Von Uwe Friedrich |
Großer Applaus vor der kleinsten Opernbühne der Hauptstadt: Mit der Operette "Clivia" begeistert die Komische Oper Berlin und meldet über Wochen im Voraus ausverkaufte Vorstellungen.
Christoph Marti alias Ursli Pfister alias Clivia erscheint "mit der pünktlichen Verspätung einer Diva" auf der Bühne der Komischen Oper und schon tobt das Publikum. Und das passiert, noch bevor der Star des Abends überhaupt den Mund geöffnet hat.
Die Berliner Revue-Operette "Clivia" der zwanziger und dreißiger Jahre war immer ein Starvehikel, wurde für Marlene Dietrich oder Fritzi Massary geschrieben, die schon damals virtuos mit den Geschlechterrollen spielten. Christoph Marti macht aus der Filmdiva Clivia eine Hommage an alle Filmdiven zwischen Jean Harlow und Marika Rökk.
Handlung als Vorwand für flotte Tanznummern
Jede Geste, jeder Augenaufschlag ist genau kalkuliert, spielt mit Kitsch und Klischees und bleibt doch in der Schwebe zwischen Ironie und dem nötigen Ernst, mit dem die Geschichte auch vom Publikum gerade noch einigermaßen ernst genommen werden kann. An der Grenze zum fiktiven südamerikanischen Staat Boliguay ist nämlich eine Filmcrew gestrandet, die allerdings nur ein Tarnunternehmen des skrupellosen Amerikaners E. W. Potterton ist, der die unliebsame neue Regierung wegputschen möchte. Dazu muss Clivia mit einem vermeintlichen Gaucho verheiratet werden, der sich schließlich als eben jener neue Regierungschef Boliguays entpuppt, den Potterton eigentlich beseitigen möchte.
Liebesverwicklungen sind also vorprogrammiert, außerdem muss das operettenübliche Buffopaar durch die Handlung gelotst werden und ein Berliner auf Weltreise taucht auch noch auf. Die Handlung ist ohnehin nur Vorwand für flotte Tanznummern und melancholische Liebeslieder und für große Chorauftritte. Die langen Beine der Girlsreihe erscheinen hier in Form einer Amazonenarmee, die mit ihren Gewehren nicht nur das Bühnenpersonal beeindruckt, sondern immer wieder Szenenapplaus abräumt.
Der Regisseur Stefan Huber weiß genau, wie man Chormassen auf die Bühne bekommt und elegant wieder verschwinden lässt, er hat ein untrügliches Gespür für das nötige Tempo der verworrenen Geschichte und führt seine Protagonisten mit Sinn für Situationskomik in immer aberwitzigere Komplikationen.
Dazu hat ihm Bühnenbildner Stephan Prattes gleich mehrere Showtreppen auf die Drehbühne entworfen, den Orchestergraben zugebaut und das Orchester der Komischen Oper in Bigband-Formation auf die Bühne gesetzt. Hier waltet der Dirigent Kai Tietje und sorgt für rhythmische Präzision bei den Modetänzen der dreißiger Jahre.
Ensemblemitglieder der Komischen Oper wie die Tenöre Peter Renz und Christoph Späth sind mit ebenso viel Spaß am Genre bei der Sache wie die Geschwister Pfister (Christoph Marti, Tobias und Andreja Schneider) und sorgen so für einen weiteren Triumph der Intendanz von Barrie Kosky am kleinsten Berliner Opernhaus. Kein Wunder, dass die Vorstellungen in dieser Spielzeit bereits ausverkauft sind, auch in der kommenden Spielzeit bleibt "Clivia" auf dem Spielplan.
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