Bühnenabschied in Paris

Choreograf Mats Ek beweist seinen subtilen Humor

Der schwedische Choreograf Mats Ek
Der schwedische Choreograf Mats Ek © picture alliance / dpa / ITAR-TASS / Zurab Dzhavakhadze
Von Boris Gruhl |
Im vergangenen Jahr wurde Mats Ek 70 Jahre alt, jetzt feiert der schwedische Choreograf seinen Bühnenabschied in Paris. Zum Abschluss zeigt er im Theatre des Champs Élysées drei Stücke.
Ein Abend für den schwedischen Choreografen Mats Ek, der im April letzten Jahres 70 Jahre alt geworden ist und sich jetzt verabschiedet. Eks Werke werden an ersten Häusern getanzt: Moskau, Paris, Lyon, Stockholm und in Dresden.
Das Semperoper Ballett eröffnet diesen Abend in Paris, für den Mats Ek drei Stücke ausgewählt hat. "She was black" bzw. "Sie war Schwarz" von 1994 in einer Einstudierung der Dresdner. "Solo für 2" von 1996 und als jüngste Arbeit für einen Film von 2015, die er für diesen Abend in Paris noch einmal neu bearbeitet hat, das Duo "Hâche" - "Axt".
Mats Ek kommt aus einer Künstlerfamile, die Mutter, Birgit Cullberg, gründete das "Cullberg-Ballett" - die Institution für modernen Tanz in Schweden. Später wird Ek selbst dieses Ballett leiten. Der Vater war Schauspielregisseur, Ek studiert Theaterwissenschaften, arbeitet mit Ingmar Bergmann und Alf Sjöberg und will zunächst auch inszenieren, psychologisch wie Bergmann, bildkräftig wie Sjöberg.
Es kommt anders, er wird Tänzer, mit 24 Jahren erst beginnt er klassisch als Gruppentänzer beim Ballett der Deutschen Oper am Rhein und lernt die Klassiker. Beim Nederlands Dans Theater kommen dann die anderen Möglichkeiten und Techniken des Tanzes dazu. Nach ersten Arbeiten als Choreograf dann der Durchbruch 1982 mit seiner ungewöhnlichen, damals nicht unumstrittenen Deutung eines Klassikers des romantischen Balletts, "Giselle".
Sein "Dornröschen" spielt in der knallharten Drogenszene
Ek arbeitet die sozialen Gegensätze heraus, er verlegt das romantische Geisterreiche in die Härte einer psychiatrischen Klinik. Sein "Dornröschen", 1996 in Hamburg, spielt nicht in einer Märchenwelt sondern in der knallharten Drogenszene, Menschen hängen an der Nadel, flüchten in den Schlaf des Vergessens. Aus "Romeo und Julia" wird in seinem letzten großen Handlungsballett "Julia & Romeo", er zeigt wie Menschen unverschuldet auf der Strecke bleiben, wie junge Menschen dem Untergang geweiht sind und Julia sich zu Tode tanzt.
Der Abend in Paris zu seinem Abschied beginnt mit "She was black" zu Musik von Henryk M. Gorecki und traditionellen mongolische Gesänge. Mats Ek wollte wissen, wie Gott aussieht, er habe es gesehen, "She was black". Dieses schwarze Wesen, "Die Gott" ist zunächst fast unsichtbar und so kann es passieren, dass ein Tänzer darüber stolpert bei den so absurden wie komischen Versuchen in Pas de deux´s, solistisch, Frauen oder Männer, in wilden Gruppen mit einem rätselhaft clownesken Mann in Spitzenschuhen, zueinander zu kommen. An einem Tisch, der für niemanden zum Ruheplatz wird, an und auf einer Treppe, die ins dunkle Nichts führt.
Man kann man an Platons Gleichnis von den Kugelmenschen denken, die zertrennt wurden und nun auf ihrer Lebensreise versuchen, ihre andere Hälfte zu finden. Ein Stück bei dem es immer wieder neue Varianten zu entdecken gibt und in dem die Hauptthemen von Mats Ek von ungebrochener Präsenz sind.
Im zweiten Teil des Abends zwei intimere Kreationen, die sich aber in spannenden Korrespondenzen zum ersten, dem opulenteren Stück, thematisch bestens fügen.
Jene Treppe, die ins Nichts führt
"Solo for 2", an sich ein Widerspruch, aber es ist ein Grundthema von Mats Ek, die verflixte Einsamkeit zu Zweit zur meditativen Musik von Arvo Pärt, mit dem charismatischen Tänzer Oscar Salmonsson und der großartigen Dorothée Delabi, in der für Sylvie Guillem und Niklas Ek, dem Bruder des Choreografen, kreierten Choreografie.
Eks Bewegungen, das Alleinsein, die Versuche zueinander zu kommen, das geht bis zur vergeblichen, momentanen Nacktheit, und auch da wackelt nur die Kulisse, das ist wieder jene Treppe, die ins Nichts führt. Es kommt zum Kleider- und Identitätstausch und endet doch, wo es begann - auch kein angedeuteter Walzer hilft.
Dann wird die Bühne abgeräumt, und "Hâche" (Axt) vollzieht sich vor dem gnadenlosen Ambiente der nackten Brandmauern. Jetzt die Varianten der Einsamkeit des Alters, das ist berührend mit dem Tänzer Yvan Auzely und Ana Laguna, vor allem auch zur Musik des Adagios in g-Moll von Tomaso Albinoni.
"Axt" ist wörtlich zu verstehen. Als gelte es Vorrat zu schaffen für einen langen Winter hackt der Tänzer Holzscheite, dieweil die Tänzerin uns noch einmal in den Bann der Bewegungsvarianten von Mats Ek zieht, jenes Hüpfen mit den angewinkelten Armen wie gebrochene Flügel, die flatternd hoch erhobenen Hände, das sind jetzt die Essenzen, das ist so eine wunderbare Konzentration der Zurücknahme, das sind Erinnerungen ohne Wehmut und starke Bilder.
Eine Axt so zärtlich wie ein Kind halten
Kann man einen Holzscheit, ja gar eine Axt, zärtlich im Arm halten - wie ein Kind? Man kann, das zeigt die 60-jährige Ana Laguna, Eks Frau und Muse. Der 54-jährige Yvan Auzely nimmt für Momente die bewegenden Korrespondenzen der Zärtlichkeit seiner Partnerin auf. Am Ende lässt er sich mit Holzscheiten beladen. Beide gehen ab, doch noch ein Anflug versöhnter Hoffnung?
Das Holz reicht, das Feuer muss nicht ausgehen, aber die Axt hat erst mal ausgedient. Und da hat man auch noch einmal den leisen, subtilen Humor des Choreografen, der seine Figuren, selbst wenn sie nackt sind, wie in "Solo for 2" oder in anderen Arbeiten, nicht aus- oder gar bloßstellt. Es ist eher so, dass er sich zu ihnen stellt, im entscheidenden Moment auch vor sie.
Was wird bleiben? Mats Ek selbst sagt ganz bescheiden, seine Werke werden zu sehen sein, so lange die Verträge laufen. Nach diesem Abend kann man nur hoffen, dass die Verträge noch lange laufen.
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