Bühnenwirksame Unterhaltungsharmlosigkeit
Roland Schimmelpfennings "Das Reich der Tiere" karikiert nicht nur den Theaterbetrieb, sondern verweist in mehreren Erzählebenen auf menschliche Abgründe. Diese kommen kaum zur Geltung in Jürgen Goschs Inszenierung am Deutschen Theater. Zu sehr rückt dort die Lust der Schauspieler an der Verwandlung in Tierfiguren in den Vordergrund.
Die Bühne ist ein grau-weißer Guckkasten von enormer, leerer Tiefe. Ein paar an die Wände gelehnte Spiegel, einige Stühle und viele Farbeimer sind einzige Requisiten für die Schauspieler, die aus der ersten Zuschauerreihe auf die Bühne steigen, um Schauspieler zu spielen. Dafür ziehen sie sich erst einmal nackt aus. So weit, so bekannt von Jürgen Goschs letzten Inszenierungen.
In "Das Reich der Tiere", einem Auftragswerk, das, obwohl zweiter Teil einer Trilogie, völlig für sich stehen und bestehen kann, werden fünf Schauspieler gezeigt, die in einem seit sechs Jahren laufenden Stück mit dem gleichen Titel verschiedene Tiere verkörpern müssen. Was Gosch dazu nutzt, wohl eine halbe Stunde nichts als die wortlose Verwandlung der Schauspieler in Tierfiguren zu zeigen.
Falk Rockstroh beschmiert sich seinen nackten Körper mit schwarzer Farbe, pinselt weiße Streifen darauf und galoppiert körpersprachlich virtuos als Zebra einher. Ernst Stötzner, als umwerfend griesgrämig und machtbesessen hohl dröhnender Löwe der Star des Abends, bematscht sich mit Sand und Wasser und stülpt sich eine mächtige Zottelperücke über, während Wolfgang Michael mit kratziger Stimme und verknautschter Mimik einen Marabu als groteske Comic-Figur spielt, für die er sich mit Klebstoff einreibt, um darauf Federn zu schütten. All diese Verwandlungsvorgänge sind von großer Komik und Bühnenwirksamkeit.
Während bei der Düsseldorfer "Macbeth"-Inszenierung von Gosch vor zwei Jahren die Nacktheit und Manscherei der Darsteller aus dem theatralen Geschehen einen existentiellen Schrecken hervortrieb, verleihen sie Schimmelpfennigs Stück allerdings nur eine kindertheatrige Unterhaltungsharmlosigkeit, weil sie mit der allein bunt vergnüglichen einen Ebene von Schimmelpfennigs Parabel die anderen Bezugs- und Erzählebenen des Stückes in den Hintergrund schieben. Wobei die anderen Erzählebenen sich recht direkt mit sozialen Ängsten und zwischenmenschlichen Enttäuschungen der Figuren beschäftigen.
Nun ist das Stück im Stück, das einen tödlichen Machtkampf zwischen Löwe und Zebra zeigt, selbst schon eine Parabel über menschliche Ängste und Verhaltensweisen. Zugleich karikiert es den Theaterbetrieb, es ironisiert Musicals, aber auch mythologisierende Stücke wie die von Botho Strauß, und es zeigt Schauspieler, die aus Angst vor Beschäftigungslosigkeit die Kollegen verraten und sich selbst verformen.
Schließlich soll das Tierstück abgesetzt werden, und man diskutiert über neue Rollen in einem Stück mit dem Titel "Der Garten der Dinge." In dem gibt es nur noch tote Dinge zu spielen: eine Ketchupflasche, ein Toastbrot, ein Spiegelei und eine Pfeffermühle.
Indem am Deutschen Theater die Schauspielerlust an der Verwandlung in Tiere völlig in den Vordergrund rückt, werden die knappen Mono- und Dialoge, in denen sich die Darsteller bei Essenspausen an der Rampe in Macht- und Ohnmachtspielen verbiegen, auch als eher komische Szenen gespielt.
Zwar ist dieses Stück von Roland Schimmelpfennig sicher nicht sein stärkstes, doch Regisseur Jürgen Gosch bringt es zusätzlich aus dem Gleichgewicht. Vor der Pause hängt die mehr als dreistündige, spielverliebt ausgepinselte Inszenierung mächtig durch, und nur der groteske Auftritt der Darsteller in den Kostümen von Ketchupflasche und Co. vermag das Publikum am Schluss wieder in eine, wenn auch nicht überbordende Applausbegeisterung zu versetzen.
"Das Reich der Tiere" von Roland Schimmelpfennig
Inszenierung: Jürgen Gosch
Bühne: Johannes Schütz
Kostüme: Johannes Schütz
Darsteller: Dörte Lyssewski, Kathrin Wehlisch, Niklas Kohrt, Wolfgang Michael, Falk Rockstroh, Ernst Stötzner
Uraufgeführt am 1.9.2007 im Deutschen Theater Berlin
In "Das Reich der Tiere", einem Auftragswerk, das, obwohl zweiter Teil einer Trilogie, völlig für sich stehen und bestehen kann, werden fünf Schauspieler gezeigt, die in einem seit sechs Jahren laufenden Stück mit dem gleichen Titel verschiedene Tiere verkörpern müssen. Was Gosch dazu nutzt, wohl eine halbe Stunde nichts als die wortlose Verwandlung der Schauspieler in Tierfiguren zu zeigen.
Falk Rockstroh beschmiert sich seinen nackten Körper mit schwarzer Farbe, pinselt weiße Streifen darauf und galoppiert körpersprachlich virtuos als Zebra einher. Ernst Stötzner, als umwerfend griesgrämig und machtbesessen hohl dröhnender Löwe der Star des Abends, bematscht sich mit Sand und Wasser und stülpt sich eine mächtige Zottelperücke über, während Wolfgang Michael mit kratziger Stimme und verknautschter Mimik einen Marabu als groteske Comic-Figur spielt, für die er sich mit Klebstoff einreibt, um darauf Federn zu schütten. All diese Verwandlungsvorgänge sind von großer Komik und Bühnenwirksamkeit.
Während bei der Düsseldorfer "Macbeth"-Inszenierung von Gosch vor zwei Jahren die Nacktheit und Manscherei der Darsteller aus dem theatralen Geschehen einen existentiellen Schrecken hervortrieb, verleihen sie Schimmelpfennigs Stück allerdings nur eine kindertheatrige Unterhaltungsharmlosigkeit, weil sie mit der allein bunt vergnüglichen einen Ebene von Schimmelpfennigs Parabel die anderen Bezugs- und Erzählebenen des Stückes in den Hintergrund schieben. Wobei die anderen Erzählebenen sich recht direkt mit sozialen Ängsten und zwischenmenschlichen Enttäuschungen der Figuren beschäftigen.
Nun ist das Stück im Stück, das einen tödlichen Machtkampf zwischen Löwe und Zebra zeigt, selbst schon eine Parabel über menschliche Ängste und Verhaltensweisen. Zugleich karikiert es den Theaterbetrieb, es ironisiert Musicals, aber auch mythologisierende Stücke wie die von Botho Strauß, und es zeigt Schauspieler, die aus Angst vor Beschäftigungslosigkeit die Kollegen verraten und sich selbst verformen.
Schließlich soll das Tierstück abgesetzt werden, und man diskutiert über neue Rollen in einem Stück mit dem Titel "Der Garten der Dinge." In dem gibt es nur noch tote Dinge zu spielen: eine Ketchupflasche, ein Toastbrot, ein Spiegelei und eine Pfeffermühle.
Indem am Deutschen Theater die Schauspielerlust an der Verwandlung in Tiere völlig in den Vordergrund rückt, werden die knappen Mono- und Dialoge, in denen sich die Darsteller bei Essenspausen an der Rampe in Macht- und Ohnmachtspielen verbiegen, auch als eher komische Szenen gespielt.
Zwar ist dieses Stück von Roland Schimmelpfennig sicher nicht sein stärkstes, doch Regisseur Jürgen Gosch bringt es zusätzlich aus dem Gleichgewicht. Vor der Pause hängt die mehr als dreistündige, spielverliebt ausgepinselte Inszenierung mächtig durch, und nur der groteske Auftritt der Darsteller in den Kostümen von Ketchupflasche und Co. vermag das Publikum am Schluss wieder in eine, wenn auch nicht überbordende Applausbegeisterung zu versetzen.
"Das Reich der Tiere" von Roland Schimmelpfennig
Inszenierung: Jürgen Gosch
Bühne: Johannes Schütz
Kostüme: Johannes Schütz
Darsteller: Dörte Lyssewski, Kathrin Wehlisch, Niklas Kohrt, Wolfgang Michael, Falk Rockstroh, Ernst Stötzner
Uraufgeführt am 1.9.2007 im Deutschen Theater Berlin