Bündnispolitik

Der Westen braucht den Iran

Von Ramon Schack |
Der Iran wird als Partner des Westens dringend gebraucht, glaubt der Journalist Ramon Schack. Denn die diplomatische Abhängigkeit vom Verbündeten Saudi-Arabien in der Region hält er für problematisch.
Der Westen und der Iran verhandeln wieder miteinander. Wie auch immer sich die Gespräche in Genf entwickeln, mit ihnen das Ende einer Konfrontation einzuleiten, wäre dringend erforderlich. Denn Teheran wird als Partner gebraucht. Warum? Weil die gesamte geopolitische Strategie und Bündnispolitik des Westens in der Region gescheitert ist.
Weder wurden "Leuchttürme der Demokratie" errichtet, noch hat der Demokratie-Export funktioniert. Stattdessen stürzten im Arabischen Frühling Regime, die mit Washington und der EU verbunden waren, ohne dass aus deren Trümmern prowestliche Systeme zu entstehen scheinen.
Als Verbündete blieben Könige, Scheichs und Emire auf der arabischen Halbinsel. Doch zu Saudiarabien beispielsweise trübt sich das Verhältnis ein – eigentlich überfällig, war es doch schon lange widersprüchlich. Es ist ein "Sleeping with the devil“, ein Mit-dem-Teufel-Schlafen. So charakterisierte der ehemalige CIA-Agenten Robert Baer die skandalöse Komplizenschaft zwischen der saudischen Erbmonarchie und den amerikanischen Erdöl-Kapitalisten.
Der Wüstenstaat wird mit modernsten Waffen zugeschüttet
In Washington und der westlichen Welt schaut man gerne darüber hinweg, wenn saudische Geldgeber den religiösen Fanatismus, in Form des dort praktizierten Wahhabismus und Salafismus, weltweit finanzieren. Weder die Besetzung Bahrains durch saudische Truppen, noch die permanenten Menschenrechtsverletzungen im Königreich selbst, führen zu einem Sturm der Entrüstung. Stattdessen wird der Wüstenstaat mit modernsten Waffen geradezu überschüttet.
Riad führt den Westen vor. Gibt sich als Alliierter, um den gemeinsamen Gegner Teheran in Schranken zu weisen. Bekämpft aber hinterrücks westliche Initiativen in der Region. Protegiert - ob im Irak oder in Syrien - gleichermaßen antischiitische wie antiamerikanische Strömungen. Will einerseits Washington dazu bewegen, das Assad-Regime zu stürzen, schürt andererseits zwischen Sunniten und Schiiten religiöse Konflikte, die weder eine friedliche noch eine demokratische Zukunft erwarten lassen.
Gemessen an diesem Umfeld, fragt sich, warum die saudischen Familien die besseren Partner als die iranischen Mullahs sein sollten. Iran könnte als Regionalmacht hilfreich sein. In Afghanistan beispielsweise, ab 2014, wo sich die geopolitischen Interessen Teherans und des Westens ähneln - beim Kampf gegen die Taliban, beim Zurückdrängen jener radikalislamischen Kräfte, die auch von saudischen Quellen unterstützt werden.
Warum hält man die Saudis für besser als die Mullahs?
Überraschend bietet sich nun dem Westen im Mittleren Osten die Chance, mit seinem ureigenen Anliegen der Abrüstung voranzukommen. In Syrien soll das Chemiewaffenarsenal vernichtet werden. Und mit dem Iran ist ein Programm zur friedlichen Nutzung der Kernenergie zu vereinbaren, das die Option für eine Atombombe einfriert – und als Pilotprojekt für alle Schwellenländer gelten kann.
Dies würde Teheran jene Anerkennung verschaffen, die es vom Westen verlangt. Der neue Staatspräsident Rohani verdeutlicht ja, dass der heutige Iran auf der internationalen Bühne durchaus als rationaler Akteur agieren kann, der auch weiß, was er zu tun hat, um schrittweise die westlichen Sanktionen loszuwerden.
Dies ist kein Plädoyer dafür, das instabile Gefüge interner Machtkämpfe, die Brutalität gegen Landsleute und den destruktiven Einfluss auf die Nachbarschaft zu ignorieren. Vielmehr gilt es historisch gekränktem Nationalstolz zu versichern, den Iran weder politisch, noch wirtschaftlich oder technologisch domestizieren zu wollen.
Dadurch erhielte der Westen mehr Spielraum, mit allen regionalen Kräften des mittleren Ostens zu kooperieren, sich zugleich aber in kritischer Distanz zu deren politischen und religiösen Systemen zu halten. So könnten USA und EU schließlich eine Position zum Arabischen Frühling und seinen Folgen finden, die auch dann noch trägt, wenn der Aufbruch nicht hält, was er zu versprechen schien.
Ramon Schack,Jahrgang 1971, ist Diplom-Politologe, Journalist und Publizist. Er schreibt für Neue Zürcher Zeitung, Süddeutsche Zeitung, Die Welt, Berliner Zeitung, Wiener Zeitung, Handelsblatt. Sein Buch "Neukölln ist Nirgendwo. Nachrichten aus Buschkowskys Bezirk" erscheint Ende Juni im Verlag 3.0 Zsolt Majsai.
Ramon Schack
Ramon Schack© Privat