Borges, der argentinische Dichterfürst
Sein Thema war die Unendlichkeit. Seine Erzählung "Der Unsterbliche" machte den Schriftsteller Jorge Luis Borges auch einem größeren Publikum bekannt. In seiner Heimatstadt Buenos Aires erinnert heute nur noch wenig an ihn. Eine Spurensuche mit der Literaturkennerin Gabriela Adamo.
Wir stehen hier auf der Calle Borges 2135, zwischen Guatemala und Paraguay. Aber vom wirklichen Haus gibt's ja nichts mehr. Da ist leider sehr typisch für Buenos Aires, wo viele Häuser runtergerissen wurden. Und heute muss man halt sehr viel Fantasie aufbringen, um sich zu denken, was es da gegeben hat. Und eigentlich das ganze Palermo, das Borges erlebt und wo Borges geschrieben hat, gibt es nicht mehr. Als er geschrieben hat, 50 Jahre vorher, war das hier wirklich Niemandsland. Das war das Ende der Stadt. Das war Land und Staub und Gras und die Gauchos wohnten hier und die Cuchilleros, die mit ihren Messern alle Probleme gelöst haben.
Die gibt es heute nicht mehr. Heute ist das ein Stadtteil wie der Prenzlauer Berg vielleicht, sehr modern, voller Geschäfte, die Kulturszene gibt es hier, viele Restaurants, viele Cafés, aber das hat mit Borges sehr wenig zu tun. Trotzdem hat man wenigstens dieses kleine Schild hier, das einen manchmal dran erinnert.
Das war das Elternhaus. Die Mutter war die wichtige Figur in seiner literarischen Formacion. Mit ihr hat er zusammen übersetzt, ja, das war hier, in diesem Haus. Da wohnt eine ganz normale Familie, und es sei denn, man hat irgendwie Zugang zu dieser Familie oder ist befreundet mit ihnen. Es gibt touristisch überhaupt nichts. Vor zwei Jahren war Buenos Aires World Literature Capital oder wie man das nennt, und da haben wir es auch nicht zusammengebracht, richtige Autorentouren zu machen. Obwohl es ja viele wichtige Autoren in der Stadt gibt. Aber irgendwie muss man diese Schriftsteller doch alleine finden in der Stadt.
Wichtig für eine ganze Generation
Borges und Cortázar, das sind die beiden großen Namen, die wir hier haben. Und für eine ganze Generation, die heute so 50, 60 Jahre sind, war das immer ein Problem. Denn vor allem gegen Borges zu schreiben. Er ist halt so wichtig in der Universalliteratur, nicht nur für Argentinien, dass es unmöglich war zu schreiben, wenn man Borges daneben hatte. Die Jüngeren sind da viel informeller, es gibt sogar Bücher, die Borges im Spaß wieder schreiben, was natürlich wieder legale Probleme mit sich bringt. Er ist sehr lebendig und das sieht man in den Buchhandlungen, und das ist gut.
Das wichtigste Kapitel in seinem Leben war in der Biblioteca Nacional. Das Gebäude gibt es noch, aber die Biblioteca Nacional ist woanders. Und wo er ja lange Jahre gerabietet hat und diese schönen Bilder, wo man ihn sieht, als er schon nicht mehr sehen konnte, aber trotzdem die Bücher immer angefasst hat, und das war seine Welt, das war in San Telmo in der Calle Mexico. Das Gebäude gibt es noch, es fällt zusammen, das ist jetzt ein Musikzentrum, aber zu Glück das Gebäude gibt es noch.
Typisch Argentinien, das fällt mir immer auf, wenn ich in Europa bin oder vor allem in Deutschland, wo alles von einem Schriftsteller aufbewahrt ist und wo der letzte Füllfederhalter lag. Das gibt es hier gar nicht. Ich weiß nicht, ob man darüber traurig sein soll. Aber Leben geht weiter, man liest diese Autoren nicht. Man geht vielleicht nicht in die alten Häuser. Aber man liest es, die Bücher gibt es überall. Und wie wir eben sehen konnten, es sitzen die Leute in den Cafés und lesen und vielleicht ist das doch die beste Weise, einen Autor weiter lebendig zu haben.