Bürger als Wissenschaftler

App unterstützt Erforschung von Plankton

Fressender Walhai, Rhincodon typus, in Triton Bay, West Papua, Indonesien
Plankton ist der unterste Teil der Nahrungskette des Meeres und für alle Wasserlebewesen überlebenswichtig. © imago/OceanPhoto
Von Jochen Dreier |
Früher saßen Akademiker im Elfenbeinturm. Heute, in einer vernetzten Welt, arbeiten Forscher mit Bürgern zusammen. So will unser Autor mithilfe einer App einer englischen Universität bei der Erforschung des Planktongehalts in den Weltmeeren helfen.
Secchi nennt sich die App, benannt nach dem Messgerät das dafür gebraucht wird – der Secchi-Scheibe. Dieses Gerät wurde schon 1865 vom italienischen Hofastronom des Papstes Angelo Secchi erfunden und wird bis heute genutzt um die Sichttiefe in Gewässern zu messen. Das Prinzip ist simpel.
Eine runde Scheibe. 30 Zentimeter Durchmesser. Am besten weiß oder weiß lackiert, wird an einem Maßband befestigt und ins Wasser hinabgelassen. Wenn die Scheibe nicht mehr zu sehen ist, dann ist die sogenannte Secchi-Tiefe erreicht. Diese Tiefe soll auch anzeigen, wie viel Plankton im Wasser vorhanden ist. Die Trübung des Wassers wird nämlich vor allem durch diese Kleinstlebewesen hervorgerufen – zumindest auf dem offenen Wasser, wo keine Sedimente wie Sand das Wasser zusätzlich trüben. Aber erst einmal musste die Scheibe gebaut werden. Die Anleitung dazu liefert die App gleich mit.
"Zurück aus dem Baumarkt. Jetzt wird die Scheibe gebaut. Leider habe ich keine Scheiben meiner Größe gefunden und deswegen habe ich mir ein größeres Stück Plastik besorgt. Daraus muss ich jetzt die Scheibe ausschneiden. Und da Plastik nicht schwimmen wird, habe ich ein Gewicht gekauft. Vernünftige Gewichte gab es aber auch nicht, deswegen habe ich einfach ein Vorhängeschloss genommen. Es hat genau 200g Gewicht, wie die App es vorschreibt. Jetzt wird gesägt."
Studien haben gezeigt, dass durch die Erwärmung des Klimas der Planktongehalt der Weltmeere extrem abnimmt – bis zu 40 Prozent seit 1940.
Generell werden mit Plankton Organismen im Wasser beschrieben, deren Schwimmrichtung durch die Strömung vorgegeben ist, die also selbst keine Art von Antrieb haben. Unterschieden wird zwischen Bakterioplankton, die wie der Name schon sagt, zu den Bakterien gezählt werden und dem Zooplankton, kleine Einzeller oder Borstenwürmer.
Und dann ist da das Phytoplankton, eine ganz besondere Art von Pflanze. Phytoplankton nämlich ist durch Photosynthese für 50 bis 80 Prozent des Sauerstoffs in der Atmosphäre verantwortlich. Und zudem ist es der unterste Teil der Nahrungskette des Meeres und somit für alle Wasserlebewesen überlebenswichtig. Einige Forscher halten das pflanzliche Plankton wegen dieser Eigenschaften für die wichtigsten Organismen der Erde.
Breitere Datensammlung schaffen
Grund genug für die südenglische Uni Plymouth eine breitere Datensammlung mithilfe der App zu schaffen – und für mich, als Liebhaber des Meeres, dabei zu helfen.
"Die Scheibe ist fertig. Ahoi und ab auf die hohe See, jetzt geht es dran auf dem nächsten Schiff anzuheuern, auf dem eigenen Forschungsschiff und dann heißt es messen, messen, messen."
"Es war ein kalter, sehr windiger Spätwintertag auf dem niederländischen Ijsselmeer, an dem ich mit meiner kleinen Mannschaft aus Hobbyskippern Segel setzte. Hoher Seegang und bis zu 7 Windstärken machten dem Boot, den Segeln und der Mannschaft ordentlich zu schaffen."
Und dann war es soweit. Nach einem Beidreher, das ist ein Manöver, dass das Boot trotz Segel und Seegang einigermaßen ruhig im Wasser liegen lässt, versuchte ich mit der Secchi-Scheibe und der App erste Messungen durchzuführen.
"Als erstes werde ich jetzt mit der App die Position bestimmen. Wir befinden uns auf 52 Grad Nord, 22,66 Minuten und 5 Grad Ost, 34,35 Minuten. Das heißt wir befinden uns etwas westlich von der kleinen Stadt Urk im Ijsselmeer. Wie viel Seemeilen (aus dem Hintergrund: eineinhalb) – eineinhalb Seemeilen. Jetzt werden wir hier mal ne Messung durchführen, es ist ziemlich kalt, ziemlich windig. Und ab damit ins Wasser."
So einfach wie in der App beschrieben war es dann doch nicht. In der Realität ist die Wasseroberfläche eben nicht so glatt wie in der Beispielzeichnung der App und die Scheibe sinkt nicht senkrecht hinab. Der kräftige Wind und die Wellen ließen sie sofort abdriften. Nach ein paar Versuchen hatte ich trotzdem ein Ergebnis: Die Sichttiefe liegt bei rund 50 Zentimeter an dieser Position.
"Ich trage es jetzt in die App ein, die die Daten so lange speichert, bis das Mobiltelefon oder Tablet wieder eine Datenverbindung hat ..."
Der Lerneffekt ist groß
Und dann passierte es. Bei einer weiteren Messung kam eine Windböe auf, die Wellen werden kurzzeitig höher, das Boot bewegte sich mit ihnen ... und meine selbstgebaute Secchi-Scheibe wurde vom Maßband ab und in die Tiefe gerissen. Hinterherspringen stand bei ein Grad Wassertemperatur wohl nicht zur Debatte ...
"Oh nein. Meine Scheibe ist weg ... Mist."
Natürlich wäre es klüger gewesen, wenn ich die Scheibe nicht nur mit Maßband, sondern auch noch mit einer zusätzlichen Leine gesichert hätte ...Tja.
Ich hoffe, dass meine paar Messungen trotzdem den Forschern in Plymouth ein wenig helfen. Auf Nachfrage beim Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel erfuhr ich, dass die Secchi-Scheibe ein durchaus zuverlässiges Instrument zur Messung von Plankton ist, wenn auch nicht hundertprozentig genau.
Mein amateurhafter Versuch mich an der Planktonforschung zu beteiligen endete, zumindest für meine selbstgebaute Secchi-Scheibe, auf dem Grund des Meeres. Vielleicht sollte ich das in Zukunft eher den Profis überlassen. Am Ende sind aber auch nicht die gewonnenen Daten so wertvoll für mich, sondern gelernt zu haben, dass diese winzigen Pflanzen, die nicht einmal den Durchmesser eines menschlichen Haares erreichen, in den Weltmeeren für mein Überleben unersetzlich sind.
Mit dem Gedanken sage ich: Ahoi, Kameraden!
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