Bürger gewinnen mehr Einfluss auf die Energiewende
Der Anwalt, Autor und Energieexperte Peter Becker spricht sich für eine Rekommunalisierung der Stromnetze aus. Der Rückkauf des Netzes verhelfe Bürgern und Abgeordneten zu direkter Einflussnahme.
Jörg Degenhardt: Ohne Streit geht es nicht beim Thema Energiewende, da ist sich der erste Mann im Staate, da ist sich Bundespräsident Gauck sicher. Die künftige Bundesregierung müsse die praktischen Grundlagen für deren Gelingen legen, sagte er am letzten Wochenende. Die Wende müsse für Produzenten und Verbraucher wirtschaftlich tragfähig sein. Am nächsten Wochenende, am kommenden Sonntag, können rund 2,4 Millionen Wahlberechtigte in der deutschen Hauptstadt ein energiepolitisches Signal setzen in die eine oder in die andere Richtung, dann geht es um den Rückkauf des Berliner Stromnetzes. Aber was hat der Kauf eines Energienetzes mit der Energiewende zu tun? Auch darüber möchte ich reden mit Peter Becker, er ist seit Anwalt seit 20 Jahren im Energierecht zu Hause, und er hat ein Buch geschrieben, "Aufstieg und Krise der deutschen Stromkonzerne". Guten Tag, Herr Becker!
Peter Becker: Guten Tag!
Degenhardt: Ein deutschlandweiter Trend erreicht gewissermaßen Berlin, das privatisierte Stromnetz soll wieder der öffentlichen Hand gehören. Was bringt das dem Bürger?
Becker: Das bringt dem Bürger direkte Einflussnahme, denn wenn, wie in vielen Stadtwerken ja vorhanden, die Netze beim Stadtwerk liegen, kann man den Zubau erneuerbarer Energien beispielsweise auf das Stromnetz abstimmen. Und es ist keineswegs richtig, dass Kupferkabel gleich Kupferkabel ist, sondern ein Netz wird anders ausgelegt, anders gefahren, wenn es für die Energiewende zur Verfügung steht. Und in einer Gemeinde kann eben das Gemeindeparlament auf diese Grundsatzfragen der Energieversorgung und der Energiewende Einfluss nehmen.
Degenhardt: Das heißt, das Netz ist nicht einfach ein neutraler Akteur?
Becker: Nein. Sondern es kann ganz unterschiedlich gestaltet werden. Die große Frage ist, wie intensiv beispielsweise stellt man sich auf die Probleme der Energiewende ein, die beispielsweise darin liegen, dass fluktuierende Energien ¬– Wind, Sonne – nicht immer zur Verfügung stehen. Dafür braucht man entweder Speicher, die sind noch in ausreichendem Umfang nicht da. Deswegen könnte man Biomasse nehmen, man muss Strom zukaufen, beispielsweise aus Gasturbinen, die man auch selbst betreiben kann. Man kann Fernwärmeanlagen betreiben und hat dann mit der Fernwärme auch eine Gasverstromung, wenn man das in Kraft-Wärme-Koppelung betreibt. Also es gibt eine Vielfalt technischer Möglichkeiten, um sich auf die Energiewende einzustellen.
Degenhardt: Was hat die Umwelt davon, wenn das privatisierte Stromnetz dann möglicherweise auch in Berlin wieder in die öffentliche Hand kommt?
Becker: Die Umwelt profitiert von der Energiewende, und die Energiewende wieder wird dann am besten betrieben, und das zeigen viele kleinere Kommunen, wo ja massiv Energiewende betrieben wird, zum Beispiel – das ist jetzt keine Kleinstadt –, sondern München strebt an, im Jahr 2015 sämtliche Haushaltskunden aus erneuerbaren Energien zu versorgen. Und damit hat natürlich eine Kommune einen gewaltigen Einfluss auf das Vorankommen der Energiewende, möglicherweise aber auch auf die Blockade. Und wenn Vattenfall als Berliner Netzbetreiber, aber auch Versorger seinen Braunkohlestrom unterbringen will, werden die keine große Freude am Aufbau von Windkraftwerken und PV [Photovoltaik, Anm. d. Red.]haben.
Degenhardt: Herr Becker, Arbeitsplätze und bezahlbare Energie seien wichtiger als die Energiewende, hören wir in diesen Tagen zum Beispiel aus Nordrhein-Westfalen, und das alles im Umfeld der Berliner Koalitionsverhandlungen. Erneuerbare kontra konventionelle Energien – befinden wir uns gerade in der entscheidenden Phase dieses Streits?
Becker: Dieser Streit läuft im Grunde schon seit 1990, dem Stromeinspeisungsgesetz, denn seit dieser Zeit ist klar, dass erneuerbare Energien ständig zunehmen und auf diese Art und Weise die fossilen Energien verdrängen. Das heißt, es rasen zwei Züge aufeinander zu, wie ich das in meinem Buch auch beschrieben habe, und jetzt, im Umfeld der Bundestagswahl hat die Gegenseite, sag ich mal, in Anführungszeichen, "massiv mobilisiert", also wir finden in der Presse richtige Kampagnen gegen die Energiewende und gegen die erneuerbaren Energien. Ich will die Organe jetzt nicht beschreiben, aber …
Degenhardt: Meinen Sie jetzt mit Gegenseite Parteien, die Union oder jetzt auch die SPD in Nordrhein-Westfalen?
Becker: Ich meine vor allem die Stromkonzerne, denen natürlich das Verdrängen und das Abschalten ihrer Kraftwerke nicht passt. Allerdings muss ich sagen, dieser ganze Prozess ist nicht aufzuhalten, aber rund um die Bundestagswahl hat man massiv mobilisiert. Und man muss ja eins einräumen: Die Energiewende ist nicht gut konstruiert, im Moment. Es gibt Fehler bei der Bemessung der EEG-Umlage, damit zu hohe Strompreise. Die Industrie wird entlastet. Die Frage ist, muss der Haushaltskunde diese Industrieentlastung bezahlen? Und, und, und. Also, das muss alles mit seiner hohen Komplexität bedacht werden. Und da kommt jetzt Hannelore Kraft und sagt, ich dulde nicht, dass mein armes RWE seine schönen neuen Kraftwerke abschalten muss. Und da ist natürlich was dran.
Degenhardt: Es geht um Arbeitsplätze.
Becker: Richtig. Und das ist auch ein Belang, der in der Energiewende berücksichtigt werden muss. Ich bin beispielsweise der Auffassung, dass, wenn ein Unternehmen wie RWE ein neues Kraftwerk in einer Zeit geplant und gebaut hat, als vom Staat die Signale kamen, wir brauchen neue Kraftwerke, dann muss man einen Weg finden, mit dem man dieses Unternehmen auch für die Investition belohnt. Allerdings muss man die verschiedenen Erzeugungsformen anhand auch des energiepolitischen Ziels der Energiewende und der CO2-Vermeidung, das muss man alles unter einen Hut bringen.
Degenhardt: Das werden wir in weiteren Gesprächen erörtern können. Stromnetz und Energiewende und wo wir da derzeit stehen. Das war der Energierechtler und Autor Peter Becker. Von ihm gerade erschienen ist das Buch "Aufstieg und Krise der deutschen Stromkonzerne". Herr Becker, vielen Dank für das Gespräch!
Becker: Ich bedanke mich, Herr Degenhardt!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Peter Becker: Guten Tag!
Degenhardt: Ein deutschlandweiter Trend erreicht gewissermaßen Berlin, das privatisierte Stromnetz soll wieder der öffentlichen Hand gehören. Was bringt das dem Bürger?
Becker: Das bringt dem Bürger direkte Einflussnahme, denn wenn, wie in vielen Stadtwerken ja vorhanden, die Netze beim Stadtwerk liegen, kann man den Zubau erneuerbarer Energien beispielsweise auf das Stromnetz abstimmen. Und es ist keineswegs richtig, dass Kupferkabel gleich Kupferkabel ist, sondern ein Netz wird anders ausgelegt, anders gefahren, wenn es für die Energiewende zur Verfügung steht. Und in einer Gemeinde kann eben das Gemeindeparlament auf diese Grundsatzfragen der Energieversorgung und der Energiewende Einfluss nehmen.
Degenhardt: Das heißt, das Netz ist nicht einfach ein neutraler Akteur?
Becker: Nein. Sondern es kann ganz unterschiedlich gestaltet werden. Die große Frage ist, wie intensiv beispielsweise stellt man sich auf die Probleme der Energiewende ein, die beispielsweise darin liegen, dass fluktuierende Energien ¬– Wind, Sonne – nicht immer zur Verfügung stehen. Dafür braucht man entweder Speicher, die sind noch in ausreichendem Umfang nicht da. Deswegen könnte man Biomasse nehmen, man muss Strom zukaufen, beispielsweise aus Gasturbinen, die man auch selbst betreiben kann. Man kann Fernwärmeanlagen betreiben und hat dann mit der Fernwärme auch eine Gasverstromung, wenn man das in Kraft-Wärme-Koppelung betreibt. Also es gibt eine Vielfalt technischer Möglichkeiten, um sich auf die Energiewende einzustellen.
Degenhardt: Was hat die Umwelt davon, wenn das privatisierte Stromnetz dann möglicherweise auch in Berlin wieder in die öffentliche Hand kommt?
Becker: Die Umwelt profitiert von der Energiewende, und die Energiewende wieder wird dann am besten betrieben, und das zeigen viele kleinere Kommunen, wo ja massiv Energiewende betrieben wird, zum Beispiel – das ist jetzt keine Kleinstadt –, sondern München strebt an, im Jahr 2015 sämtliche Haushaltskunden aus erneuerbaren Energien zu versorgen. Und damit hat natürlich eine Kommune einen gewaltigen Einfluss auf das Vorankommen der Energiewende, möglicherweise aber auch auf die Blockade. Und wenn Vattenfall als Berliner Netzbetreiber, aber auch Versorger seinen Braunkohlestrom unterbringen will, werden die keine große Freude am Aufbau von Windkraftwerken und PV [Photovoltaik, Anm. d. Red.]haben.
Degenhardt: Herr Becker, Arbeitsplätze und bezahlbare Energie seien wichtiger als die Energiewende, hören wir in diesen Tagen zum Beispiel aus Nordrhein-Westfalen, und das alles im Umfeld der Berliner Koalitionsverhandlungen. Erneuerbare kontra konventionelle Energien – befinden wir uns gerade in der entscheidenden Phase dieses Streits?
Becker: Dieser Streit läuft im Grunde schon seit 1990, dem Stromeinspeisungsgesetz, denn seit dieser Zeit ist klar, dass erneuerbare Energien ständig zunehmen und auf diese Art und Weise die fossilen Energien verdrängen. Das heißt, es rasen zwei Züge aufeinander zu, wie ich das in meinem Buch auch beschrieben habe, und jetzt, im Umfeld der Bundestagswahl hat die Gegenseite, sag ich mal, in Anführungszeichen, "massiv mobilisiert", also wir finden in der Presse richtige Kampagnen gegen die Energiewende und gegen die erneuerbaren Energien. Ich will die Organe jetzt nicht beschreiben, aber …
Degenhardt: Meinen Sie jetzt mit Gegenseite Parteien, die Union oder jetzt auch die SPD in Nordrhein-Westfalen?
Becker: Ich meine vor allem die Stromkonzerne, denen natürlich das Verdrängen und das Abschalten ihrer Kraftwerke nicht passt. Allerdings muss ich sagen, dieser ganze Prozess ist nicht aufzuhalten, aber rund um die Bundestagswahl hat man massiv mobilisiert. Und man muss ja eins einräumen: Die Energiewende ist nicht gut konstruiert, im Moment. Es gibt Fehler bei der Bemessung der EEG-Umlage, damit zu hohe Strompreise. Die Industrie wird entlastet. Die Frage ist, muss der Haushaltskunde diese Industrieentlastung bezahlen? Und, und, und. Also, das muss alles mit seiner hohen Komplexität bedacht werden. Und da kommt jetzt Hannelore Kraft und sagt, ich dulde nicht, dass mein armes RWE seine schönen neuen Kraftwerke abschalten muss. Und da ist natürlich was dran.
Degenhardt: Es geht um Arbeitsplätze.
Becker: Richtig. Und das ist auch ein Belang, der in der Energiewende berücksichtigt werden muss. Ich bin beispielsweise der Auffassung, dass, wenn ein Unternehmen wie RWE ein neues Kraftwerk in einer Zeit geplant und gebaut hat, als vom Staat die Signale kamen, wir brauchen neue Kraftwerke, dann muss man einen Weg finden, mit dem man dieses Unternehmen auch für die Investition belohnt. Allerdings muss man die verschiedenen Erzeugungsformen anhand auch des energiepolitischen Ziels der Energiewende und der CO2-Vermeidung, das muss man alles unter einen Hut bringen.
Degenhardt: Das werden wir in weiteren Gesprächen erörtern können. Stromnetz und Energiewende und wo wir da derzeit stehen. Das war der Energierechtler und Autor Peter Becker. Von ihm gerade erschienen ist das Buch "Aufstieg und Krise der deutschen Stromkonzerne". Herr Becker, vielen Dank für das Gespräch!
Becker: Ich bedanke mich, Herr Degenhardt!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.