"Wir haben kein Vertrauen in das Assad-Regime"
Bassam Abdullah, Botschafter der oppositionellen syrischen Nationalen Koalition in Deutschland, hat die an der Syrien-Konferenz in der Schweiz teilnehmenden Länder aufgefordert, Präsident Baschar al-Assad zum Einlenken zu zwingen. Die Tatsache, dass die syrische Opposition mit am internationalen Verhandlungstisch sitze, sei "eine große Chance".
Hanns Ostermann: Ist sie auch diesmal zum Scheitern verurteilt, die zweite internationale Syrien-Konferenz? Die Erwartungen jedenfalls sind aus guten Gründen gedämpft, die Fronten des Bürgerkrieges sind verhärteter als je zuvor. Und für Verwirrung hatte nicht zuletzt auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon gesorgt – erst lud er den Iran ein, dann wieder aus. Die hohe Kunst der Diplomatie sieht sicher anders aus. Lieferte das Chaos der vergangenen Tage also einen Vorgeschmack darauf, wie die Verhandlungen jetzt verlaufen könnten? Darüber möchte ich mit Bassam Abdullah reden. Er ist Botschafter der syrischen Nationalen Koalition in Deutschland, also der Dachorganisation der Opposition. Guten Morgen, Herr Abdullah!
Bassam Abdullah: Guten Morgen, Herr Ostermann!
Ostermann: Mancher Politiker wäre schon zufrieden, gäbe es demnächst einige Kampfpausen oder humanitäre Korridore. Hätten sich dann auch für Sie schon die Gespräche, hätte sich da schon die Konferenz gelohnt?
Abdullah: Das ist ja unsere große Hoffnung, dass diese Konferenz zunächst zu solchen Lösungen mindestens führt für die Zivilbevölkerung in Syrien. Die humanitären und die Hilfsmaßnahmen sind jetzt unsere größte Priorität natürlich neben der politischen Lösung für Syrien. Die Hoffnungen sind noch da, und wir sind mit unserer vollen Kraft und voller Hoffnung in diese Konferenz reingegangen. Allerdings, ein großes Vertrauen in das syrische Regime haben wir nicht, das Vertrauen ist in die internationale Gemeinschaft, die diese Maßnahmen und diese Krise endlich zu einer Lösung bringt.
Ostermann: Immerhin sind Sie bereit, sich mit Vertretern des Assad-Regimes an einen Tisch zu setzen. Ist das nicht schon prinzipiell ein Fortschritt?
Abdullah: Das ist ein großer Fortschritt für die ganze Krise in Syrien. Allerdings für die Opposition, für die syrische Koalition ist es ja natürlich eine große Chance, dieses Regime endlich zu zwingen, zu einer Lösung zu kommen, und nicht mehr diese gewalttätigen Maßnahmen gegen die Zivilbevölkerung in Syrien durchzuführen. Das Regime ist die Hauptursache dieser ganzen Katastrophen und der humanitären Krise in Syrien, und wir haben die Hoffnung, dass mit großer Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, dass dieses Regime gedrückt wird und geprägt wird und gezwungen zu einer humanitären … und mindestens es zu Korridoren für Hilfsmaßnahmen in Syrien zu bringen.
Ostermann: Nun fehlt der Iran. Der wäre doch aber wichtig, weil er Einfluss auf Baschar al-Assad hat, ihn finanziert und unterstützt. Kann es einen Friedensprozess ohne Teheran überhaupt geben?
Abdullah: Langfristig kann ich Ihnen zustimmen. Iran muss in Zukunft eingebunden werden in den Konflikt in Syrien und in eine Lösung in Syrien. Allerdings, bisher war die Position des Iran überhaupt nicht klar. Also, die Offenheit des Iran gegenüber dem Recht der syrischen Bevölkerung ist nicht offen genug, um jetzt, für die heutigen Treffen in Genf sie einzuladen. Sie hat sich nicht bereit erklärt, eine Anerkennung für das Genf-I-Kommuniqué zu geben. Sie hat sich bis jetzt nicht klar positioniert für die syrische Bevölkerung und ihr Recht auf einen demokratischen Wandel in Syrien. Und daher, die Grundvoraussetzung für die Teilnahme an den heutigen Gespräche in Genf ist vom Iran nicht erfüllt, und von daher macht es keinen Sinn, dass sie dann an den heutigen Gesprächen teilnimmt. Wie gesagt, wir wissen, dass Iran wichtig ist in der Region, und er ist jederzeit bei solchen Gesprächen herzlich eingeladen, aber nur, wenn er die Voraussetzungen für solche Gespräche und für das Recht der syrischen Bevölkerung erfüllt.
Ostermann: Jetzt haben Sie eben von der ersten Syrien-Konferenz gesprochen. Da einigte man sich auf eine Übergangsregierung, aber an die denkt ja derzeit überhaupt keiner in der Praxis. Im Gegenteil macht aber Assad, überlegt sogar, für eine dritte Amtszeit zu kandidieren, und Vertreter der Exil-Opposition will er auf keinen Fall an der Macht beteiligen – das wäre ein Witz, soll er gesagt haben. Wer soll ihm das denn ausreden, wenn nicht Vertreter aus Moskau und insbesondere auch aus Teheran?
Abdullah: Wie gesagt, wir haben kein Vertrauen in das Assad-Regime. Das Vertrauen ist schon längst verloren. Aber an die internationale Gemeinschaft ist noch die Hoffnung da, dass sie Assad zwingen zu einer Lösung und einem demokratischen Wandel in Syrien. Was jetzt alles vorher gesagt wird vom Assad-Regime, das ist auch für uns nicht überraschend, denn es ist der Kern des Konfliktes, sein Verhalten und seine Reden schon von Anfang an. Aber wir glauben, dass diese Konferenz ist anders dieses Mal. Es sind Vertreter von 40 Staaten da, Russland ist da, und die Voraussetzung vom Genf-I-Kommuniqué sind von allen akzeptiert und anerkannt, was zu einem demokratischen Wandel und einer Übergangsphase zwingt. Und daher sind wir auch bei dieser Konferenz da, und die Hoffnung haben wir noch.
Anmerkung der Onlineredaktion: Zur besseren Lesbarkeit haben wir das Interview an einigen Stellen sprachlich geglättet.
Ostermann: Die Lage in Syrien ist aber nicht zuletzt deshalb auch schwierig, weil die Opposition in sich zerstritten ist. Radikale Islamisten spielen eine immer größere Rolle. Sehen nicht viele Menschen auch in Syrien inzwischen Assad als so etwas wie das kleinere Übel an?
Abdullah: Das hat Assad auf jeden Fall versucht, die internationale Gemeinschaft und auch die Syrer zu dieser Lösung zu bringen. Allerdings ist das ja groß gescheitert, denn die Opposition, die Koalition kämpft zurzeit gegen Extremisten und die radikalen Gruppen in Syrien, und die Nachrichten sind ja klar von dort. Das ist auf jeden Fall gescheitert. Wir sind jetzt dabei, die internationale Gemeinschaft zu überzeugen, dass die Koalition die legitime Vertretung der syrischen Bevölkerung ist. Probleme gibt es ja, aber wir sind stark genug, um solche Entscheidungen zu treffen und die syrische Bevölkerung zu vertreten.
Ostermann: Bassam Abdullah war das, der Botschafter der Syrischen Nationalen Koalition in Deutschland. Festzuhalten bleibt also, ohne Hoffnung fährt man nicht nach Genf oder heute Montreux. Herr Abdullah, ich danke Ihnen sehr für das Gespräch heute früh!
Abdullah: Ich danke auch!
Anmerkung der Onlineredaktion: Zur besseren Verständlichkeit haben wir das Interview an einigen Stellen sprachlich leicht geglättet.
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