Selbst die Linke stimmte für die CDU
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Bürgermeisterwahl in Görlitz: Der CDU-Kandidat Octavian Ursu hat gewonnen, der AfD-Kandidat Sebastian Wippel verloren. Letzterer sieht sich aber nicht als Verlierer, hat er doch immerhin 45 Prozent der Stimmen geholt.
Stadtmarketing mit dem neuen Oberbürgermeister: Görliwood, OB-Wahl, 55 Prozent - so steht es auf der Filmklappe, die der CDU-Kandidat Octavian Ursu den Fotografen entgegenhält.
Ursu steht bei seiner Wahlparty auf dem Görlitzer Untermarkt, zwischen Rathaus und polnischer Grenze. Er setzt sich gegen den AFD-Kandidaten durch und wird neuer Oberbürgermeister der Stadt, die wegen ihrer restaurierten Altstadt oft als Filmkulisse dient und sich gern selbst als Görliwood in Szene setzt:
"Ich freue mich natürlich, dass eine Mehrheit sich für mich entschieden hat, wobei am Ende ging es gar nicht mehr um die zwei Kandidaten. Es ging um die Ausrichtung dieser Stadt nach außen. Ob wir eine offene Gesellschaft bleiben, eine offene Europastadt. Oder ob wir uns abschotten. Und die Mehrheit hat sich für eine offene Gesellschaft entschieden."
Und damit gegen das Label "erste Stadt mit AfD-Oberbürgermeister". Trotz des geringen Vorsprungs ist die Stimmung bei der Wahlparty der CDU vor allem: erleichtert.
"Ich bin hochzufrieden. Wir als Europastadt, als die Grenzstadt, die keine Grenzen mehr hat. Und wenn da das Wort Grenzen wieder fällt, dann wird mir ein bisschen bange, weil ich bin DDR-Bürger und hier an der polnischen Grenze habe ich wirklich Grenze erlebt."
Oberbürgermeister Ursu möchte auf die anderen zugehen
Berufsmusiker und Landtagsabgeordneter Ursu, der in Rumänien geboren und Anfang der 90er-Jahre nach Görlitz gekommen war, hatte im ersten Wahlgang mit 30 Prozent der Stimmen nur zwei Prozent mehr geholt als die Kandidatin der Grünen, Franziska Schubert.
Sieger im ersten Wahlgang: die AfD. Die grüne Kandidatin hatte daraufhin zurückgezogen, sie und ihre Unterstützer wie das Bündnis "Bürger für Görlitz" hatten mehr oder weniger zur Wahl Ursus aufgerufen. Einige von ihnen feiern an diesem Abend mit dem neuen OB.
"Ich bin sehr zufrieden. Auch als 'Bürger für Görlitz e.V.' freue ich mich über dieses Wahlergebnis. Wenn auch im ersten Wahlgang Franziska Schubert meine Favoritin war. Aber ich freue mich auf die Zusammenarbeit, die in Zukunft entstehen wird."
Selbst die Linke stimmte für die CDU. Ab Tag eins nach dem Wahltag gehe es um Sachthemen, sagt der zukünftige Oberbürgermeister Octavian Ursu:
"Jetzt ist eine wichtige Aufgabe, auf die anderen zuzugehen und versuchen, Vertrauen zu gewinnen."
Auch derjenigen, die für die AfD gestimmt hatten. Dort gibt es lange Gesichter, je klarer sich die Niederlage am Wahlabend abzeichnete. AfD-Kandidat Sebastian Wippel aber sieht sich nicht als Verlierer.
"Für mich ist das ein ganz hervorragendes Ergebnis. Und ich kann mich da auch wirklich nur bei allen bedanken, die in Görlitz für einen Wechsel gewählt haben. Es hat nicht ganz gereicht, aber es war am Ende aus meiner Sicht keine Wahl für Herrn Ursu, sondern es war eine Wahl gegen den AfD-Kandidaten."
Jede Menge mediale Aufmerksamkeit
Unterschiedlich die Stimmung auf der AfD-Wahlparty in einem Biergarten im Görlitzer Süden:
"Ich habe vorher gesagt, alles was über 40 Prozent ist, ist gut, alles was über 45 ist, ist sehr gut, und der Rest wäre das Sahnehäubchen gewesen."
"Wir sind total schockiert. Das ist ein gezinktes Ergebnis. Die Linken und die Grünen haben ihre Stimmen für die CDU gegeben. Das ist kein reales Ergebnis. Wir sind total enttäuscht."
Nach mehreren Wochen intensiven Wahlkampfs, bundesweiter Medienaufmerksamkeit und einem Brief von Hollywood-Schauspielern steht fest: Görlitz wird nicht die erste deutsche Stadt sein, in der ein AfD-Politiker Oberbürgermeister wird. Stattdessen gehe an diesem Abend trotz 44 Prozent der Stimmen für die AfD ein anderes Signal von der östlichsten Stadt Deutschlands aus, findet Wahlsieger Octavian Ursu:
"Ich denke, es ist ein positives Zeichen, dass man auch mit den Themen offene Gesellschaft, Weltoffenheit, Europa, Wahlen gewinnen kann."
Die nächste Wahl steht schon in zweieinhalb Monaten an: Dann wählt Sachsen einen neuen Landtag.