Bürgerrechte nur auf dem Papier
Ab Mitte der 1930-ziger Jahre setzte Parteichef Josef Stalin eine Terrorwelle gegen angebliche Volksfeinde und Saboteure in Gang. Wie Hohn nimmt sich daneben die Gewährleistung bürgerlicher Grundrechte in der neuen Verfassung aus, die am 5. Dezember 1936 ebenfalls auf Stalins Veranlassung verabschiedet wurde.
"Am Radioapparat. Gleich wird Stalin sprechen! Eine Glocke. Rufe, Ausbrüche der Begeisterung. Lärm, nicht enden wollende Ovationen. Unter solchem Lärm, unter solcher Begeisterung – möchte man denken und möchte man leben. Man möchte, scheint es, selber in das Rufen einstimmen. Stalin! Ich werde zuhören."
Gebannt verfolgte der Politiker und Journalist, Nikolaj Ustrjalov, wie Millionen seiner Mitbürger, die im Radio direkt übertragene Rede Josef Stalins "Über den Entwurf der Verfassung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken". Die Worte Stalins, des Generalsekretärs der Kommunistischen Partei (Bolschewiki), sollten zur Richtschnur werden, nach der die Abgeordneten im Kreml die neue sowjetische Verfassung am 5. Dezember 1936 durch Akklamation zu verabschieden hatten. Der Stalin-Biograf Stefan Creuzberger schreibt:
"Am Ende stand ein Verfassungswerk, das direkte Wahlen zu den Sowjets aller Ebenen, Presse-, Rede- und Religionsfreiheit, Gleichberechtigung der Rassen und Geschlechter, das Recht auf Arbeit, Freizeit, Wohlfahrt, Bildung, Wohnraum und vieles mehr theoretisch garantierte."
Im Revolutionsjahr 1917 wurde erstmals eine verfassunggebende Versammlung vom Volk gewählt, die allerdings am Tage ihres Zusammentretens von Lenin, dem Führer der Bolschewiki, gewaltsam aufgelöst wurde. Seine Partei hatte die 1. Sowjetische Verfassung zu diktieren. Der Osteuropahistoriker Helmut Altrichter notiert:
"Diese 1918 verabschiedete 1.Verfassung sah ihre Hauptaufgabe in der Aufrichtung einer Diktatur des Proletariats und der ärmsten Schichten der Bauernschaft, der vollständigen Unterdrückung der Bourgeoisie und der Beseitigung jeder Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. Am Ende dieser "Übergangsperiode" müsse die Errichtung des Sozialismus stehen. Die Ausübung der Bürgerrechte war eingeschränkt und an den Staatszweck gebunden."
Nach Lenins Tod hatte Josef Stalin bis Mitte der 30ziger-Jahre die gesamte Macht im Staat und in der einzig bestehenden, der Kommunistischen Partei, in seine Hände gebracht. Willfähriges Werkzeug war die Geheimpolizei. Drei sogenannte "gute Jahre", von 1934 – 36, verdankten sich vor allem den Ernten. Nicht mehr hungern zu müssen, galt schon als Wohlstand. Diesen günstigen Augenblick wählte Stalin, seine Verfassung zu verkünden:
"Unsere Sowjetgesellschaft hat erreicht, dass sie den Sozialismus im Wesentlichen schon verwirklicht, die sozialistische Gesellschaftsordnung errichtet, das heißt, dass sie das verwirklicht hat, was bei den Marxisten sonst die erste oder untere Phase des Kommunismus genannt wird. Also ist bei uns die erste Phase des Kommunismus, der Sozialismus, im Wesentlichen bereits verwirklicht."
Später wurde Stalin zugebilligt, versucht zu haben, durch die Verfassung einen sowjetischen Patriotismus zu wecken, den er dem bedrohlicher werdenden Faschismus entgegenstellen wollte.
Für die sowjetische Gesellschaft erwies sich als entscheidend, dass Stalin einen Artikel in die Verfassung eingebracht hatte, der ausschließlich den Bolschewiki die führende Rolle sicherte. Also der Partei, die ihm sklavisch folgte und die sich dem Staatsapparat unterworfen hatte. Die Verfassung sicherte Stalins Diktatur.
Von den Völkern der Sowjetunion sei die neue Verfassung, ihrem Schöpfer zu Ehren, einmütig die "Stalinsche Verfassung" genannt worden, verbreitete die Propaganda. Aus einem zeitgenössischen sowjetischen Witz sprach eher Zurückhaltung. Ein Kind fragt seinen Vater:
"Ist das jetzt schon der vollendete Kommunismus oder wird es noch schlimmer?"
Schon ein viertel Jahr vor Verabschiedung der Verfassung hatte Chefankläger Andrej Wyschinskij auf Stalins Geheiß in einem Moskauer Schauprozess gegen angebliche trotzkistische Verschwörer seine berüchtigte Forderung in den Saal geschleudert:
"Die Verräter und Spione, die unsere Heimat verschachern wollten, müssen wie Hunde erschossen werden!"
Und nur einen Monat nach Verabschiedung der Verfassung begann der nächste Schauprozess. Eine unvergleichliche Terrorwelle rollte über das Land. Die in der Verfassung garantierten Rechte wurden ignoriert.
Stalins Nachfolger, Nikita Chrustschow, veranlasste die Ausarbeitung einer neuen Verfassung, die schließlich 1977 verabschiedet wurde.
Gebannt verfolgte der Politiker und Journalist, Nikolaj Ustrjalov, wie Millionen seiner Mitbürger, die im Radio direkt übertragene Rede Josef Stalins "Über den Entwurf der Verfassung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken". Die Worte Stalins, des Generalsekretärs der Kommunistischen Partei (Bolschewiki), sollten zur Richtschnur werden, nach der die Abgeordneten im Kreml die neue sowjetische Verfassung am 5. Dezember 1936 durch Akklamation zu verabschieden hatten. Der Stalin-Biograf Stefan Creuzberger schreibt:
"Am Ende stand ein Verfassungswerk, das direkte Wahlen zu den Sowjets aller Ebenen, Presse-, Rede- und Religionsfreiheit, Gleichberechtigung der Rassen und Geschlechter, das Recht auf Arbeit, Freizeit, Wohlfahrt, Bildung, Wohnraum und vieles mehr theoretisch garantierte."
Im Revolutionsjahr 1917 wurde erstmals eine verfassunggebende Versammlung vom Volk gewählt, die allerdings am Tage ihres Zusammentretens von Lenin, dem Führer der Bolschewiki, gewaltsam aufgelöst wurde. Seine Partei hatte die 1. Sowjetische Verfassung zu diktieren. Der Osteuropahistoriker Helmut Altrichter notiert:
"Diese 1918 verabschiedete 1.Verfassung sah ihre Hauptaufgabe in der Aufrichtung einer Diktatur des Proletariats und der ärmsten Schichten der Bauernschaft, der vollständigen Unterdrückung der Bourgeoisie und der Beseitigung jeder Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. Am Ende dieser "Übergangsperiode" müsse die Errichtung des Sozialismus stehen. Die Ausübung der Bürgerrechte war eingeschränkt und an den Staatszweck gebunden."
Nach Lenins Tod hatte Josef Stalin bis Mitte der 30ziger-Jahre die gesamte Macht im Staat und in der einzig bestehenden, der Kommunistischen Partei, in seine Hände gebracht. Willfähriges Werkzeug war die Geheimpolizei. Drei sogenannte "gute Jahre", von 1934 – 36, verdankten sich vor allem den Ernten. Nicht mehr hungern zu müssen, galt schon als Wohlstand. Diesen günstigen Augenblick wählte Stalin, seine Verfassung zu verkünden:
"Unsere Sowjetgesellschaft hat erreicht, dass sie den Sozialismus im Wesentlichen schon verwirklicht, die sozialistische Gesellschaftsordnung errichtet, das heißt, dass sie das verwirklicht hat, was bei den Marxisten sonst die erste oder untere Phase des Kommunismus genannt wird. Also ist bei uns die erste Phase des Kommunismus, der Sozialismus, im Wesentlichen bereits verwirklicht."
Später wurde Stalin zugebilligt, versucht zu haben, durch die Verfassung einen sowjetischen Patriotismus zu wecken, den er dem bedrohlicher werdenden Faschismus entgegenstellen wollte.
Für die sowjetische Gesellschaft erwies sich als entscheidend, dass Stalin einen Artikel in die Verfassung eingebracht hatte, der ausschließlich den Bolschewiki die führende Rolle sicherte. Also der Partei, die ihm sklavisch folgte und die sich dem Staatsapparat unterworfen hatte. Die Verfassung sicherte Stalins Diktatur.
Von den Völkern der Sowjetunion sei die neue Verfassung, ihrem Schöpfer zu Ehren, einmütig die "Stalinsche Verfassung" genannt worden, verbreitete die Propaganda. Aus einem zeitgenössischen sowjetischen Witz sprach eher Zurückhaltung. Ein Kind fragt seinen Vater:
"Ist das jetzt schon der vollendete Kommunismus oder wird es noch schlimmer?"
Schon ein viertel Jahr vor Verabschiedung der Verfassung hatte Chefankläger Andrej Wyschinskij auf Stalins Geheiß in einem Moskauer Schauprozess gegen angebliche trotzkistische Verschwörer seine berüchtigte Forderung in den Saal geschleudert:
"Die Verräter und Spione, die unsere Heimat verschachern wollten, müssen wie Hunde erschossen werden!"
Und nur einen Monat nach Verabschiedung der Verfassung begann der nächste Schauprozess. Eine unvergleichliche Terrorwelle rollte über das Land. Die in der Verfassung garantierten Rechte wurden ignoriert.
Stalins Nachfolger, Nikita Chrustschow, veranlasste die Ausarbeitung einer neuen Verfassung, die schließlich 1977 verabschiedet wurde.