Abgehört, im Knast und doch weitergemacht
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Der Vater in der Partei, die Schwester am Regierungskrankenhaus - Ulrike Poppe aber wurde in den 80ern zu einer der bekanntesten DDR-Oppositionellen. 2009 wurde sie Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der Diktatur-Folgen in Brandenburg.
"Bürgerrechtlerin Ulrike Poppe", das ist für die heute 66-Jährige fast so etwas wie ein Lebenstitel geworden. Auch 30 Jahre nach dem Mauerfall wird Poppe häufig so vorgestellt. Tatsächlich hat sie sich selber nie so gesehen. "Das ist eine Fremdbezeichnung. Aber ich kann mich sehr gut damit arrangieren, zumal dieses Engagement mein Leben maßgeblich geprägt hat."
Ein Brief an die Volkskammer
Schon 1967, da war sie 14 Jahre, verfasste Ulrike Poppe mit Schulfreunden einen Brief an die Volkskammer. Die Jugendlichen stellen darin auch diese Frage: Wann wird es eine Wiedervereinigung geben? Dafür gab es reichlich Ärger. Weil ihr Vater in der Partei war, flog sie nicht von der Schule. Dabei war ihr Vater noch nicht einmal ein linientreuer SED-Genosse. "Es gab ein sehr offenes Klima, was politische Diskussionen anbetraf bei uns zu Hause. Mein Vater war zwar Mitglied in der Partei, aber ich merkte deutlich: sehr ungern! Er war in der Akademie der Wissenschaften und konnte sich das aus beruflichen Gründen wahrscheinlich nicht leisten, da auszutreten."
Obwohl Ulrike Poppe ab Mitte der 70er Jahre verstärkt in oppositionellen Kreisen aktiv wurde, machte sie Ihrem Vater nie Vorhaltungen und auch ihrer Schwester nicht, die als Oberärztin im DDR-Regierungskrankenhaus arbeitete und ebenfalls SED-Mitglied war.
Dieses Verständnis hat Ulrike Poppe auch später geholfen, zum Beispiel als erste Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur in Brandenburg. Acht Jahre, bis zu ihrem Ruhestand 2017, übte sie dieses Amt aus. "Ich habe verstanden, dass Menschen hereinrutschen konnten, wenn sie noch sehr jung waren, wenn sie aus einem parteitreuen Elternhaus kamen, wenn sie bisher noch nichts erfahren hatten über die Stasi."
Ulrike Poppe und die Stasi
Mit der Staatssicherheit hat auch Ulrike Poppe ihre eigenen Erfahrungen gemacht. Das MfS versuchte sie anzuwerben. Poppe fand aber einen Weg, sich der Mitarbeit zu entziehen. In ihrer Wohnung wurde sie abgehört und 1983 für sechs Wochen in den Stasi-Knast in Berlin-Hohenschönhausen eingesperrt. Man hatte ihr "landesverräterische Nachrichtenübermittlung" unterstellt. "Das Schlimmste war, dass diese Inhaftierung zu einer Zeit kam, in der ich ganz kleine Kinder hatte. Die waren zwei und vier Jahre alt."
Doch auch nach ihrer Entlassung engagierte sich Poppe weiterhin in Gruppen, die sich für eine andere DDR einsetzten. Das kostete viel Zeit. Von ihrer Tochter muss sich Ulrike Poppe heute auch Vorwürfe wie diesen gefallen lassen: "Ständig waren Leute da von der Friedensbewegung. Es ging immer nur, morgens, mittags, abends um Politik."
Heute, im Ruhestand, erzählt Ulrike Poppe noch immer gern von ihrem bewegten Leben in der DDR. Besonders Kindern und Jugendlichen, die sehr viel erfahren wollen, aber noch wenig darüber wissen, so Poppe.
Wenn heute AfD-Anhänger auf der Straße mit dem Slogan: "Wir sind das Volk" demonstrieren, dann ist das für sie "Blödsinn". Aber sie sagt auch: "Sie sollen das ruhig rufen. Ich bin dafür, dass sie alle Freiheiten genießen, die jeder Bürger der Bunderepublik genießt."