Bufdi auf Augenhöhe
Christina Biroths Behinderung war in ihrem bisherigen Berufsleben hinderlich. Die 25-Jährige sitzt seit ihrer Kindheit im Rollstuhl. Doch beim Bundesfreiwilligendienst im Pflegeheim verschafft ihr das Handicap durchaus Vorteile. Denn die Bewohner freuen sich, dass Biroth ihre Probleme kennt.
Ein schnittiger Mini rollt in den Wendehammer direkt vor dem Altenheim.
Das Auto ist sportlich-knallblau; auf der Farbe fallen die runden Aufkleber mit dem Rollstuhlzeichen gar nicht groß auf. Aber die Aufkleber sind da, das ist Christina Biroth, die Bundesfreiwillige im Rollstuhl. Sie braucht keinen Chauffeur, sie fährt sich selbst zur Arbeit:
"Am meisten freue ich mich jetzt auf die Menschen; dass die Leute sich so freuen, dass ich meine Arbeit verrichte. Das ist das Schönste."
Sie sitzt bei geöffneter Tür auf dem Fahrersitz und schaut sich um. Per Knopfdruck öffnet sie die Tür hinter sich und ihr Rolllstuhl wird sichtbar. Wie von Geisterhand senkt und dreht er sich auf den Asphalt zu. Jetzt muss Christina ihn nur noch auseinanderklappen. Es dauert zwar eine ganze Weile, bis sie sich vom Fahrersitz auf den Rollstuhl gehievt hat und ihr ganzes Gepäck aufgeladen bekommt, aber jede ihrer Bewegungen signalisiert: Finger weg, ich schaff das locker allein.
Pünktlich neun Uhr, Christina rollt über den Flur. Überall sitzen alte Leute, manche wie sie im Rollstuhl. Ihrer ist der sportlichste, blaue Räder, wie am Auto. Blau ist überhaupt ihre Farbe; zu blonden, kurzen Haaren und leuchtenden, braunen Augen.
Sie ist eigentlich gelernte Bürokauffrau. Aber keiner will ihr nach der Ausbildung eine feste Anstellung geben. In der Zeitung liest sie dann, dass das Alten- und Pflegeheim im Nachbarort, in Nachrodt, einen Bundesfreiwilligen sucht. Christina ruft an, stellt sich vor und kann sofort anfangen. Sie unterstützt den sozialen Dienst. Der kümmert sich darum, dass die Bewohner sich nicht langweilen:
"Hallo Frau Heck. ich wollte Sie zum Basteln abholen…"
Frau Heck sitzt auch im Rollstuhl, eine kleine, energische, aber auch schon in sich zusammengesunkene alte Dame. Fußgänger müssen sich zu ihr herunterbeugen; Christina begegnet ihr genau auf Augenhöhe:
"Die passt zu uns, wir mögen sie auch. Doch, wir mögen sie leiden."
"So, einmal Richtung Therapieraum …"
Die beiden schleichen los; Rolli-Kolonne über den Altenheim-Flur, Frau Heck vorneweg. Christina könnte schneller; aber sie passt sich an.
Frau Heck stockt, Christina schiebt von hinten nach. Sie ist von Geburt an gelähmt, sie ist im Rollstuhl aufgewachsen. Spina Bifida heißt ihre Krankheit.
Im Therapieraum sitzen vier Bewohner, eine Beschäftigungstherapeutin und Christina um einen riesigen Tisch herum. Finger tunken sich in Kleisterpötte, Papierschnipsel sollen damit benetzt werden, um dann vorgemalte Formen von Schneemännern auszufüllen - so der Plan. Aber manchmal brauchen die alten Leute zwei Tage, nur um den Hut fertig zu kriegen:
"Klar ist das manchmal auch relativ anstrengend, weil man eben auch persönliche Sachen erfährt von den Menschen, von daher ist es oft geistig ziemlich anstrengend, aber mich strengt das nicht so an wie die Arbeit im Büro, das macht mir hier auch sehr viel mehr Spaß als im Büro."
Das Zusammensein mit diesen Menschen tut Christina gut. Hier guckt sie keiner schief an, so wie draußen beim Einkaufen, auf der Straße oder gar in der Ausbildung, wo ihr kein Mensch irgendwas zugetraut hat:
"Nee, hier sind wir alle gleich - ja, und vor allem zeigt mir das dann auch, dass die Leute von Anfang an ungehemmt mit mir umgehen können, dass sie eben …"
Bewohner (fällt ihr ins Wort): "Ja, das isses doch - hier wird keiner sein, der nichts hat."
Christina ist eine der wenigen Bundesfreiwilligen mit Behinderung; genaue Zahlen werden nicht erfasst.
"Hallo, gibt´s hier was zu tun für mich?"
Im Büro sortiert sie täglich die Post. Vielleicht der einzige Raum im ganzen Altenheim, der nicht auf Rollstühle eingerichtet ist. Wenn sie sich an ihr extra für sie hineingestelltes Tischchen klemmt, kann sich die Chefin an ihrem Schreibtisch kaum noch bewegen. Johanna Schwitalla kann sich trotzdem vorstellen, Christina auf Dauer zu beschäftigen:
"Sie hat einen anderen Blickwinkel; sie kennt die Handicaps, die die Leute haben, sie weiß, wo sie Hilfe benötigen - das ist so - wir geben vielleicht zu viel Hilfe manchmal. Aber sie kann das besser einschätzen, was können die Leute noch alleine."
Servicedienst im Speisesaal; es geht aufs Mittagessen zu. Noch weiß Christina nicht, wie sie nach dem Bundesfreiwilligenjahr weitermachen will, welche Möglichkeiten es für sie in ihrem Rollstuhl gibt - aber die Richtung hat sie gefunden:
"Ich könnt mir auf jeden Fall vorstellen: Arbeit mit Menschen. Das wäre so mein Traum, dass ich Arbeit finde, wo ich mit Menschen arbeiten kann - das wär wunderbar."
Dass ihr das liegt, würde ihr jeder Bewohner des Nachrodter Hofs blind unterschreiben. Die Herrschaften haben sich schon erwartungsvoll im Flur vor dem Speisesaal aufgereiht, mit ihren Rollstühlen oder Rollatoren. Christina gleitet an ihnen vorbei und macht den Weg frei:
"Es gibt Grünkohl, soweit ich weiß …"
Zu viele Rollstühle auf einmal im Speisesaal - das passt dann doch nicht. Christina isst an einem Extra-Tisch im Aufenthaltsraum.
Das Auto ist sportlich-knallblau; auf der Farbe fallen die runden Aufkleber mit dem Rollstuhlzeichen gar nicht groß auf. Aber die Aufkleber sind da, das ist Christina Biroth, die Bundesfreiwillige im Rollstuhl. Sie braucht keinen Chauffeur, sie fährt sich selbst zur Arbeit:
"Am meisten freue ich mich jetzt auf die Menschen; dass die Leute sich so freuen, dass ich meine Arbeit verrichte. Das ist das Schönste."
Sie sitzt bei geöffneter Tür auf dem Fahrersitz und schaut sich um. Per Knopfdruck öffnet sie die Tür hinter sich und ihr Rolllstuhl wird sichtbar. Wie von Geisterhand senkt und dreht er sich auf den Asphalt zu. Jetzt muss Christina ihn nur noch auseinanderklappen. Es dauert zwar eine ganze Weile, bis sie sich vom Fahrersitz auf den Rollstuhl gehievt hat und ihr ganzes Gepäck aufgeladen bekommt, aber jede ihrer Bewegungen signalisiert: Finger weg, ich schaff das locker allein.
Pünktlich neun Uhr, Christina rollt über den Flur. Überall sitzen alte Leute, manche wie sie im Rollstuhl. Ihrer ist der sportlichste, blaue Räder, wie am Auto. Blau ist überhaupt ihre Farbe; zu blonden, kurzen Haaren und leuchtenden, braunen Augen.
Sie ist eigentlich gelernte Bürokauffrau. Aber keiner will ihr nach der Ausbildung eine feste Anstellung geben. In der Zeitung liest sie dann, dass das Alten- und Pflegeheim im Nachbarort, in Nachrodt, einen Bundesfreiwilligen sucht. Christina ruft an, stellt sich vor und kann sofort anfangen. Sie unterstützt den sozialen Dienst. Der kümmert sich darum, dass die Bewohner sich nicht langweilen:
"Hallo Frau Heck. ich wollte Sie zum Basteln abholen…"
Frau Heck sitzt auch im Rollstuhl, eine kleine, energische, aber auch schon in sich zusammengesunkene alte Dame. Fußgänger müssen sich zu ihr herunterbeugen; Christina begegnet ihr genau auf Augenhöhe:
"Die passt zu uns, wir mögen sie auch. Doch, wir mögen sie leiden."
"So, einmal Richtung Therapieraum …"
Die beiden schleichen los; Rolli-Kolonne über den Altenheim-Flur, Frau Heck vorneweg. Christina könnte schneller; aber sie passt sich an.
Frau Heck stockt, Christina schiebt von hinten nach. Sie ist von Geburt an gelähmt, sie ist im Rollstuhl aufgewachsen. Spina Bifida heißt ihre Krankheit.
Im Therapieraum sitzen vier Bewohner, eine Beschäftigungstherapeutin und Christina um einen riesigen Tisch herum. Finger tunken sich in Kleisterpötte, Papierschnipsel sollen damit benetzt werden, um dann vorgemalte Formen von Schneemännern auszufüllen - so der Plan. Aber manchmal brauchen die alten Leute zwei Tage, nur um den Hut fertig zu kriegen:
"Klar ist das manchmal auch relativ anstrengend, weil man eben auch persönliche Sachen erfährt von den Menschen, von daher ist es oft geistig ziemlich anstrengend, aber mich strengt das nicht so an wie die Arbeit im Büro, das macht mir hier auch sehr viel mehr Spaß als im Büro."
Das Zusammensein mit diesen Menschen tut Christina gut. Hier guckt sie keiner schief an, so wie draußen beim Einkaufen, auf der Straße oder gar in der Ausbildung, wo ihr kein Mensch irgendwas zugetraut hat:
"Nee, hier sind wir alle gleich - ja, und vor allem zeigt mir das dann auch, dass die Leute von Anfang an ungehemmt mit mir umgehen können, dass sie eben …"
Bewohner (fällt ihr ins Wort): "Ja, das isses doch - hier wird keiner sein, der nichts hat."
Christina ist eine der wenigen Bundesfreiwilligen mit Behinderung; genaue Zahlen werden nicht erfasst.
"Hallo, gibt´s hier was zu tun für mich?"
Im Büro sortiert sie täglich die Post. Vielleicht der einzige Raum im ganzen Altenheim, der nicht auf Rollstühle eingerichtet ist. Wenn sie sich an ihr extra für sie hineingestelltes Tischchen klemmt, kann sich die Chefin an ihrem Schreibtisch kaum noch bewegen. Johanna Schwitalla kann sich trotzdem vorstellen, Christina auf Dauer zu beschäftigen:
"Sie hat einen anderen Blickwinkel; sie kennt die Handicaps, die die Leute haben, sie weiß, wo sie Hilfe benötigen - das ist so - wir geben vielleicht zu viel Hilfe manchmal. Aber sie kann das besser einschätzen, was können die Leute noch alleine."
Servicedienst im Speisesaal; es geht aufs Mittagessen zu. Noch weiß Christina nicht, wie sie nach dem Bundesfreiwilligenjahr weitermachen will, welche Möglichkeiten es für sie in ihrem Rollstuhl gibt - aber die Richtung hat sie gefunden:
"Ich könnt mir auf jeden Fall vorstellen: Arbeit mit Menschen. Das wäre so mein Traum, dass ich Arbeit finde, wo ich mit Menschen arbeiten kann - das wär wunderbar."
Dass ihr das liegt, würde ihr jeder Bewohner des Nachrodter Hofs blind unterschreiben. Die Herrschaften haben sich schon erwartungsvoll im Flur vor dem Speisesaal aufgereiht, mit ihren Rollstühlen oder Rollatoren. Christina gleitet an ihnen vorbei und macht den Weg frei:
"Es gibt Grünkohl, soweit ich weiß …"
Zu viele Rollstühle auf einmal im Speisesaal - das passt dann doch nicht. Christina isst an einem Extra-Tisch im Aufenthaltsraum.