Bund und Länder wollen Steuerschlupflöcher schließen

Karoline Linnert im Gespräch mit Ute Welty · 06.06.2013
Schlupflöcher bei der Erbschaftssteuer und bei der Grunderwerbssteuer werden im Jahressteuergesetz 2013 nun geschlossen. Die Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften dagegen konnte nicht durchgesetzt werden, bedauert Bremens Finanzsenatorin Linnert (Bündnis 90/Die Grünen).
Ute Welty: Sie tragen klangvolle Namen, Cash-GmbH, Rett-Blocker oder Goldfinger. All diese Steuertricks werden zukünftig erschwert oder sogar unmöglich. Um was es sich genau dreht, erklärt Robert Kiendl:

Monatelang gab es Streit um das Jahressteuergesetz 2013, wenige Wochen vor der Sommerpause und kurz vor Ablauf der Wahlperiode haben sich Bund und Länder im Vermittlungsausschuss nun doch noch auf ein umfangreiches Kompromisspaket geeinigt. Damit werden künftig bestimmte bislang legale Steuerschlupflöcher für Unternehmen und Topverdiener geschlossen.

Tricksereien bei der Grunderwerb- und der Erbschaftsteuer sowie bei Goldgeschäften wird ein Riegel vorgeschoben, es gibt Verbesserungen bei der privaten Altersvorsorge, außerdem werden die Bezüge der Freiwilligen im Wehrdienst oder in zivilen Diensten von der Steuer befreit.

Der ursprüngliche schwarz-gelbe Entwurf für das Jahressteuergesetz war wegen des Streits um die steuerliche Gleichstellung homosexueller Lebenspartner mit heterosexuellen Eheleuten im rot-grün dominierten Bundesrat gescheitert. Sowohl die Länderkammer als auch der Bundestag müssen dem Gesetzespaket noch endgültig zustimmen, damit es in Kraft treten kann.


Das Jahressteuergesetz 2013 will zukünftig Cash-GmbH, Rett-Blocker und Goldfinger verhindern, dafür hat in der letzten Nacht der Vermittlungsausschuss gesorgt. Und daran interessiert war und ist auch die Bremer Bürgermeisterin und Finanzsenatorin Karoline Linnert, guten Morgen!

Karoline Linnert: Guten Morgen, Frau Welty!

Welty: Sie haben an der Sitzung teilgenommen. Lief denn alles einigermaßen reibungslos? Denn bis vor ein paar Tagen sah es gar nicht so sehr nach Einigung aus!

Linnert: Ja, das gehört natürlich zu Verhandlungen immer dazu, dass es Aufs und Abs gibt, da muss man sich noch mal die gegenseitigen Positionen versichern, aber allen Beteiligten war klar, dass wir mal nun langsam ein Jahressteuergesetz 2013 brauchen. Es geht ja auch um Rechtssicherheit für Unternehmen und Steuerpflichtige, und deshalb war jetzt schon der Einigungswille doch ganz groß. Und wir haben im Prinzip eine Lösung erzielt, wie wir sie auch schon mal hatten, wenn das nicht an der Sache mit den eingetragenen Lebenspartnerschaften geplatzt wäre.

Welty: Was ja nicht unbedingt was miteinander zu tun hatte!

Linnert: Ja, gehört auch ins Steuerrecht, das ist doch ungerecht, dass die Menschen, die eine eingetragene Partnerschaft, zwar untereinander unterhaltspflichtig sind, aber das im Gegensatz zu denjenigen, die verheiratet sind, nicht steuerlich so geltend machen können. Das ist verfassungsrechtlich geboten und ich fand das ganz richtig, dass Grüne und SPD da versucht haben, dafür zu sorgen, dass da ein verfassungskonformer Zustand einkehrt. Es ist ja auch ungerecht. Aber da war nichts zu machen und nun haben wir uns aber auf die anderen Dinge, die da noch im Krummen waren, geeinigt.

Welty: In diesem Fall sprechen wir von Steuerschlupflöchern, nicht unbedingt von Steuerhinterziehung, das heißt doch, die Probleme sind hausgemacht: Ich kann eine Konstruktion für den Immobilienverkauf an zwei Käufer, eben wie beim Rett-Blocker, zulassen oder eben auch nicht. Wer hat denn bisher von einer solchen Konstruktion überhaupt profitiert? Welche Unternehmen, welche Branche?

Linnert: Ja, ich würde mal sagen, das war ja auch so in der Anmoderation oder auch in dem sehr gut erklärten Sachverhalt eben. Aber ich sage mal, man muss ein bisschen aufpassen, dass man nicht so gleich diesen Duktus der Trickserei wählt. Das Steuerrecht ist kompliziert, in Deutschland ist es besonders kompliziert, das hat aber auch was mit dem allgemeinen Hang zu tun, zu versuchen, darüber möglichst viel Gerechtigkeit zu schaffen. Vielleicht gibt es auch manchmal extra Löcher, die geschaffen werden, aber es ist nicht so, dass da gezielt Menschen die Möglichkeit gegeben wird, Steuern zu hinterziehen. Sondern das ist eigentlich ein sinnvoller Sachverhalt, den es auch heute weiter gibt, dass, wenn Firmenteile verkauft werden – und da ist Immobilienbesitz, größerer Immobilienbesitz dabei –, dass der dann nicht der Grunderwerbssteuer unterliegt. Weil man, wenn man das machen würde, der Grunderwerbssteuer unterliegen würde, dann würden sich die Länder zwar freuen, weil das ist unser Geld, aber das würde ja die Verkäufe von GmbHs und Unternehmen massiv erschweren. Und das wollen wir nicht. Also, dahinter steckte eine gute Idee.

Welty: Und warum ist diese Idee nicht mehr so gut?

Linnert: Nein, wir haben dann festgestellt, dass eben, wenn es um Unternehmen geht, die vor allen Dingen Immobilien haben, größere Immobilienpakete, dass die das eben ausgenutzt haben, diese Regelung, obwohl es für sie eigentlich so gar nicht gedacht war. Und deshalb wurde das jetzt so angeschärft, dass für die Unternehmen das nicht mehr genutzt werden kann.

Welty: Sie haben es gerade geschrieben, durch den Rett-Blocker spart der Käufer Grunderwerbssteuer, die dann wiederum dem Bundesland respektive der Kommune verloren gehen. Haben Sie im Blick, auf wie viel Geld Sie zum Beispiel in Bremen haben verzichten müssen dadurch?

Linnert: Nein, das wissen wir nicht.

Welty: Das ist aber eigentlich schade!

Linnert: Ja, weil man im Nachhinein nicht feststellen kann, in welchen Fällen war es eigentlich so nicht gedacht und in welchen Fällen ist es weiter in Ordnung. Es ist ja weiterhin möglich, Grunderwerbssteuer zu sparen beziehungsweise keine Grunderwerbssteuer zu zahlen, wenn Immobilienteile als Teil von Unternehmen übertragen werden. Das ist auch in Ordnung.

Welty: Es gibt eine Zahl, die kursiert bei den Cash-GmbHs, in der dadurch gesparten Erbschaftssteuer. Das sollen wohl 100 Millionen Euro weniger für die Länder übrig bleiben. Wenn diese Summe jetzt mehr gezahlt werden muss, kann sich das auch zum Standortnachteil auswirken?

Linnert: Sie meinen bei der Cash-GmbH? Nein, das würde ich nicht sagen. Deutschland ist ein Niedrigsteuerland, was die Vermögensbesteuerung betrifft, deshalb sind Grüne und SPD ja auch dafür, eine Vermögensabgabe …

Welty: Das diskutieren die Bayern mit den Österreichern in Sachen Erbschaftssteuer ganz anders!

Linnert: Ja gut, dann ist Österreich eben ein noch niedrigeres Niedrigsteuerland als Deutschland, das mag sein! Und wenn wir uns auf so einen ruinösen Wettbewerb einlassen wollen als Standort, der seinen Bürgerinnen und Bürgern auch entsprechend etwas bieten muss … Österreich wird gewaltig unter Druck kommen wegen dieser Regelung.

Also, Deutschland hat da keine Standortnachteile, sondern wir sind nach wie vor Niedrigsteuerland, was die Vermögensbesteuerung betrifft. Es ist völlig in Ordnung, wenn jemand etwas erbt, von dem Erben Erbschaftssteuer zu verlangen, das ist auch weltweit ziemlich durchgängig üblich. Das ist auch gerecht. Solche großen Vermögen, um die es da geht, die sind in einer Gesellschaft ja erworben worden, die auch Schutz bietet und einen funktionierenden Staat. Und deshalb ist das in Ordnung, wenn der was davon abbekommt, jedenfalls im Erbschaftsfall. Und wir werden da bis zu einer Milliarde, werden die Länder da Mehreinnahmen haben, und das Geld, das brauchen wir auch!

Welty: Drei Auswüchse mit dem Jahressteuergesetz 2013 von unzähligen haben sie jetzt einfangen können. Was nützt das am Ende des Tages mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein?

Linnert: Nein, mit den unzähligen, das hat so einen Tenor, so, das machen wir alles irgendwie und jeder kann da irgendwie drin rumfuchteln …

Welty: Na ja, das deutsche Steuerrecht besteht mehr aus Ausnahmen als aus Regularien.

Linnert: Nein, das würde ich so, glaube ich, nicht teilen. Also erst mal nehmen wir auch ordentlich Steuern ein und es gibt übertriebene Versuche, vielen Einzelfällen, die dann als gerecht oder ungerecht empfunden werden, Rechnung zu tragen. Und das geht mir auch zum Teil zu weit. Aber das Steuerrecht ist viel, viel besser, das deutsche, als sein Ruf. Und man sieht ja, dass es dann doch, wenn das aus dem Ruder läuft, auch gelingt, politische Konsense herbeizuführen, um das einzudämmen.

Und insofern, machen Sie es nicht schlechter! Die Leute, die das alles glauben, man kriegt das auf dem Bierdeckel hin, die veralbern die Menschen. Es ist richtig, auf verschiedene Sachverhalte auch steuerlich unterschiedlich zu reagieren, und die deutsche Steuerverwaltung ist gut. Und das ist nicht so, dass wir uns da im Reich des Irrsinns befinden oder bei dem Versuch, alle zu schonen, die Geld verdienen, so ist es nun wirklich nicht!

Welty: Nach dem Vermittlungsausschuss die Bremer Bürgermeisterin und Finanzsenatorin Karoline Linnert, ich danke sehr fürs Gespräch!

Linnert: Ja, gerne, vielen Dank!


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